Wer hat Angst vor Strafzöllen?

Der US-Arbeitsmarkt zeigt sich im Juni weiter fest. Die Zahl der neuen Arbeitsplätze stieg stärker als erwartet und wurde für April und Mai aufwärts revidiert. Zugleich zogen die durchschnittlichen Löhne nur moderat an – wie schon im Vormonat um 2,7% im Vergleich zum Vorjahr.

Die Akteure an den Finanzmärkten zeigten sich von der Entwicklung „angetan“. Die Kurse insbesondere von Technologieaktien steigen deutlich an und verhalfen auch dem S&P 500 wieder über seine EMA50. Notierungen darüber zeigen einen stabilen Aufwärtslauf an. Die weiter moderate Lohnentwicklung ließ einige wohl sogar hoffen, die Fed werde womöglich doch nur noch einen Zinsschritt in diesem Jahr unternehmen (Chartquelle).

Der Chart zeigt, dass die Entwicklung der Zahl der Arbeitsplätze mit einer Steigerung von 1,6% gegenüber dem Vorjahr nach oben weist, wenn auch zuletzt nur leicht. Die Frage der Leitzinsschritte ist insofern von Bedeutung, als die Zinsstruktur zunehmend flacher wird, und zwar vor allem vom kurzen Ende her. So beträgt der Spread zwischen den 13-wöchigen TBills und den 10-jährigen TNotes nur noch 0,93%. Am oberen Ende beträgt die Differenz zwischen den 10-jährigen TNotes und den 30jährigen TBonds gerade noch 0,10%.

Die statistische Auswertung einiger Merkmale der Zinsstruktur zeigt denn auch ein seit Mitte Mai aktives Warnsignal, dass es innerhalb der nächsten vier bis sechs Quartale zu einer Rezession kommen dürfte.

In seiner Frühphase hat dieses Signal gewöhnlich keine unmittelbaren Auswirkungen z.B. auf Aktienkurse. Oft war es in der Vergangenheit so, dass die Kurse dann noch eine zeitlang anstiegen.

Mit der Veröffentlichung der aktuellen US-Arbeitsmarktdaten trat der Dauerbrenner „Strafzölle“ in den Hintergrund. Am Vortag hatte schon das Gerücht für Erleichterung gesorgt, die EU und die USA könnten sich auf Abschaffung aller Zölle für Kraftfahrzeuge verständigen. Fragt sich, wie lange das anhält.

Es ist ein gut gehütetes Geheimnis unter Volkswirten, dass Zölle eine vergleichsweise geringe Belastung für das Bruttoinlandsprodukt darstellen. Häufig wird gesagt, dass das nicht mehr als einen Viertelprozentpunkt auf das Jahr gerechnet ausmachen würde, meist sogar deutlich weniger. Das stimmt wahrscheinlich, problematisch wird es aber, wenn das Herumschrauben an Handelsbarrieren zur Dauerveranstaltung wird. Dann bekommen die Unternehmen Schwierigkeiten, sich auf permanent neue Gegegebenheiten einzustellen. Das wirkt sich zusätzlich wachstumsdämpfend aus – und das in einer Zeit, in der das Wachstum sowieso nicht gerade überschäumt (zu möglichen längerfristigen Verwerfungen siehe auch hier!).

Die jetzt erfolgte erste Runde von Strafzöllen betrifft gerade einmal zwei Prozent der chinesischen Importe in die USA. Im Hintergrund steht die Drohung von Trump, eine Ausweitung der Strafzölle auf chinesische Importe im Volumen von 500 Mrd. Dollar vorzunehmen. Selbst wenn jedes in die USA importierte chinesische Produkt mit einem Strafzoll von 25% belegt würde, würde das das Wachstum der chinesischen Wirtschaft um lediglich rund 0,5% dämpfen, haben Analysten von JPMorgan vorgerechnet. Die längerfristigen strukturellen Konsequenzen stehen auf einem völlig anderen Blatt, Reduzierung oder Verschiebung von Investitionen in beiden Ländern könnten folgen und könnten eine erheblich größere Belastung bringen. In China wurden schon erste kleine geldpolitische Schritte unternommen, um Folgen abzufedern.

Auch wenn also das Thema der Strafzölle zunächst vielleicht an Brisanz verliert, es bleibt uns noch auf längere Zeit erhalten.

