S&P 500 – geopolitische Störungen

Der S&P 500 steigt die zweite Woche in Folge, kann das Wochenhoch jedoch nicht halten. Als Gründe werden geopolitische Sorgen und der dritte monatliche Rückgang in Folge beim US-Verbrauchersentiment genannt.

NDX und Nasdaq Composite zeigten relative Schwäche, der Dow ist Wochensieger bei den großen US-Indices. Gold und Silber steigen deutlich an, die Renditen fallen. Die Ölpreise gewinnen auf Wochensicht deutlich. Der CRB-Rohstoffindex beendet eine dreiwöchige Verlustserie.

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Die US-Renditen tendieren allesamt schwächer, insbesondere die der 10yr-TNotes. Das in der Vorwoche hier gebildete 16-Jahres-Hoch ist erst einmal Geschichte. Der Dollar zeigt erneut Stärke, Euro/Dollar tendiert schwächer. Das Währungspaar Dollar/Yen hält sich knapp an der Schwelle von 150. Hier werden Interventionen der BoJ erwartet.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken sinkt auf Wochensicht um weitere 2,2%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, verliert weitere 0,7%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, sinkt um 0,6%.

Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: Die beobachteten Merkmale der Zinsstruktur weiten sich am langen, wie am kurzen Ende erstmals seit einigen Wochen wieder im negativen Bereich aus. Über das gesamte Spektrum der Laufzeiten ist die Differenz weniger positiv.

Dow und S&P 500 laufen weiter unter ihren EMA50-Linien, der NDX kehrte zum Wochenschluss nach einem Ausflug darüber wieder zu seiner EMA50 zurück. Der DAX setzt seine Serie der Wochenverluste fort. Er hatte zu Wochenbeginn eine Aufwärtslücke produziert, sie aber am zurückliegenden Freitag wieder geschlossen.

Das Gesamtbild bei Aktien sieht wackelig aus. Beobachter machen als Grund die Geopolitik aus. Es wird mit einer Ausweitung des Gaza-Konflikts gerechnet, Israel will zunächst in den östlichen Teil des Gaza-Streifens einrücken, eine Million Einwohner sollen in den westlichen Teil vertrieben werden. Nicht überraschend ziehen die Ölpreise an. Das US-Verbrauchersentiment der Universität Michigan meldet für Oktober vorläufig den dritten monatlichen Rückgang in Folge, die Haushalte erwarten im nächsten Jahr eine höhere Inflation. Auch das hat die Stimmung eingetrübt.

Die größte Gefahr der aktuellen geopolitischen Situation wird darin gesehen, dass sie zu einem größeren Konflikt eskalieren könnte. Anleger wenden sich „sicheren“ Anlagen wie Staatsanleihen und Gold zu.

Die CPI-Headline-Inflation bleibt in den USA im September kaum verändert bei 3,7%, die Kerninflation sinkt von 4,4% auf 4,1%. Die Rohstoffpreise (PPIACO) legen den zweiten Monat in Folge zu, im Jahresvergleich nehmen sie weniger stark ab, nach –9,4% im Juni beträgt die Abnahme im September nur noch 3,3%.

Der Avidian Report schreibt: Obwohl es im Kontext von geopolitischen Faktoren und Kriegen einige recht hohe Gesamtverluste gab, betrug der durchschnittliche Gesamtverlust seit 1941 nach einem Marktschock nur 4,81%. Und was vielleicht noch wichtiger ist: 12 Monate danach lag die durchschnittliche Rendite des S&P 500 bei 7,18%, wobei die durchschnittliche Anzahl der Tage bis zur Erholung nur 45 Tage betrug.

