Nach fünf Gewinnmonaten nehmen Aktionäre selbige mit. Der August gilt zudem allgemein als wenig profitabel. Als Anlass diente eine Kredit-Abstufung der USA auf AA+. Der S&P 500 verliert auf Wochensicht 2,3%, der Dow gibt 1,1% ab, der NDX sinkt um 3,0%, der breitere Nasdaq -2,8%. Der DAX fällt um 3,1% nach einem Allzeithoch in der Vorwoche.
Euro/Dollar sinkt im Wochenvergleich nur noch marginal; Dollar und Euro gegen Yen jeweils +0,4%. Die Ölpreise (Brent, bzw. WTI) steigen um weitere 2,0%, bzw. 2,7%. Der CRB-Rohstoffindex sinkt um 0,4%. Gold (in Dollar) fällt um weitere 0,8%, Silber (in Dollar) sinkt um weitere 2,9%.
Die US-Renditen uneinheitlich: Die der 10yr-TNotes, dem wichtigsten Preis weltweit, steigt um weitere 2,3% auf 4,046%, sie hat am Donnerstag nach der Abstufung des US-Kreditratings ein neun-Monats-Hoch erreicht. Die Rendite der 2yr-TNotes sinkt um 1,9% auf 4,783%, die der 13wk-TBills gibt 0,4% auf 5,407% ab. Die Zinsstruktur zeigt am kurzen Ende eine mit –1,36% weiter abnehmende, aber immer noch hohe Inversivität. Am langen Ende nimmt der Spread im leicht positiven Bereich weiter zu. Über alle Laufzeiten hinweg ist der Spread mit –1,21% weiter abnehmend negativ.
Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken hält sich auf Wochensicht weiter positiv. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, sinkt um 2,2%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, dreht erneut und verliert 4,0%.
Das „Puzzle“ der Einzeldaten zusammengefügt: NDX und Nasdaq zeigen jetzt relative Schwäche, Akteure nehmen v.a. bei weit gelaufenen Aktien Gewinne mit. Die Zinsstruktur wird deutlich weniger invers. Meine Auswertung der Renditen am kurzen Ende zeigt seit einigen Tagen, dass nun eine Senkung des Leitzinses erwartet wird. Das war zuletzt kurz Mitte Mai und davor zwischen Mitte März und Anfang April der Fall.
Will man von hier aus auf die Stimmung der großen Akteure schließen, so scheint weiter angenommen zu werden, dass eine harte Landung der US-Wirtschaft vermieden wird. Offenbar wird auch unterstellt, dass die Inflation kein Thema mehr ist. Damit dürfte es sich bei den schwächeren Aktienkursen tatsächlich um Gewinnmitnahmen handeln, was auch bedeutet, dass bald wieder Schnäppchenjäger auftauchen dürften. Wenn… (siehe weiter unten)
Das Bild der US-Wirtschaft sieht zunächst weiterhin relativ positiv aus. Der US-Arbeitsmarkt ist nach offiziellen Zahlen als stabil anzusehen. Die Arbeitslosenquote kommt im Juli auf 3,5%, die Prognose lag bei 3,6%. Es wurden 187.000 neue Stellen (nonfarm) geschaffen, etwas weniger als erwartet. Die Löhne stiegen im Monatsvergleich mit 0,4% stärker als mit 0,3% prognostiziert. Aufs Jahr gerechnet beträgt der Lohnzuwachs 4,4%, mehr als mit 4,2% erwartet.
Zuvor war der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe gemeldet worden. Er ist im Juli zwar leicht angestiegen, bewegt sich aber seit acht Monaten im kontraktiven Bereich. Die Sub-Indices für Auftragseingang, Produktion, Preise und Auftragsbestand sind allesamt im kontraktiven Bereich angestiegen. Der Subindex für Beschäftigung ist hingegen deutlich gesunken, um 3,7 auf jetzt 44,4. Die Scheidelinie zwischen Kontraktion und Expansion liegt bei 50. Lediglich zwei Segmente der verarbeitenden Industrie verzeichneten im Juli Wachstum, Treibstoffe und Kohle, sowie Möbel.
