S&P 500 – Gegenreaktion fällig?

Der S&P 500 sinkt auf Wochensicht um 3,1%, das ist die dritte Verlustwoche in Folge. NDX und Nasdaq Composite verlieren stärker, sie waren zuvor weniger stark gesunken. Der Dow behauptet nach –2,4% und –2,3% zuvor. Der DAX mit –1,1% nach –1,3% und –1,7%.

Die Ölpreise fallen um 3,4% (Brent), bzw. 4,0% (WTI) nach starken Gewinnen zu Monatsbeginn. Der CRB-Rohstoffindex im Wochenvergleich erneut gut behauptet. Gold verbessert sich um weitere 2,0% nach +0,7%. Silber erneut im Plus mit 2,3% nach drei Gewinn-Wochen.

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Die US-Renditen steigen über das gesamte Laufzeitenspektrum weiter und setzen damit die Tendenz der Vorwochen fort. Die der 10yr-TNotes legt auf Wochensicht um 2,1% zu, die der 2yr-TNotes mit +1,7%, die der 13wk-TBills fester mit +0,4%. Der Dollar-Index kaum verändert, Euro/Dollar gut behauptet. Die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen steigen um mit +0,9% und 1,1%.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt auf Wochensicht um 2,0%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), fällt um weitere 2,7%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, stürzt um 9,2% ab, Tech- und KI-Werte fallen in Ungnade.

Der Rendite-Spread am langen Ende nimmt im leicht positiven Bereich weiter ab. Die Inversion der Zinsstruktur über das gesamte Spektrum nimmt weiter ab, jetzt –0,68%. Die negative Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR nimmt weiter ab und setzt die Tendenz der Vorwochen fort. Die Erwartungen hinsichtlich einer baldigen Leitzins-Senkung sinken – aktuell scheint man auf mittlere Sicht nur noch einen Zinsschnitt zu sehen.

Gegenwind für Aktien kommt von einer weiterhin widerstandsfähigen US-Wirtschaft, einem robusten Arbeitsmarkt und von inflationärer Dynamik. Hinzu kommen geopolitische Risiken, nachdem Israel auf einen Dronenangriff des Iran mit einem Gegenschlag reagiert hat.

Fed-Chef Powell sagte am zurückliegenden Mittwoch, die jüngsten Inflationsdaten hätten gezeigt, dass es länger brauche als erwartet, um das Vertrauen in eine abebbende Inflation zu festigen. Die restiktive Geldpolitik müsse daher verlängert werden, die Leitzinsen bleiben für längere Zeit höher als erwartet. Aber auch Fragen hinsichtlich der Effektivität des gegenwärtigen Kurses werden aufgeworfen, was die Unsicherheit der Akteure zusätzlich verstärkt. Die Fed bewegt sich weiter in einem Zielkonflikt zwischen Eindämmung der Inflation, Wachstum und Stabilität der Finanzmärkte.

Die US-Hypothekenzinsen stiegen die dritte Woche in Folge an. Im April 2021 lagen sie noch bei rund 3%, zum Ende des Jahres 2023 notierten sie bei 8% – so hoch wie seit 2000 nicht. Aktuell liegen die Zinsen für 30-jährige Hypotheken bei durchschnittlich 7,1%, sie basieren typischerweise auf der Rendite der 10yr-TNotes, die zuletzt über 4,6% angestiegen ist.

Ein Fed-Offizieller erdreistete sich in der zurückliegenden Woche und redete sogar von einer Zinserhöhung. Das trieb die Liquiditäts-Süchtigen in die Flucht. Gut gelaufene Tech-Titel und KI-Werte wurden verkauft. Es findet offenbar eine Rotation in hoch kapitalisierte Werte, Large Caps, statt, das stabilisiert den Dow im Vergleich zu S&P 500 und Nasdaq. Solche liquideren Titel gelten in Phasen wie der aktuellen als risikoärmer, weil sie sich im Zweifel weniger kursschädlich verkaufen lassen. Small Caps standen schon in der gesamten bullischen Bewegung seit Anfang November nicht besonders hoch im Kurs.

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Die Gegenüberstellung von zwei ETFs zeigt, dass Small Caps die Spitze ihrer relativen Beliebtsheit Ende des ersten Quartals 2021 erreicht hatten. Zwischen August 2022 und Februar 2023 gab es nochmals eine längere Phase, in der Small Caps relativ stärker liefen als Large Caps. Aber aktuell liegt die relative Stärke von Small Caps wieder etwa auf dem Niveau von Ende September 2020. Das ist ein durchaus ernst zu nehmendes Zeichen von zunehmender Risikoaversion.