Die Gewinne großer Banken sind im drittem Quartal deutlich angestiegen. Das hat den Bankenindex am zurückliegenden Freitag um zeitweilig 3,4% nach oben getrieben. Er schloss mit +0,6%. Da Einleger ihre Einlagen abziehen, um sie in höher rentierliche Alternativen wie Schatzanweisungen und Geldmarktfonds zu investieren, laufen wir auf Kredit-Probleme zu. Gennadiy Goldberg, Leiter der US-Zinsstrategie bei TD Securities, glaubt: „Im Moment scheint es eher ein Finanzierungskosten- als ein Finanzierungsverfügbarkeitsproblem zu sein.“ Wirklich?

Der folgende Chart zeigt, dass der Anteil der Banken, die ihre Standards für die Vergabe von Krediten verschärfen, mittlerweile auf 50% angestiegen ist (grün, rechte Skala). Gleichzeitig geht das Wachstum bei den Krediten zurück, bei Darlehen für kommerzielle und industrielle Schuldner beträgt es mittlerweile im Jahresvergleich nahezu Null Prozent.

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Porter Stansbury warnt in „Get Your Money Out of Bank of America By Tuesday: Zum Ende des zweiten Quartals 2023 saßen die US-Banken auf nicht realisierten Verlusten in Höhe von 550 Mrd. Dollar aus ihren Beständen an Staatsanleihen und MBS mit langen Laufzeiten. Das sind fast 25% des gesamten Eigenkapitals des US-Bankensystems.

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Die Bank of America hat aufgrund massiver Käufe von niedrig verzinsten langfristigen Anleihen derzeit eine durchschnittliche Portfoliorendite von nur 2,44%. Es ist unmöglich, dass sie auch nur annähernd so hohe Renditen wie kurzfristige Staatsanleihen von über 5% erzielen kann. Das Einzige, was die Bank of America am Leben hält, ist, dass noch niemand die Situation bemerkt hat.

Das scheint uns keine solide Grundlage zu sein, so Stansbury. Genau das ist bereits bei Silicon Valley Bank passiert, wobei deren nicht realisierte Verluste nicht mit denen von Wells Fargo und Bank of America vergleichbar sind. Die größten unrealisierten Verluste sind hier aufgelistet, alleine bei der Bank of America summieren sie sich auf 100 Mrd. Dollar:

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In den 18 Monaten, seit die Fed im März 2022 mit der Anhebung der Zinssätze begann, haben Einleger fast 1 Bill. Dollar von US-Banken abgezogen. Noch nie in der Geschichte haben wir eine solche Einlagenflucht erlebt.

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Und was ist die Ursache allen Übels? Stansbury sagt: Amerikas Experiment mit Papiergeld erreichte seinen Höhepunkt mit 7,1 Bill. Dollar an ungedeckten Staatsausgaben in der wahnsinnigen Überreaktion auf die Grippe von 2020. Und wann soll der Run auf die Bank of America stattfinden? Stansbury schreibt, nächsten Dienstag…

Klar ist, dass sich hier ein großes Problem aufgetürmt hat – eines von vielen im fragilen Finanzmarkt. Aber es gibt ja noch das Bank Term Funding Program der Fed, das sie mit dem Bank-Run auf die Silicon Valley Bank im März aus der Taufe gehoben hat…

Ray Dalio schreibt, …wir sollten erkennen, dass diese beiden heißen Kriege (der Krieg zwischen Israel und Hamas und der Krieg zwischen Russland und der Ukraine) Teil der größeren Großmachtkonflikte zur Gestaltung der neuen Weltordnung sind. So führen die USA jetzt Stellvertreterkriege in Europa und im Nahen Osten und bereiten sich gleichzeitig auf einen Krieg in Ostasien vor. Glücklicherweise hat die Entwicklung hin zu einem Weltkrieg zwischen den größten Mächten (den USA und China) noch nicht die unumkehrbare Grenze überschritten, von der Eindämmung (die sie jetzt ist) zu einem brutalen Krieg zwischen den größten Mächten und ihren Verbündeten.