Die Gewinne im zweiten Quartal im S&P 500 werden mit –5% gegenüber dem Vorjahresquartal prognostiziert. Vor zwei Wochen waren es noch -7,9%. Das KGV nach Shiller (CAPE) kommt auf fast 31, auch das „normale“ KGV ist mit 25,6 nicht günstig. Als relativ günstig wären in den zurückliegenden 25 Jahren 22, bzw. 17 anzusehen. Als teuer wäre meiner Meinung nach alles über 37, bzw. 33 einzustufen.
Das ist meiner Meinung nach das, was die großen Akteure in den Finanzmärkten erwarten: Das negative Gewinnwachstum steht im Einklang mit einer Entwicklung auf der Makroseite, die offenbar einen Boden erreicht hat und zarte Wachstumstendenzen zeigt. Da der inflationäre Impuls weitgehend durch die Wirtschaft gelaufen ist, steht am Horizont eine Art Goldilocks-Szenario: Die Unternehmensgewinne werden steigen, die Preisentwicklung bleibt unauffällig, die Renditen sinken im Einklang mit den Leitzinsen. Alles wird unterlegt durch abnehmende Inversität der Zinsstruktur.
Und nicht zu vergessen – die Renditen sind wieder positiv, am kurzen wie am langen Ende (Chartquelle).
Auch die Breakeven-Inflationserwartungen geben grünes Licht. Die Differenz zwischen der 10yr- und der 5yr-Rate ging im Januar 2021 in den negativen Bereich und zeigte damit an, dass die „Märkte“ damals mit Inflation rechneten. Die negative Spitze dieser Zeitreihe (blau) wurde im März 2022 erreicht, die Inflation erreichte ihr Maximum im September. Seitdem nimmt die Inflationserwartung nach Breakeven-Rates ab. Seit Mai hat sie nun positives Terrain erklommen, was bedeutet, dass auf Sicht einiger Monate mit weiter nachlassender Inflation gerechnet wird (Chartquelle).
Wahrhaftig – rosige Aussichten!
Bevor ich frage, was diese Aussichten trüben könnte, ein paar Meinungen und Meldungen.
* US-Unternehmen wenden sich zunehmend dem Anleihemarkt zu, sie haben in diesem Jahr bisher hochverzinsliche Anleihen im Wert von 55 Mrd. Dollar verkauft, das sind 17% mehr als im Vorjahreszeitraum und es ist der größte Anstieg seit mehr als einem Jahrzehnt.
* Es überrascht nicht, wenn viele Anleger sich dafür entscheiden, Barmittel in US-Staatsanleihen zu halten, um eine angemessene Rendite zu erzielen, anstatt ein Marktrisiko einzugehen. Tatsächlich halten die Anleger derzeit nahezu rekordverdächtige Bargeldbestände an der Seitenlinie, was darauf schließen lässt, dass die meisten auf einen deutlichen Marktrückgang warten, um in Aktien umzuschichten.
* US-Anleihen bieten derzeit nicht nur positive reale Renditen (nach Anpassung an die Inflationserwartungen), sondern auch Diversifizierungsvorteile, die die Volatilität des Portfolios verringern dürften.
* Natürlich war der Diversifizierungsvorteil von Anleihen während des letzten großen Marktabschwungs nicht vorhanden. Dies war aber in erster Linie auf das Niedrigzinsumfeld zurückzuführen, das die historischen Korrelationen zwischen Aktien und Anleihen verzerrt hat. Nach dem starken Anstieg der Zinssätze werden die Korrelationsvorteile wahrscheinlich wiederhergestellt.
* Die Ära der aggressiven Zinserhöhungen geht langsam zu Ende und die Inflation lässt nach. Gleichzeitig verlangsamt sich das Wachstum, und wir sehen ein zunehmendes Potenzial für Katalysatoren, die die Renditen senken und die Anleihekurse steigen lassen.
