Der "war on cash" geht weiter

Der Ende Oktober aus dem Amt scheidende EZB-Präsident hat am Dienstag der zurückliegenden Woche seinen Nachfolger auf das ihm richtig erscheinende Gleis gesetzt. Ursprünglich hatte Draghi angekündigt, dass es bis Ende 2019 keine Zinswende geben werde. Jetzt heißt es aus seinem Munde, dass der Termin bis Mitte 2020 hinausgeschoben wird. Mindestens…

Nach Worten eines EZB-Insiders sei man aber auch offen für eine Zinssenkung, falls sich das Wirtschaftswachstum und die Inflation im weiteren Jahresverlauf abschwächen sollten. Nachdem bisher nur die Banken von negativen Zinsen bei Übernacht-Einlagen bei der EZB betroffen waren, könnten dann auch Sparer zur Zielgruppe werden. Das würde das Halten von Bargeld außerhalb des Bankensystems interessanter machen.

Die Deutschen haben nach wie vor eine vergleichsweise hohe Präferenz für Bargeld. Ganz im Gegenteil zu Ländern wie z.B. Schweden, wo sich vor einiger Zeit schon ein Mitglied der legendären ABBA-Truppe rühmte, im Selbstversuch ein Jahr lang ohne Bargeldzahlung ausgekommen zu sein. Die Abwesenheit von Hirn lässt sich weit zurückverfolgen…

Geld ist geprägte Freiheit, sagte schon Dostojewski. Wenn es kein Bargeld gibt, ist eine finanzielle Existenz außerhalb des Bankensystems nicht möglich. Zur Demokratie und persönlicher Freiheit gehört eine gewisse Anonymität und Unabhängigkeit von Institutionen, sei es im Banken- oder im staatlichen Bereich. Ohne Bargeld ist man in seiner finanziellen Existenz auf Gedeih und Verderb auf das Bakensystem angewiesen und damit ist prinzipiell denkbar, hierüber auch reglementiert und gegängelt zu werden. Eine besondere und besonders wirksame Form von Diktatur, bzw. Thyrannei…

Die Ökonomen Ruchir Agarwal und Signe Krogstrup haben kürzlich im Internet-Blog des IWF vorgeschlagen, die Geldmenge zu teilen. Nach diesen Vorstellungen sollte es neben dem Bargeld das auf den Spar- und Girokonten verbuchte „E-Geld“ geben. Wird ein Negativzins eingeführt, etwa weil man meint, damit einer größeren Wirtschaftskrise wirksam begegnen zu können, würde ein Bargeldgeschäft um den Negativzins teurer werden. Ein Produkt, das im Geschäft mit 10 Euro ausgezeichnet ist, würde bei einem Negativzins von fünf Prozent dann 10,50 kosten.

Damit soll die Haltung von Bargeld uninteressant gemacht werden. Die Existenz von Bargeld steht der Einführung negativer Zinsen im Wege, weil man für den Fall negativer Verzinsung von elektronischen Bankguthaben eben auf die Hortung von Bargeld außerhalb der Banken-Hemisphäre ausweichen könnte.

Die Einführung negativer Zinsen hatte vor einigen Jahren schon der Ex-Chefvolkswirt des IWF, Kenneth Rogoff, propagiert. Er sagte zur Begründung, eines Tages werde eine neue schwere Finanzkrise kommen, und dann könnten negative Zinsen von minus sechs oder minus fünf Prozent nötig werden, um schnell aus der Krise zu kommen. Die Einführung eines solchen geldpolitischen Instruments müsste weltweit koordiniert werden, indem die Verwendung von Bargeld drastisch eingeschränkt wird.

Die mit negativen Zinsen verbundenen Erwartungen sind, dass die Geldbesitzer ihr Geld auf ihren Konten ausgeben; die dadurch zunehmende Nachfrage soll helfen, eine Wirtschaftskrise zu überwinden. Das mag kurzfristig gelingen, wahrscheinlicher ist aber, dass die Geldbesitzer ihre Bankguthaben in Bargeld wechseln und abwarten, wie sich Preise und Wirtschaft entwickeln. Damit würde das genaue Gegenteil der Erwartungen eintreten, es könnte sich eine disinflationäre Spirale entwickeln, die in Deflation übergehen könnte. Also muss bei einer Politik signifikant negativer Zinsen die Flucht in Bargeld erschwert, bzw. verhindert werden.

Noch wichtiger ist: Minuszinsen führen dazu, wenig produktive Investitionen zu tätigen, so lange ihr Ertrag nur größer ist als der negative Zins, der bei Geldhortung anfällt. Damit werden Produktionsfaktoren suboptimal eingesetzt (siehe auch hier!). Das verstärkt das ohnehin schon existierende Wachstumsdilemma. In der Konsequenz muss der Zins immer weiter in den negativen Bereich vorgetrieben werden (und nicht nur im Krisenfall). Wir sehen jetzt schon bei den Nullzinsen, dass die Abkehr hiervon in Richtung Normalisierung der Geldpolitik nicht mehr gelingt – so hat die Fed, ihre Pläne einer Verkürzung ihrer Bilanz bereits weitgehend aufgegeben und wird sie per September beerdigen.

Die Zentralbanken haben sich mit ihrer Nullzins-Politik der zurückliegenden Jahre ihren Handlungsspielraum selbst zunichte gemacht, sie stehen mit dem Rücken an der Wand. In ihrer Logik können sie bei einer neuen schweren Krise nur mit deutlich negativen Zinsen reagieren.

Der neuerliche Vorschlag des IWF ist erst einmal ein Test-Ballon, wie die Bürger darauf reagieren. Weitere Gedankenspiele werden folgen. Ziel: Die Bürger sollen vom Bargeld abgebracht werden – der „war on cash“ lässt grüßen (siehe z.B. auch „Summers säkulare Stagnation“!).

Auch der Bundesgerichtshof trägt mit einem aktuellen Urteil dazu bei, den Einsatz von Bargeld zu benachteiligen. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen Entgeltzahlungen bei Barabhebungen und Bareinzahlungen geklagt. Diese wurden jedoch als generell mit dem Zahlungsdiensterecht vereinbar erklärt. Also muss der normale Bürger dafür zahlen, dass die Bank sein Bares aufbewahrt; wenn sie es dann hat, kann sie es (in weiten Grenzen) nach Belieben nutzen; sollte sie aber pleite gehen, schaut der vertrauensvolle Bürger in die Röhre (wenn es hart auf hart kommt); und wenn der Bürger sein Bares wieder haben will, zahlt er noch einmal.

Ergänzung:
In einem Artikel der „Welt“ findet sich ein interessanter Überblick über die Bargeldnutzung in verschiedenen Ländern. Japan hat mit 20% des BIP den höchsten Bargeldumlauf, gefolgt von Hongkong (17%) und der Schweiz (13%). Die Eurozone kommt auf 11%, die USA erreichen 8%, Russland und China liegen mit 10% gleichauf. Schweden liegt mit einem Bargeldumlauf von einem Prozent am Ende der Rangfolge der dargestellten 20 Länder.

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