Dalio betrachtet nach seinen eigenen Worten wichtige Entwicklungen wie die schockierenden und schrecklichen Ereignisse des letzten Wochenendes in Israel als Teil einer sich entfaltenden Geschichte. Sie spiegelt wider, wie sich die Weltordnung in einer Weise verändert, die dem, wie sie sich viele Male zuvor verändert hat, bemerkenswert ähnlich ist. Das liegt daran, dass die wichtigsten Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Ereignissen dieselben bleiben. Zum ganzen Artikel von Dalio geht es hier entlang.

Wie ist das Drehbuch in einem größeren Zeitrahmen? Steve Blumenthal: Inflation und höhere Zinsen wirken sich aus, das COVID-Helikoptergeld ist weitestgehend ausgegeben. Eine Abschwächung der Wirtschaft folgt. Das ist Gegenwind für die überbewerteten Aktienmärkte. Eine schwächere Wirtschaft bedeutet, dass Inflation und Zinsen wahrscheinlich sinken – das Ende der ersten Inflationswelle. Die nächste Marktverwerfung, bei der die Aktienkurse um bis zu 20% fallen könnten, wird die Fed zu einem Kurswechsel veranlassen. Dies dürfte die Vermögenspreise stimulieren und eine neue Hausse bei Aktien auslösen – der Beginn der zweiten Inflationswelle. Eine systemweite Umstrukturierung der Schulden und des Rentensystems irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts wird folgen.

Der Russell-2000 umfasst ein weites Spektrum von US-Aktien. Er zeigte einen massiven Umschwung direkt von den Höchstständen des Trendkanals aus. Die Abwärtskerze ist absolut massiv. Beachten Sie, dass die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie kreuzt, das berüchtigte Todeskreuz (Death Cross) (Chartquelle).

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Jeroen Blokland: Die Grafik von Piper Sandler zeigt die Erstanträge auf Arbeits­losen­unter­stützung als Indikator für den US-Arbeitsmarkt. In diesem Jahr haben diese bereits dreimal Ökonomen, die Federal Reserve und Anleger getäuscht. Dreimal sah es so aus, als ob ein struktureller Anstieg im Gange wäre, nur um danach wieder stark zu sinken. Die Grafik zeigt jedoch, dass dieses Muster nicht so ungewöhnlich ist. Es dauert einige Zeit, bis sich der Straffungszyklus der Federal Reserve -der in der Regel in einer inversen Renditekurve gipfelt- in den gemeldeten makroökonomischen Zahlen, einschließlich des US-Arbeitsmarktes, bemerkbar macht. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

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Lesenswert: „Goldilocks and the Three Tailwinds“. Vom Rückenwind zum Gegenwind – Die Aussichten für die Zukunft: „Mit Blick auf die nächsten 12 Monate gibt es jedoch mehrere besorgniserregende Gegenwinde, die das Wirtschaftswachstum und die Stabilität zu beeinträchtigen drohen.“

Der IWF mahnt die Regulierungsbehörden zur Wachsamkeit angesichts des „erhöhten Risikos", das die steigenden Anleiherenditen derzeit für die Finanzmärkte darstellen. „Wenn es zu großen, sehr schnellen Bewegungen kommt, hat dies ein größeres Potenzial, Instabilität auszulösen, weil die Marktteilnehmer sich neu positionieren müssen und es diese Beschleuniger im System gibt, die in Gang kommen könnten", sagte Tobias Adrian, Direktor der Abteilung Geld- und Kapitalmärkte des Fonds. Adrian warnte auch davor, dass etwa 5% der Banken weltweit unter erheblichen Stress geraten könnten, wenn die Zentralbanken die Zinsen länger hoch halten.