Nach Zahlen für das erste Quartal zeigt sich, dass der Anteil der Unternehmensgewinne an der Nettowertschöpfung deutlich angestiegen, der Anteil der Löhne jedoch sogar leicht gesunken ist. Momentan ist daher keine Rede davon, dass der Lohnanteil nachhaltig steigt und der Gewinnanteil entsprechend fällt – ein Szenario, was in den zurückliegenden Dekaden, oft mit deutlichem Vorlauf, Rezessionen angekündigt hat (Chartquelle).

Damit scheint die US-Wirtschaft momentan vergleichsweise robust dazustehen. Wenn es jetzt sogar noch zu einem (vorübergehenden) Waffenstillstand im Handelsstreit kommt, vielleicht sogar zu einem gewissen Entgegenkommen der chinesischen Seite, dann spricht nicht viel dagegen, dass der S&P 500 sein Allzeithoch noch einmal in Angriff nimmt.

Trotzdem – wir befinden uns in einer Spätphase des aktuellen Konjunkturzyklus. Zudem hat die Fed vor einem Jahr begonnen, ihre Bilanz zu verkürzen und wird diesbezüglich in Kürze „einen Zahn zulegen“ (siehe hier!). Sie baut Anleihen-Bestände ab, bzw. ersetzt fällig werdende Anleihen nicht mehr durch neue Käufe. Das nimmt Liquidität aus dem System. Die Basisgeldmenge ist im Jahresvergleich im Juni um 3% geschrumpft, die (immer noch üppigen) Gesamtreserven des Bankensystems sind in einem Jahr um 9,6% zurückgegangen, sie liegen mit 2,053 Bill. Dollar jetzt etwa auf dem Niveau von Juni 2013 und mehr als 25% unter dem Hoch aus September 2014.

Das Geldmengenaggregat MZM, das die Entwicklung bei liquiden Finanz-Assets anzeigt, ist im Mai im Jahresvergleich um 3,7% angewachsen. Ein beschleunigter Anstieg weist gewöhnlich darauf hin, dass andere Vermögensgegenstände gemieden werden, insbesondere, wenn sein Multiplikator zur Basisgeldmenge ebenfalls deutlich steigt. Diese Situation ist aktuell aber nach historischen Vergleichen nicht gegeben.

Damit gilt: Bisher hat die Politik der Fed noch keine wesentlichen Bremsspuren hinsichtlich Liquidität hinterlassen. Die Liquiditätsaussattung ist nun mal einer der wesentlichen Treiber für Bewegungen in den Finanzmärkten. Das sollte allerdings nicht als Ruhekissen angesehen werden, die Fed verstärkt ihren Kurs der Sterilisierung von Liquidität immer weiter. Und weitere Zinsschritte wirken prinzipiell in die gleiche Richtung. Wir laufen hier allmählich auf einen kritischen Punkt zu.

In der aktuellen Situation liefert auch der Dollar wichtige Hinweise auf die Entwicklung der Finanzmärkte. Der Dollar-Index hatte kürzlich seine Abwärtslinie aus Ende 2016/Anfang 2017 nach oben aufgehebelt, liegt mittlerweile aber wieder (wenn auch noch nicht signifikant) darunter (Chartquelle).

Der Trump-Administration ist aus verschiedenen Gründen (siehe z.B. hier!) an einem schwächeren Dollar gelegen. Wenn sich die Abwärtsbewegung im Dollar-Index jetzt fortsetzt, wäre das ein Hinweis, dass internationale Dollar-Liquidität womöglich doch noch nicht die Heimreise antritt. Zudem würde das das Vertrauen in die Fähigkeit der Trump-Administration wieder festigen, die Dinge in ihrem Sinne zu bewegen.

Damit die Gemengelage aber wieder etwas stabiler in Richtung wirtschaftlichem Optimismus geht, müssen sich auch die Rohstoffpreise verstärken. Die Musik spielt hier gegenwärtig beim Öl, wichtige Widerstandspegel werden spekulativ attackiert. Hohe Ölpreise gelten aber häufig als Konsumsteuer, weil sie schnell auf die Energiepreise durchschlagen, was die Konsumfähigkeit bei anderen Gütern einschränkt. Im Falle von Kupfer, das aufgrund seiner vielfältigen Verwendung in der modernen Produktion eine wichtige Rolle spielt, sieht es aktuell nicht gut aus. Sein Preis ist in den zurückliegenden Wochen um rund 15% zurückgegangen – hier haben sich vermutlich der Handelsstreit und der zuletzt feste Dollar niedergeschlagen. Eine Erholung beim Kupferpreis wäre hilfreich, Zutrauen in eine robuste Wirtschaftsentwicklung zu festigen und den Aktienkursen "Phantasie" einzuhauchen.

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