G20 – außer Spesen…

Das G20-Treffen ist zu Ende. US-Präsident Trump lobt Bundeskanzlerin Merkel in den höchsten Tönen, er bezeichnet sie als "fantastische Frau" und als "Freundin". Und ja, das Verhältnis der beiden Regierungschefs sei ausgezeichnet, sagt er. Auch dem saudischen Prinzen bin Salman huldigt er als „revolutionäre Figur“. Unter dessen de facto Herrschaft war es zum Mord am saudischen Journalisten Kashoggi in der türkischen Botschaft gekommen. Also eine rundum erfolgreiche Veranstaltung, oder?

Die 20 Länder konnten sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Klimapolitik einigen. Es brauchte lange Verhandlungen, um Wackelkandidaten wie Brasilien, Saudi-Arabien oder die Türkei auf die Linie der 19 Staaten zu bringen, die sich zu den gleichen Dingen verpflichteten wie im Jahr davor auf dem G20-Treffen in Buenos Aires. Auch dieses Mal scherten die USA wieder aus. Nicht so genau das, was man als Erfolg bezeichnen könnte.

Große Aufmerksamkeit war dem G20-Gipfel im Vorfeld entgegengebracht worden, weil sich dort US-Präsident Trump und sein chinesischer Gegenspieler Xi Jinping treffen wollten, um über den laufenden Handelsstreit zwischen den beiden Ländern zu sprechen. Zu Beginn dieses Treffens sagte Trump etwas, was sowieso alle wussten: „Wir haben exzellente Beziehungen.“ Und fuhr fort: „Aber wir müssen beim Handel für mehr Ausgleich sorgen." Und fügte an: „Ich denke, dass ist recht leicht hinzubekommen.“

Und tatsächlich – schon nach kurzer Zeit verkündeten Eilmeldungen, die Handelsgespräche zwischen den beiden Ländern würden wieder aufgenommen. Chinesische Staatsmedien berichteten von der Zusage der USA, keine neuen Strafzölle auf Importe aus China zu erheben. Außerdem soll der Bann gegenüber Huawei aufgehoben werden und die chinesische Seite sagte gemäß US-Meldungen zu, Agrargüter in beträchtlichem Umfang aus den USA einzuführen.

Trump sieht nach Ende des Gesprächs mit Xi beide Länder „wieder auf Kurs", das Treffen sei „sehr, sehr gut“ gelaufen, besser als erwartet. Vorher hatte er noch von einem Plan B gesprochen, bei dem die USA monatlich Milliarden an Strafzöllen kassieren und mit China immer weniger Handel treiben würden.

Die Verhandlungen zwischen den beiden Ländern waren vor sechs Wochen ausgesetzt worden. Hauptgrund war, dass sich beide Seite nicht über die Frage des Schutzes des geistigen Eigentums einigen konnten. Daraufhin hatten die USA Huawei auf die schwarze Liste gesetzt, was die Geschäfte von US-Zulieferern mit dem Unternehmen eng begrenzt. Gleichzeitig hatten die USA neue Strafzölle angekündigt, die in Kürze hätten in Kraft treten sollen.

Der Bann gegen Huawei war schon wenige Tage später wieder außer Vollzug gesetzt worden. Das ging auch darauf zurück, dass US-Tech-Unternehmen heftigen Druck gegen die Entscheidung ausübten. Der nunmehr ein Jahr andauernde Handelskonflikt hat auch den Bauern in den USA stark zugesetzt.

Immerhin – in die festgefahrenen Verhandlungen hinsichtlich des Handelsstreits zwischen den USA und der VR China kommt zumindest wieder Bewegung. Aber wie sieht die Perspektive aus?

Zunächst: Der Status quo in den Handelsbeziehungen mit China ist unsymmetrisch. Die 2002 beschlossenen WTO-Beitrittsbedingungen sehen ungleiche Zölle vor, viel wichtiger aber ist, dass sich ausländische Firmen im chinesischen Markt nur über Joint-Ventures mit einem Anteil von maximal 50% etablieren können. Umgekehrt gibt es hingegen für chinesische Unternehmen z.B. in Deutschland kaum Hürden, deutsche Firmen zu kaufen oder sich mit eigenen, vollständigen Töchtern zu engagieren. Diese Joint-Ventures führen zu einem Transfer von westlichem Knowhow nach China und erleichtern damit auch dessen, das geistige Eigentum verletzende Verwendung. Dieses gibt es zweifellos in bedeutendem Umfang.