Die implizite Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Fed bei ihren nächsten beiden FOMC-Treffen im Mai und im Juni keine Zinssenkung vornehmen wird. Für den September-Termin liegt die Chance bei 50:50. Einige Beobachter sagen, so lange die Botschaft der Fed bei „keine Eile für eine Zinssenkung“ bleibt, dürfte der Weg des geringsten Widerstands für Aktien aufwärts gerichtet bleiben.

Von 2005 bis 2023 stieg das weltweit in ETFs investierte Vermögen von 417 Mrd. Dollar auf nunmehr 11,39 Bill. Dollar. Das Gros der Experten ist sich sicher, dass sich der Anstieg fortsetzt, nicht wenige sehen auf Sicht einiger Jahre ein Volumen von 18 Bill. Dollar. Besonders fulminant soll der Zuwachs gemäß JPMorgan bei Bitcoin ETFs sein. Bisher liegen die Nettozuflüsse bei diesen börsengehandelten Indexfonds bei 11,2 Mrd. Dollar. Die Erwartung: 220 Mrd. Dollar in den nächsten drei Jahren, ein Anstieg von 1.864%. Vor allem das zunehmende Interesse professioneller Investoren mache sich bemerkbar, heißt es.

Die folgende Tabelle von Ned Davis Research zeigt, wie sich die Verschuldungssituation in den zurückliegenden Jahren weltweit entwickelt hat. Rogoff und Reinhart haben in einem 2010 erschienenen Buch aufgrund historischer Analysen dargestellt, dass Schulden ab einer bestimmten Schwelle wachstumsbremsend wirken. Diese liegt für entwickelte Volkswirtschaften bei 90% des BIP jeweils für die Segmente Staat, nicht-Finanz-Wirtschaft und Verbraucher. Also wäre für die Tabelle eine Schwelle von 270% anzuwenden – schuldenbedingte Wachstumsbremsen allerorten.

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Die Gesamtschulden der USA haben sich in den zurückliegenden fünf Jahren um 33% gesteigert und kommen jetzt auf 334,4% des BIP. Die Eurozone vermeldet 417,7%. Nach aktuellen Zahlen ist Japan mit 660,6% Spitzenreiter.

Mit der Verschuldungssituation der USA befasst sich Financial Sense in „Financial D-Day and the Rise of the Gold Vigilantes“ – lesenswert.

Das BIP der VR China ist im ersten Quartal real um 5,3% gegenüber dem Vorjahr angestiegen – stärker als mit 4,9% erwartet. Der industrielle Sektor hat hierzu mit +6,1% im Jahresvergleich einen wesentlichen Beitrag geleistet. Das sind Zeichen einer in Gang gekommenen wirtschaftlichen Erholung, allerdings bleibt die Entwicklung von Industrieproduktion und Einzelhandelsumsatz im März hinter den Erwartungen zurück. Die chinesische Volkswirtschaft leidet unter der schwachen globalen Industrienachfrage und unter einem schleppenden Binnenkonsum. Eine Verschlechterung der Handelsbeziehungen mit Europa und den USA ist für die chinesische Regierung aktuell kontraproduktiv, was die Bereitschaft für Verhandlungen in bestehenden Handelskonflikten erhöhen dürfte. Große Anleger erwarten zudem auch weiterhin gezielte fiskalpolitische Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft.

Beispielhaft für den Abverkauf bei den großen US-Megatech-Werten mag folgender Chart stehen. Der Kurs von Nvidia liegt jetzt 18% unter dem Allzeithoch von März (Chartquelle).

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Obwohl das Phänomen der Inflation uralt ist, ringen die Wirtschaftswissenschaften immer noch damit, sie zu verstehen. Die jeweiligen Theorien haben nur in bestimmten Zeiträumen und unter besonderen Umständen Erklärungskraft. Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute und zuvor Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe, erwartet nicht, dass die Notenbanken ihr Versprechen, die Inflation einzudämmen, halten können, wenn es wirklich akut wird (siehe hier!).

