Kriegstreiber und Warner

Die deutsche Außenministerin Baerbock ist gerade im Baltikum unterwegs, wo sie der „Opfer des Kommunismus“ gedenkt. Ein Gedenken an die Opfer der NS-Besatzer und baltischer Kollaborateure, durch deren Terror fast die gesamte jüdische Bevölkerung zu Tode kam, ist nicht eingeplant. Einheimische NS-Kollaborateure werden in allen drei baltischen Staaten öffentlich geehrt.

Baerbock erklärte, aktuell gehe es vor allem um „Wehrhaftigkeit“ gegenüber Russland; dazu lasse sich im Baltikum viel lernen. Die Grünen setzen ihre im Kontext des Kosovo-Krieges 1999 begonnene Tradition fort und erweisen sich als besonders rührige Kriegstreiber. Sie haben im Wahlkampf eine feministische Außenpolitik auf ihre Fahnen geschrieben. Wenn das so ist, dann ist mir jeder Macho lieber.

Die Einigung zwischen Ost und West im Jahre 1990 bestand darin, dass die NATO „keinen Zentimeter“ nach Osten gehen sollte. Der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, bestätigt dies. „Wir haben deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen,“ schrieb auch der deutsche Diplomat Jurgen Chrobog über ein Treffen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands im März 1991. Gorbatschow vertraute den Westmächten offenbar, die Vereinbarungen wurden vertraglich nicht fixiert (siehe auch hier!).

Ein lesenswerter langer Artikel auf Globalbridge.ch zitiert viele namhafte Stimmen, die vor einer Osterweiterung der Nato gewarnt haben. Ich bringe eine Auswahl.

So hat etwa Jack F. Matlock Jr, der US-Botschafter in der Sowjetunion von 1987 bis 1991, mit klaren Worten gewarnt: „Ich halte die Empfehlung der Regierung, zum jetzigen Zeitpunkt neue Mitglieder in die NATO aufzunehmen, für fehlgeleitet. Sollte sie vom Senat der Vereinigten Staaten angenommen werden, könnte sie als der größte strategische Fehler seit dem Ende des Kalten Krieges in die Geschichte eingehen. Weit davon entfernt, die Sicherheit der Vereinigten Staaten, ihrer Verbündeten und der Staaten, die dem Bündnis beitreten wollen, zu verbessern, könnte sie eine Kette von Ereignissen auslösen, die zur größten Sicherheitsbedrohung für diese Nation seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion führen könnte.“

William Perry, unter Clinton von 1994 bis 1997 US-Verteidigungsminister, erwähnt in seinen Erinnerungen, er wäre wegen der Entscheidung Washingtons für die NATO-Erweiterung fast zurückgetreten: „Eine erweiterte NATO ist eine furchtbare, potenziell katastrophale Idee.“

Ted Galen Carpenter, ehemaliger Direktor des US-amerikanischen „Cato Institute“ und Autor von zwölf Büchern, darunter „NATO: Der gefährliche Dinosaurier“ (2019), schrieb im Jahr 1997 den Artikel „The Folly of NATO Enlargement“. In dem Aufsatz mit dem deutschen Titel „Der Wahnsinn der NATO-Erweiterung“ findet sich u.a. folgende Aussage: „Eine erweiterte NATO ist eine furchtbare, potenziell katastrophale Idee. Anstatt die Wunden des Kalten Krieges zu heilen, droht sie eine neue Teilung Europas und eine Reihe gefährlicher Sicherheitsverpflichtungen für die Vereinigten Staaten zu schaffen.“

Eine höchst prominente Stimme, die für die Geschehnisse in der Ukraine im Jahr 2014, inklusive der Wiedervereinigung der Krim mit Russland, klar den Westen verantwortlich machte, ist John J. Mearsheimer, Professor für Politologie und spezialisiert auf internationale Beziehungen. Im Herbst 2014 veröffentlichte er in der international bekannten US-Monatszeitschrift „Foreign Affairs“ unter dem Titel „Warum die Ukraine-Krise die Schuld des Westens ist“ einen langen Artikel, wo es u.a. heißt: „Die Wurzel des Übels ist die NATO-Erweiterung, das zentrale Element einer umfassenderen Strategie, um die Ukraine aus der Umlaufbahn Russlands herauszuholen und sie in den Westen zu integrieren.“ In „Why John Mearsheimer Blames the U.S. for the Crisis in Ukraine“ bekräftigte er im März 2022 seine Auffassung erneut.

