NATO – die gefährlichste Allianz der Welt

Für den US-Journalist Chris Hedges ist die NATO ultimatives Machtinstrument zur Durchsetzung der Großmacht-Interessen der USA. Im längerfristigen Kontext gilt in dieser Hinsicht nun die VR China als größte Bedrohung, schreibt er in „NATO: The Most Dangerous Military Alliance on the Planet“.

Ich bringe im folgenden eine freie gekürzte Übersetzung.

Die NATO wurde 1949 gegründet, so Hedges, um eine sowjetische Expansion in Ost-und Mitteleuropa zu verhindern. Unter Bruch ihrer nach dem Kalten Krieg gegenüber Moskau gemachten Zusagen, sich nicht nach Osten auszudehnen, hat die NATO mittlerweile 14 Staaten in Ost-und Mitteleuropa in das Bündnis aufgenommen. [Anmerkung: Quellen gebe ich u.a. hier an.]

Unter Führung der USA hat die NATO [in den zurückliegenden 25 Jahren] Bosnien, Serbien und das Kosovo bombardiert und Kriege in Afghanistan, im Irak, in Syrien und in Libyen angezettelt. Fast eine Million Menschen verloren dabei ihr Leben, etwa 38 Millionen Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Die Türkei, Mitglied der NATO mit den zweitgrößten Streitkräften des Bündnisses, ist völkerrechtswidrig in Teile Syriens und des Iraks eingedrungen. Von der Türkei geförderte Milizen sind an ethnischen Säuberungen dort beteiligt. [Anmerkung: Zu imperialistischen Aktivitäten der USA seit 1948 siehe hier!]

Im NATO-Dokument „NATO 2030: United for a New Era“ vom 25.11.2020 heißt es: „China verfolgt eine zunehmend globale strategische Agenda und baut dabei auf seine zunehmende wirtschaftliche und militärische Stärke. (…) Längerfristig wird es immer wahrscheinlicher, dass China seine militärische Macht auf die ganze Welt ausdehnen wird, möglicherweise auch auf den euro-atlantischen Raum.“

Das Bündnis hat die Strategie des Kalten Krieges aufgegeben, bei der Washington besser mit Moskau und Peking auskam, als Moskau und Peking miteinander. Dass die USA und die NATO Russland und China als Gegner betrachten, macht beide zunehmend zu Verbündeten. Russland mit seinem Ressourcen-Reichtum und China als Produktions-und Technologiegigant bilden zusammen eine starke Kombination.

Die NATO macht keinen Unterschied mehr zwischen den beiden Ländern und verkündet in ihrem jüngsten Strategiekonzept, dass die sich vertiefende strategische Partnerschaft zwischen Russland und China die auf Regeln basierende internationale Ordnung zu untergraben droht und westlichen Werten und Interessen zuwiderläuft.

Der politische und soziale Aufruhr in den USA und deren schwindende Wirtschaftskraft führen dazu, dass die USA und die NATO zunehmend auf ihre Kriegsmaschinerien setzen, um ihren Niedergang aufzuhalten. Nach zwei Dekaden „War on terror“ stehen jetzt Russland und China auf der Liste der Feinde der USA ganz oben.

Washington und seine europäischen Verbündeten fürchten Chinas Billionen-Dollar-Investition in die Belt-and-Road-Initiative (BRI), mit der ein Wirtschaftsblock von etwa 70 Ländern ausserhalb der Kontrolle der USA entstehen soll. Die Initiative umfasst den Bau von Eisenbahnlinien, Strassen und Gaspipelines, auch Russland ist einbezogen. Es wird erwartet, dass Peking bis 2027 1,3 Bill. Dollar in die BRI investiert.

Die VR China ist auf dem besten Weg, noch innerhalb des laufenden Jahrzehnts zur grössten Volkswirtschaft der Welt aufzusteigen. Das Land hat den weltweit grössten regionalen Handelspakt ins Leben gerufen. Er besteht aus 15 ostasiatischen und pazifischen Staaten, die zusammen 30% des Welthandels repräsentieren. Auf China entfallen ausserdem bereits 28,7% des weltweiten Produktionsvolumens, die USA kommen auf 16,8%.

Wenn sich China, Russland, der Iran, Indien und weitere Staaten von der Vorherrschaft des Dollar als Weltreservewährung befreien, schwächt das seine Funktion, andere Länder in finanzieller Abhängigkeit zu halten und an der Finanzierung der Schulden der USA zu beteiligen. Die USA sind mit 30 Bill. Dollar verschuldet (ca. 125% des BIP). Die Bedienung dieser Schulden wird auf 300 Mrd. Dollar jährlich geschätzt.

Mit gut 800 Mrd. Dollar betrugen die Militärausgaben der USA im Jahr 2021 rund 38% aller Militärausgaben weltweit. Sie waren größer als die der nächsten neun Länder, einschliesslich China und Russland, zusammen. Wenn der Dollar als Weltreservewährung ausgespielt hat, wird das die USA zwingen, ihre Militärausgaben zu kürzen und viele ihrer 800 Militärbasen im Ausland zu schliessen. [Anmerkung: Da bin ich mir nicht so sicher. Auf jeden Fall helfen die „Verbündeten“ aus – z.B. mit Deuschlands „Sondervermögen“ für die Bundeswehr i.H.v. 100 Mrd. Euro.]