Colin Twiggs von IncredibleCharts erwartet u.a. aus geopolitischen Gründen weiter steigende Ölpreise. Das werde den Inflationsdruck erhöhen und die Rendite der 10yr-TNotes zu einem Test der 5%-Marke treiben. Die Nachfrage nach sicheren Häfen bleibe auf Gold konzentriert. Bondkurse bleiben unter Druck, Aktien warnen vor einer Korrektur. Bitcoin werde sich nun divergent zu Gold entwickeln, weil Anleger risikoaverser würden.

Tom McClellan befasst sich mit der Zahl gehandelter US-Aktien. Sie hat im Januar 2022 ihr jüngstes Hoch erreicht und sinkt seitdem. Das sei kein bullisches Zeichen für die Finanzmärkte.

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Insbesondere in Zusammenhang mit den lockereren Zulassungsbedingungen der Nasdaq sei eine zunehmende Anzahl von IPOs ein Zeichen für billigeres Geld, weil dann auch kleine Firmen in der Lage sind, Kapital anzuziehen. Das erhöhe die Anzahl der gelisteten Unternehmen. Umgekehrt würde eine striktere Geldpolitik zunächst die kleinen, schwachen Unternehmen betreffen. Sie würden wieder von der Börse genommen. Hält die Entwicklung an, kämen zunehmend auch größere Unternehmen unter Druck. Das erklärt, dass es einen deutlichen Zeitverzug zwischen dem Verlauf der Gesamtzahl der Aktien und dem Verlauf großer Indices gibt, so McClellan.

Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4967,23 geschlossen. Bereits zu Wochenbeginn wurde die EMA50 nach unten durchstoßen. Sie notiert nun leicht sinkend bei 5081 (Chartquelle).

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Der Index hat jetzt auch die große Aufwärtslücke vom 22. Februar bei 4984 geschlossen. Der nächste leichte statische Support liegt bei 4950. Bis herunter zu 4800 liegen eng gestaffelt weitere leichte Unterstützungen. Bei 4822 kommt das 38er-Retracement des Aufwärtsimpulses aus November ins Spiel. Darunter liegt bei 4732 die EMA200, die in die Waagerechte einzuschwenken scheint, ein mittelfristig ungünstiges Zeichen für abnehmende bullische Dynamik.

Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo mit 29:43 leicht bärisch. Das Verhältnis von SPX zu VIX läuft steil abwärts, das „Klima“ ist mittlerweile in „Doubt“. Die Volatilitätsauswertung des VIX zeigt keine Selbstzufriedenheit mehr, am Montag kam es zu einem Volatilitätsausbruch, der vor einem weiterem Anstieg des VIX warnt, gleichbedeutend mit weiterer Schwäche bei Aktien. Der VIX notiert klar über seiner EMA50. Die Volumenverteilung im S&P 500 zeigt Schwäche, aktuell in Distribution. Der TQUAL-Indikator, gebildet aus RSI, Stochastik und MACD internationaler Aktienindices, meldet nun einen bärischen Status.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen zyklische Eigenschaften dominieren. Übergeordnet dürfte es weiter in Richtung Kontraktion gehen. Die (instabile) Prognose der TimePatternAnalysis sieht für den stark überverkauften, überdehnten S&P 500 zunächst eher eine kurz angelegte Gegenbewegung.

Die Auswertung der Rendite der Ramsch-Anleihen markiert zusammen mit der Schwäche des S&P 500 ein erneutes mehrmonatiges Hoch, ihr jüngstes Tief wurde Ende Dezember gebildet. Das ist ein weiteres Zeichen abnehmender Risikoausrichtung.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren, der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis, sowie der Rendite der Ramsch-Anleihen werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Mit dem Schluss der großen Aufwärtslücke vom 22. Februar kommt es jetzt zum eigentlichen Test, ob aus der aktuellen Konsolidierung eine Korrektur wird. Übergeordnet ist die Wahrscheinlichkeit für eine Korrektur hoch, kurzfristig ist eine Gegenreaktion überfällig. So lange dabei die Abwärtslinie aus Ende März bei aktuell rund 5166 nicht aufgehebelt wird, bleibt es bei dem großen Bild.

Die angelaufene Quartalssaison lieferte bisher für die Bullen keine wesentlichen neuen Impulse. Geopolitische Risiken gewinnen an Bedeutung, seit die bullische Dynamik gebrochen ist. Der Weg des geringsten Widerstands führt übergeordnet eher nach unten.

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