* Bei beiden Wirtschaftsszenarien, Konjunkturabschwächung oder Rezession, würden die Anleger von einer Verlängerung der Duration und von qualitativ hochwertigen Kommunal- und Unternehmensanleihen profitieren, da diese in der Vergangenheit gegen Ende eines Zinserhöhungszyklus der Fed und in nachfolgenden Zinssenkungszyklen gut abgeschnitten haben. Solche hochwertige Anleihen dürften von dem Rückenwind profitieren, den niedrigere Zinssätze den festverzinslichen Anlageklassen verleihen.
* Niemand in den Medien spricht darüber, aber die einzigen Teile der Inflationsdaten, die tatsächlich fallen, sind die Energiepreise (sowie die Preise für Gebrauchtwagen). Sie sind per Juni im Jahresvergleich um 16,7% zurückgegangen. Die Headline-Inflation kam im Juni auf 3,1%, die Kerninflation auf 4,8%. Die Mieten und Mietäquivalente sind um 7,8% gestiegen, sie kommen auf einen Anteil von rund 40% bei der Kerninflation.
* Einige Anleger gehen davon aus, dass sich die japanischen Anlageströme nach den jüngsten Änderungen der Bank of Japan bei der Steuerung der Renditekurve zunehmend nach innen wenden werden. Die globalen Renditen sind als Reaktion auf die Änderung der Renditekurvensteuerung gestiegen, da befürchtet wird, dass die höheren Renditen in Japan dazu führen könnten, dass die dortigen Anleger mehr in japanische Staatsanleihen investieren und daher einen Teil ihrer Bestände an US-Staatsanleihen verkaufen.
So weit ein paar Wortmeldungen in der zurückliegenden Woche.
Was also könnte sich als Störfeuer für die positiven Erwartungen erweisen?
Lassen wir das Thema „externe Schocks“ beiseite. Ein solcher hätte bei einer in sich stabilen Wirtschaft keine andauernden Folgen. Da wir es aber mit einer äußerst fragilen Wirtschaft zu tun haben, kann jeder externe Schock anhaltende Wirkung entfalten. Fragil – nur eines von vielen Stichworten, die US-Staatsverschuldung (offiziell) (Chartquelle).
Ich sehe zwei Störfeuer, vielleicht drei.
Das eine ist die Inflation. Wie bei einer Wortmeldung oben dargestellt, ist die Inflation im wesentlichen durch die fallenden Energiepreise zurückgegangen. Mieten usw. sorgen mit ihrem hohen Anteil für einen festen Boden. Mit anderen Worten, sollten die Energiepreise jetzt nachhaltig weiter steigen, kann es recht schnell zu einer Enttäuschung der Erwartung weiter schwacher Preisentwicklung kommen. Immerhin sind die Ölpreise seit Ende Juni um rund 18% gestiegen. Auch der CRB-Index für Rohstoffe hat um knapp 8% zugelegt. Ebenso der Preis für Kupfer – er ist im selben Zeitraum, also in nicht einmal sechs Wochen, um 4,7% angestiegen.
Weitere Zuwächse bei den Rohstoffpreisen mögen noch eine Weile als Bestätigung für eine laufende Wirtschaft angesehen werden. Weiter kräftig steigende Energiepreise dürften hingegen bald eher als Konsumsteuer betrachtet werden, insbesondere dann, wenn die Fed an ihr erklärtes Ziel kommt, die Gehaltsentwicklung zu drosseln. Das erscheint aktuell noch etwas fern zu liegen – aber unverhofft kommt (manchmal) oft…
Das zweite Störfeuer ist meiner Meinung nach in Japan zu suchen. Wenn die BoJ tatsächlich bald dahin kommt, die Interventionsgrenze auf ein Prozent Rendite bei Staatsanleihen zu legen, dann dürfte das Auswirkungen haben nicht nur auf das Verhalten der Japaner, die dann weiter von US- auf einheimische Papiere umschichten (siehe oben!). Es dürfte auch Auswirkungen haben auf von Ausländern gehaltene Yen-Kredite.