Warum die Asymmetrie? Seinerzeit hatte sich die westliche Seite offenbar gedacht, dass sich mit der Entwicklung des Handels mit China auch dessen Rahmenbedingungen zu ihren Gunsten wandeln werden. Dieses „Wandel durch Handel“ war jedoch in diesem Fall zu kurz gedacht. Also soll es jetzt die Trump-Administration richten. Und da keine vollständige Symmetrie etwa bei der Frage der vollständigen Öffnung des chinesischen Marktes für ausländische Firmen erreichbar scheint, wird auf das Thema des Schutzes des geistigen Eigentums gepocht.

Es gilt als „schmutziges Geheimnis“ unter Volkswirten, dass Zölle weniger ökonomische Bedeutung haben als ihnen in der medialen Aufmerksamkeit zukommt. Wenn Trump seine Drohungen umsetzt und die restlichen Importe aus China im Volumen von 300 Mrd. Dollar auch noch mit Strafzöllen belegt, dürfte das die Weltwirtschaftsleistung 2020 laut IWF um mindestens eine halbe Billion Dollar reduzieren.

Bei diesem relativ geringen Effekt von nicht einmal einem Prozent bleibt es jedoch nicht, wenn die seit mehreren Jahrzehnten entwickelten und eingefahrenen globalen Lieferketten abrupt reißen. Wenn also der Zollstreit in einen Technologiekrieg übergeht, wenn der Austausch von Knowhow gekappt wird, ohne den die internationale Arbeitsteilung, so wie sie sich etabliert hat, nicht mehr funktionieren kann. Das aber ist genau die Perspektive, die sich hinter dem Huawei-Bann und dem Komplex des Schutzes des geistigen Eigentums verbirgt.

Wir stehen wieder (oder immer noch) dort, wo wir vor sechs Wochen standen, als die Verhandlungen abgebrochen wurden. Mit dem kleinen Unterschied, dass die Fed damals von einer Zinssenkung noch nicht viel wissen wollte und jetzt die Türe in Richtung zweier Zinsschritte nach unten für 2019 aufgemacht hat, um Belastungen durch anhaltende Handelskonflikte zu begegnen.

Trump steht im Hinblick auf seine Wiederwahl als US-Präsident in einer Zwickmühle. Einerseits muss ihm daran gelegen sein, die US-Wirtschaft bis dahin am Laufen zu halten. Allzu drastische Schritte im Zollstreit könnten die ohnehin erkennbaren Bremsspuren in der US-Wirtschaft zu sehr verstärken. Andererseits muss er vor seinen Anhängern das Gesicht wahren und China in die Knie zwingen, damit America wieder „first“ sein kann. Die chinesische Seite dürfte ein Interesse haben, auf Zeit zu spielen, weil ihre Wirtschaft spürbar an Dynamik einbüßt. Außerdem könnte sich für den Fall eines Wechsels in der US-Präsidentschaft eine völlig neue Situation ergeben, so dass es sich lohnt, nicht zu früh vollendete Tatsachen zu schaffen. Und: Beide Seiten brauchen Zeit, um Vorbereitungen für einen eventuellen „worst case“ zu treffen.

Also dürfte sich meiner Meinung nach das Gerangel, das wir im Grunde seit Februar erleben, noch eine Weile hinziehen. Mir erscheint es unwahrscheinlich, dass sich die VR China hinsichtlich der Frage des geistigen Eigentums substantiell bewegt. Genauso unwahrscheinlich ist es, dass die Trump-Administration hier deutliche Zugeständnisse macht. Dass es beide Seiten schaffen, die Patt-Situation in das kommende Jahr hinein auszudehnen, ist zunächst schwer vorstellbar. Möglicherweise aber wird diese Frage an einem bestimmten Punkt in den nun anstehenden Verhandlungsrunden ausgeklammert und ein Kompromiss hinsichtlich symmetrischerer Handelsbedingungen umgesetzt. Die Frage des geistigen Eigentums kocht dann später wieder hoch, womöglich erst im Verlaufe des Jahres 2020.

Damit hat der G20-Gipfel in der Frage der Zollstreitigkeiten auch nur das gebracht, was im Vorfeld erwartet worden war. Er hat insgesamt gezeigt, dass die zwanzig wirtschaftlich größten Länder der Erde immer weniger an einem Strang ziehen. Die wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Risiken nehmen zu. Die Deglobalisierung dürfte über den Tag hinaus weiter voranschreiten.

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