2014 schrieb auch der ehemalige Aussenminister und aussenpolitische Berater mehrerer US-Präsidenten Henry Kissinger wörtlich: „Die Ukraine sollte nicht NATO-Mitglied werden, eine Position, die ich schon vor sieben Jahren vertrat, als es zuletzt ein Thema war.“

Noam Chomsky, emeritierter Professor für Linguistik am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer der bekanntesten Intellektuellen der USA, warnte 2015 aus Anlass des Euromaidans in Kiev vor der Erweiterung der NATO auf die Ukraine: „Wir können uns zum Beispiel vorstellen, wie die USA während des Kalten Krieges reagiert hätten, wenn der Warschauer Pakt sich auf Lateinamerika ausgedehnt hätte und Mexiko und Kanada nun planten, dem Warschauer Pakt beizutreten.“

Allen Warnungen zum Trotz wurden am 12. März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO aufgenommen und damit die Osterweiterung der NATO in Richtung Russland aktiv gestartet. Und seither wurden elf weitere Länder an oder nahe der russischen Grenze in die NATO aufgenommen.

Nachdem die USA und weitere NATO-Länder der Ukraine immer mehr Waffen lieferten und hohe US-Militärs die ukrainische Armee in der Kriegsführung über Jahre hinweg instruierten und ausbildeten und auf diese Schulungen sogar besonders stolz waren, verlangte Russland im Dezember 2021 von den USA und von der NATO Sicherheitsgarantien. Beide lehnten mündlich und dann auch schriftlich ab, beide weigerten sich, irgendwelche Garantien abzugeben. Beide weigerten sich auch, zuzusichern, dass die Ukraine nie in die NATO aufgenommen wird. Im Gegenteil, sie beschleunigten und intensivierten die Waffenlieferungen an die Ukraine. Und die Kiever Armee und die mit ihr kooperierenden Milizen starteten im Bürgerkrieg im Donbass auf Betreiben des ukrainischen Präsidenten Selenskyj eine neue Welle von Bombardierungen.

Von all dem wollen nach dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 die allermeisten westlichen Medien nichts mehr wissen. Sie wollen einen Allein-Schuldigen an diesem Krieg, Russlands Staatspräsident Putin. Russland fühlt sich nachvollziehbar bedroht. In dieser Situation hat das Land den Krieg gegen die Ukraine völkerrechtswidrig begonnen.

1962/1963 drohten die USA mit einem Atomschlag, als die UdSSR versuchte, Raketen vor ihrer Haustür auf Kuba zu stationieren. Sie sahen ihre Sicherheit bedroht – durchaus verständlich. Damals war mit „JFK“ ein Mann US-Präsident, der sich gegen die Mehrheit der Blechköpfe in seinem Beratergremium stellte und in direktem Kontakt mit Chrustschow die Krise löste. Heute drohen mit Atomsprengköpfen bestückbare US-Raketen unmittelbar an der Westgrenze Russlands. An der Spitze der US-Regierung steht ein hochgradig seniler Mann, eine willige Marionette der Militär-Blechköpfe – ganz abgesehen von den dubiosen Verbindungen, die er oder sein Sohn in die Ukraine hat.

Nachtrag:
(23.4.22) Der ehemalige US-Botschafter in Russland, William J. Burns, heute CIA-Direktor, warnte in einem Botschaftsdokument vom Februar 2008, dass die Ukraine für Moskau eine „rote Linie“ in Sachen Sicherheit darstelle (h/t). Nach den Worten von Außenminister Lavrov auf dem Gipfeltreffen in Bukarest am 1. Februar 2008 sehe Russland die weitere Ausdehnung der Nato nach Osten als potentielle militärische Bedrohung an.

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