Und noch ein ’Global Forecast’ für 2024

Die Vereinigten Staaten bleiben ein unverzichtbarer Faktor in der Weltpolitik. Ihr Status als größte Volkswirtschaft und stärkste Militärmacht der Welt verwickelt sie unweigerlich in fast alle wichtigen globalen und sogar regionalen Fragen. In finanzieller Hinsicht sind die USA oft nicht …

… wegen des Handelns der Regierung involviert, sondern weil Krisen in der Regel die Preise drücken, was wiederum privates US-Kapital anlockt. Wenn sich die USA militärisch einmischen, versuchen sie in der Regel, eine Instabilität zu verhindern oder einzudämmen, die direkt oder indirekt ein lebenswichtiges Interesse der USA bedrohen könnte. Im Grunde werden die USA immer wieder in Konflikte hineingezogen, sei es aus freien Stücken oder durch die Handlungen ausländischer Akteure.

Das schreibt George Friedman in „Global Forecast for the Next Year“.

Genau, Herr Friedman, die USA werden immer dann und überall dort militärisch tätig, wenn irgendein wichtiges Interesse der USA bedroht sein könnte – sei es aus freien Stücken oder getrieben durch andere. Sie fordern von anderen, dass sie sich nach von ihnen aufgestellten Regeln verhalten, für sie selbst gelten diese Regeln jedoch nicht (siehe hier!). [Ende des Einwurfs]

Nachfolgend bringe ich eine überarbeitete Übersetzung des Artikels.

Der andauernde Krieg in der Ukraine ist nach wie vor das hartnäckigste, seit zwei Jahren andauernde militärische Problem, ohne dass es einen entscheidenden Sieger gibt. Die Ukraine ist aufgrund logistischer Beschränkungen nicht in der Lage, einen nennenswerten Vorstoß gegen Russland zu unternehmen. Ihre amerikanischen und europäischen Unterstützer konzentrieren sich zunehmend darauf, einen souveränen ukrainischen Staat zu erhalten, ohne den Krieg dramatisch zu eskalieren oder auszuweiten.

Russland ist längst zu einer zermürbenden Kriegsführung übergegangen, die darauf abzielt, Gelände zu gewinnen und die ukrainische Linie zu durchbrechen. Trotz einiger Erfolge ist es Russland nicht gelungen, die ukrainische Armee zu lähmen oder auch nur relativ kleine Gebiete zu durchbrechen und einzukesseln.

Russlands Hauptproblem ist die Demographie. Eine auf die Infanterie ausgerichtete Strategie gegen einen vorbereiteten Gegner erfordert eine beträchtliche Anzahl von Truppen. Die Russen diskutieren nun über die Einberufung einer großen Zahl von Zivilisten und die Anwerbung ausländischer Staatsangehöriger. Es dauert jedoch viele Monate, einen kompetenten Soldaten auszubilden. Schlecht ausgebildete Neulinge an die Front zu schicken, ist ineffizient und wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt.

Ein Waffenstillstand im Jahr 2024 wird immer unwahrscheinlicher. Im zurückliegenden Jahr waren die Voraussetzungen für ein Abkommen gegeben, aber die Sondierungen verliefen im Sande. Nachdem sie den Krieg begonnen hatten und massive Verluste hinnehmen mussten, wollen sie nicht mit leeren Händen nach Hause zurückkehren.

Die Erweiterung der NATO um Finnland und Schweden verstärkt die Eindämmungslinie. Russland wird weiterhin nach Verbündeten suchen. Am wichtigsten sind Partnerschaften mit Nachbarländern, die als Puffer zur NATO dienen können. Ungarn scheint für eine solche Rolle offen zu sein, während die Lage auf dem Balkan so unbeständig ist wie schon lange nicht mehr. Der Balkan wird aber ein Hauptaugenmerk sein, ebenso wie der Iran, Saudi-Arabien und andere Länder im Nahen Osten. Wie bei vielen russischen Manövern wird diese Strategie offensiv erscheinen, ist aber in Wirklichkeit defensiv. Die USA werden darauf mit wirtschaftlichen und militärischen Gegenmaßnahmen reagieren, die nicht auf einen Krieg hinauslaufen.

Eine Analyse des Gaza-Konflikts muss von zwei Tatsachen ausgehen. Erstens hat keine arabische Macht einen nennenswerten Beitrag zur Verteidigung der Hamas geleistet. Die arabische Welt ist tief gespalten und hat Angst, das regionale Gleichgewicht der Kräfte zu stören. Zweitens ging dem Angriff der Hamas das größte Versagen der israelischen Geheimdienste seit 1973 voraus, als die Israelis die Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Angriffs seitens Ägypten und Syrien unterschätzten.

Der Ausgang des Krieges und die unterlassene Hilfeleistung für die Hamas werden die muslimische Welt in Aufruhr versetzen. Der Kampf islamischer Gruppen um die Wiederherstellung ihrer Glaubwürdigkeit wird zu weiteren Angriffen auf Israel führen, jedoch nicht zu bedeutenden. Wichtiger sind die tiefen Gräben, die sich in der muslimischen Welt auftun. Das verdeutlicht auch das Selbstmordattentat des Islamischen Staates im Iran und der darauf folgende Austausch von Raketen und Drohnen zwischen der iranischen und der pakistanischen Regierung.