Immer wieder China: Country Garden, Chinas größter Immobilienentwickler, hat eine Zahlung für ein auf Hongkong-Dollar lautendes Darlehen in Höhe von 60 Mio. Dollar nicht geleistet und sagt, dass er voraussichtlich auch seinen Verpflichtungen für US-Dollar- und andere Offshore-Schulden nicht nachkommen kann. Die möglichen Zahlungsausfälle schüren die Besorgnis über Chinas maroden Immobiliensektor und könnten weitere Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben. Die jüngste Absage von China Evergrande an eine Umstrukturierung seiner internationalen Anleihen in Höhe von 19 Mrd. Dollar könnte nach Ansicht der Anleiheinvestoren des Unternehmens „katastrophale Auswirkungen" auf den angeschlagenen Immobiliensektor des Landes haben.

Rund 80% der Teilnehmer an der jüngsten Markets Live Pulse-Umfrage von Bloomberg erwarten, dass einige Branchen in dieser Gewinnsaison vor Gewinn- und Umsatztrends warnen werden, da die Verbraucher ihre Ausgaben zurückschrauben. Etwa 60% der Befragten erwarten, dass die Gewinne des dritten Quartals den S&P 500 nach unten ziehen werden, und fast 37% erwarten, dass der Index bis zum Jahresende um 5 bis 10% fallen wird. Für die Q3-Gewinne im S&P 500 wird eine Steigerung von 1,6% gegenüber dem Vorjahr erwartet.

Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4327,78 geschlossen. Er hatte im Laufe der Woche mehrfach seine EMA50 erreicht (4378, sinkend). Am zurückliegenden Freitag schloss er unter dem sekundären Pegel bei 4338. Noch läuft er über dem Pegel bei 4300, dem zyklischen Hoch aus August 2022, wie auch dem 38er Retracement der Abwärtsbewegung aus Ende Juli (Chartquelle).

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Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo leicht bullisch. Die Volumenverteilung bleibt jedoch seit 25. September in stabiler Distribution. Die Marktbreite nach TRIN ist mittlerweile bullisch, die AD-Line neutral. Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen Aktienindices) hatte sich Mitte September an der Grenze zum sehr bärischen Bereich stabilisiert, eine Bestätigung für eine untere Wende, was für Aktien bullisch zu werten wäre, steht weiterhin aus.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bullische lineare Merkmale von geringem Niveau aus steigend, bärische nehmen deutlich ab. Die bärische Übertreibung wurde leicht abgebaut. Allerdings zeigt sich hier Tempoverlust. Daher ist es von hier aus fraglich, ob die verhältnismäßig bullische Entwicklung der zurückliegenden Tage einfach weiterläuft.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden täglich auf der Startseite aktualisiert.

Die Volatilität bei Aktien bleibt erhöht. Der die implizite Volatilität im S&P 500 messende VIX verläuft über seiner EMA50d, nachdem in der zurückliegenden Woche ein Durchbruch darunter nicht gelang. Der Index notiert jetzt auch über seiner EMA50w. Der Verlauf mahnt zur Vorsicht. Wenn die EMA50d (16,29) über die EMA50w (18,23) steigt, kommt es normalerweise zu einer signifikanten Korrektur.

In der kommenden Woche dürfte der S&P 500 eher nach unten blicken. Dabei ist der Pegel bei 4300 (s.o.) wichtig. Darunter verläuft die EMA200 (4270). Die jüngsten Tiefs (Schlusskurse) liegen bei rund 4230. Ein Bruch der Abwärtslinie aus Ende Juli (aktuell 4190) wäre ein sehr ungünstiges Omen für die Bullen. An der Oberseite gäbe es Entwarnung, wenn die EMA50 zügig überwunden werden kann.

Der vermutlich wichtigste Indikator für die Befindlichkeit am Aktienmarkt dürfte aktuell bei den Ölpreisen zu suchen sein. Zwar gibt es im Unterschied zu früheren ähnlichen Situationen ausreichend freie Kapazitäten bei den Rohöl-Produzenten, aber der geringe Stand der US-Reserven (um die Inflation zu drücken) stellt per se bereits einen Preistreiber dar.

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