NATO- und US-Strategen erhoffen sich vom Stellvertreter-Krieg in der Ukraine eine militärische Schwächung Russlands. Gleichzeitig sollen die westlichen Sanktionen und die erwartete diplomatische Isolierung Russlands Putin von der Macht verdrängen, damit in Moskau ein den USA freundlich gesinntes Regime installiert wird. Zu diesen Zwecken hat die NATO der Ukraine Militärhilfe im Wert von bisher mehr als acht Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt und militärische, sowie humanitäre Hilfen im Wert von fast 54 Mrd. Dollar zugesagt. Der Krieg wird von der NATO ausserdem zur Erhöhung ihrer militärischen Präsenz in Ost-und Mitteleuropa genutzt. Die 40.000 Mann starken NATO-Reaktionskräfte dort sollen auf 300.000 Mann mit entsprechendem Kriegsgerät aufgestockt werden.

Für die Strategen der NATO und der USA ist der Ukraine-Krieg das Vorspiel. China ist der nächste (und wichtigere) „Kandidat“. Sie provozieren China in Bezug auf Taiwan, sie wiederholen eine Hetzkampagne wie die gegen Russland. China sieht Taiwan als Teil des chinesischen Hoheitsgebietes an. Wegen der US-Aktivitäten im asiatisch-pazifischen Raum lässt China Kampfflugzeuge in die Luftverteidigungszone Taiwans eindringen. Die USA schicken Kriegsschiffe in die Strasse von Taiwan, die das Süd- und das Ostchinesische Meer miteinander verbindet. [Anmerkung: Der Besuch der US-Politikerin Pelosi zuletzt passt in diesen Kontext.]

Der Konflikt mit Russland verläuft nicht planmässig. Die Sanktionen wirken nicht wie gedacht, der Rubel war im Juni gegenüber dem Dollar auf ein Siebenjahreshoch gestiegen. Europa steuert aufgrund der steigenden Öl-und Gaspreise und der Befürchtung, Russland könnte die Energielieferungen vollständig einstellen, auf eine Rezession zu. Die herbeigeführte Verknappung lässt die Preise für Lebensmittel und Energie steigen. Das bringt eine lähmende Inflation mit sich, sowie die Gefahr sozialer Unruhen und politischer Instabilität.

Die westlichen Kriegsführer gehen erschreckend leichtfertig mit der Gefahr eines Atomkriegs um. Sie wird mit Diskussionen über „taktische Atomwaffen“ heruntergespielt, als ob weniger starke nukleare Explosionen irgendwie akzeptabler wären und nicht zum Einsatz grösserer Bomben führen würden. Zu keinem Zeitpunkt, auch nicht während der Kubakrise, standen wir näher am Abgrund eines Atomkrieges, so Hedges.

Putin hat die NATO-Länder bereits wissen lassen, dass sie «mit härteren Konsequenzen als je zuvor in der Geschichte rechnen müssen», sollten sie direkt in den Ukraine-Konflikt eingreifen. US-Präsident Biden hat verkündet, der Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine sei „völlig inakzeptabel“ und würde „schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde“.

Welche das sein könnten, hat er nicht präzisiert. Aber in einem Planspiel von 2016 wurde für den Fall eines atomaren Angriffs auf das NATO-Bündnisgebiet ein entsprechender Gegenschlag durchgespielt. „Jede andere Reaktion würde einen Mangel an Entschlossenheit zeigen, der Glaubwürdigkeit der USA schaden und das NATO-Bündnis schwächen,“ hieß es damals zur Begründung. In Belgien, Deutschland, Italien, in den Niederlanden und in der Türkei sind US-Atomwaffen stationiert. Ein nuklearer Konflikt könnte einen Grossteil Europas auslöschen.

Je länger der Krieg in der Ukraine dauert –und die USA und die NATO scheinen entschlossen zu sein, den Konflikt mit zusätzlichen Waffenlieferungen im Wert von Milliarden Dollar noch Monate, wenn nicht Jahre in Gang zu halten–, desto eher wird das Undenkbare denkbar, schreibt Hedges.

Mit dem Weltuntergang zu liebäugeln, nur um der Rüstungsindustrie zusätzliche Profite zu verschaffen und das vergebliche Streben nach der Wiedererlangung der globalen Hegemonie der USA fortzusetzen, ist nicht nur extrem verbrecherisch, sondern völkermörderisch, so Hedges.

[Der Journalist Chris Hedges arbeitete u.a. viele Jahre für den Christian Science Monitor und die New York Times.]

[Unter Verwendung von Material aus "Eine globale Kriegsmaschine“]

Ergänzung:
Prägte die Heartland-Doktrin in den zurückliegenden hundert Jahren zunächst die Außenpolitik Englands und dann die der USA, so scheint diese nun einer Modifikation zu unterliegen. In der alten Fassung galt es als größte Gefahr für die jeweiligen hegemonialen Ansprüche, wenn das Technologie-orientierte Deutschland mit dem an Rohstoffen reichen Russland zusammengehen würde. Neuerdings scheint aus Sicht der USA die VR China an die Stelle von Deutschland zu treten – nun scheinen die USA eine enge Beziehung zwischen Russland und der VR China als größte Gefahr für ihre Vorherrschaft zu sehen.

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