In Israel wird das größte Augenmerk auf die Politiker fallen, die den Krieg geleitet haben. In den Monaten vor dem Überraschungsangriff der Hamas lösten umstrittene Justizreformen weit verbreitete Proteste aus, auch innerhalb des Militärs, was wahrscheinlich dazu beigetragen hat, dass dem Gaza-Streifen keine große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die Israelis werden auch ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten überdenken müssen, mit Blick auf mehr Sicherheitsabkommen.

Bisher hätte China bei jeder globalen Prognose ganz oben gestanden. Doch in den zurückliegenden beiden Jahren endete das chinesische Wirtschaftswunder. Chinas spektakulärer Aufstieg basierte auf Exporten und Investitionen, und sein wichtigster Wirtschaftspartner waren die Vereinigten Staaten. Aber die Risse, die sich bereits abzeichneten -schwacher Binnenkonsum, übermäßige Investitionen und ein müdes Wachstumsmodell- wurden durch den Ausbruch der Pandemie noch erheblich verschärft. Das Wachstum stabilisierte sich 2023, aber auf einem zu niedrigen Niveau, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen (siehe auch hier!).

Trotz eines Gipfeltreffens zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem US-Präsidenten Joe Biden haben die Investitionen aus den USA und die Nachfrage nach chinesischen Waren das Niveau von vor der Pandemie nicht wieder erreicht und können es wahrscheinlich auch nicht. Offensichtlich hat dies das chinesische Regime verunsichert, wie das immer häufiger auftretende Verschwinden hochrangiger Beamter des Militärs und des Außenministeriums zeigt.

In militärischer Hinsicht richtet China seine Rhetorik zwar weiterhin auf Taiwan, doch seine Aufmerksamkeit richtet sich verstärkt auf die Philippinen. Peking und Manila führten vielversprechende Gespräche, als Washington die Philippinen überredete, ihr Verteidigungsbündnis um vier weitere US-Stützpunkte zu erweitern. Anschließend schlossen die USA ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich mit Papua-Neuguinea.

Zusammengenommen stärken diese Entwicklungen die US-Basislinie, die sich von den Aleuten bis nach Australien erstreckt und darauf abzielt, China einzudämmen und die Vorherrschaft der USA über das Südchinesische Meer zu sichern. Chinas Bestreben, seinen Zugang zum Pazifik und darüber hinaus zu kontrollieren, bleibt somit blockiert, und die USA würden wahrscheinlich jeden Versuch Pekings, gewaltsam auszubrechen, eindämmen.

Chinas wirtschaftliche Probleme sind sichtbarer als seine militärischen Probleme. Das Regime ist sich beider Schwächen schmerzlich bewusst und wird sich darauf konzentrieren, sie zu beheben. Chinesische Unternehmen und Arbeitnehmer werden unter starkem Druck stehen, ihre Produktion zu steigern, wobei sie vor allem auf eine Erhöhung der Exporte achten werden.

Bedeutende ausländische Investitionen werden erst dann wieder fließen, wenn sich Chinas grundlegende Wirtschaftslage verbessert hat. Wir erwarten daher, dass sich Peking auf die Stabilisierung seines Regimes und seiner Gesellschaft konzentrieren und gleichzeitig die Produktion steigern wird. Es hat mehrere Jahre gedauert, bis China an diesen Punkt gelangt ist, und es wird mindestens so lange dauern, bis es sich wieder erholt.

Zusammenfassung
Der Krieg zwischen Israel und Hamas wird sich fortsetzen, allerdings in einem langsameren Tempo. Die Russen werden am aktivsten sein und versuchen, ihr Land zu sichern und ihren Status als bedeutende Macht wiederzuerlangen. Sie benötigen dazu noch viel Zeit. China schließlich befindet sich inmitten einer Krise, die unserer Ansicht nach noch längere Zeit andauern wird.

Wir betrachten die erwähnten Länder und Konflikte, so Friedman, als die folgenreichsten für den Rest der Welt. Viele andere blieben unerwähnt, nicht weil sie unwichtig wären, sondern weil wir nicht erwarten, dass sie sich in diesem Jahr so stark verändern, dass sie das geopolitische System beeinflussen.

Bis zu den Wahlen im November, so Friedman, werden sich die wirtschaftlichen Probleme, sowie die sozialen und politischen Unruhen in den Vereinigten Staaten verschärfen. Dies ist als Teil eines historischen Zyklus zu sehen, der wahrscheinlich in einem grundlegenden Wandel enden wird, nicht mit dieser Wahl, sondern im Jahr 2028 (siehe hier!).

Über den Autor: George Friedman von Geopolitical Futures ist ein gut vernetzter US-amerikanischer Analytiker der Weltpolitik. Zweifel an der Rolle der USA fechten ihn nicht an. Seine Analysen sind gewöhnlich kenntnisreich und durchdacht. Es schadet nicht, eine USA-zentrierte Sicht zu kennen – das Land ist nach wie vor die bedeutendste wirtschaftliche, politische und militärische Macht auf der Welt.
Friedman beschreibt seine analytische Sichtweise so: „Ich sehe die Menschen als Gefangene der geopolitischen Realitäten und habe mir zum Ziel gesetzt, diese Realitäten zu verstehen, ohne zu glauben, dass dies durch das Verständnis der Seele eines Führers beeinflusst werden kann.“ (Siehe hier!)

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