Werden solche Carry-Trades wegen steigender Zinserwartungen aufgelöst, treibt das den Yen hoch gegenüber Dollar und Euro. Das kann weitere solche Aktivitäten triggern. Und das hat das Zeug dazu, die gesamte (fragile) Kreditlandschaft zu stören. Darüber hinaus hat das auch Einfluss auf mit Yen-Krediten finanzierte Assets, wie etwa auch Aktien.
Der folgende Chart zeigt die Höhenflüge bei Euro/Yen und Dollar/Yen seit März 2022, dem Beginn der Zinssteigerungen in den USA. Offenbar haben die Yen-Carry-Trade-Kredite seither eine wichtige Rolle gespielt, indem sie den Außenwert des Yen gedrückt haben. Aktuell ist zu beobachten, dass der Yen inbesondere gegen Dollar stärker wird, das Währungspaar also schwächer. Das dürfte auf einen Rückzug von US-Anlegern aus Yen-Carry-Trades hindeuten. Und eben auch darauf, dass japanische Anleger aus US-Anleihen umschichten, was sich in steigenden Renditen bei US-Bonds widerspiegelt.
Kommen wir zum dritten Störfeuer. Die Spekulation um eine zukünftig straffere Geldpolitik der BoJ dürfte für einen gewissen Auftrieb bei US-Renditen (v.a. am längeren Ende) sorgen. Was ist, wenn ein Großteil der „Verbesserung" der US-Zinsstruktur darauf zurückgeht? Und somit ihre abnehmende Inversivität kein Hinweis auf eine sinkende Rezessions-Wahrscheinlichkeit ist? Auch bei einigen früheren Rezessionen wurde die Zinsstruktur zu deren Beginn oder schon kurz davor positiv…
Ich kann gegenwärtig nicht beurteilen, ob das tatsächlich eine große Rolle spielt.
Alles, was mit Kredit und Renditen zu tun hat, muss in einer solch Schulden-zentrierten Wirtschaft wie der aktuellen mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Zur Erinnerung, was in der Krise regionaler Banken im März eine Rolle spielte (Chartquelle).
Die Gruppe der aktiven Manager an den Finanzmärkten hat ihre Ausrichtung bei Aktien seit Oktober 2022 kontinuierlich gesteigert. Das zeigt das folgende Diagramm (Danke an W.H.). Scheint so, als wären sie seit Juni nochmals aktiver, bzw. einheitlicherer Meinung geworden (zum NAAIM-Index siehe hier!).
Der S&P 500 hat die Woche bei 4478,03 beschlossen. Der Index hat sich mit Tests der Mittellinie eines seit Mitte Juni bestehenden Aufwärtskanals nicht lange aufgehalten (siehe hier!), sondern ist auch gleich durch dessen untere Begrenzung gerauscht. Er hat dabei am Freitag alle intraday-Gewinne aufgegeben. Damit gewinnt der Pegel bei 4518 eines besondere Bedeutung als Widerstand (Chartquelle).
Die Volumenverteilung an der NYSE ist vor zwei Tagen in Distribution gekippt. Insgesamt zeigen die von mir verfolgten Marktindikatoren nur noch ein leicht bullisches Bild. Insbesondere ist das Verhältnis von SPX zu VIX abgekippt, es war zuvor schon sehr instabil. Der VIX hat den dritten Tag in Folge über seiner EMA50 geschlossen und hat dabei ausgehend von 14,30 eine Aufwärtslücke gerissen.
Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen eine deutliche Abnahme bullischer Kursmuster verbunden mit einer leichten Zunahme der bärischen. Das unterlegt den Eindruck, dass der aktuelle Kursrückgang hauptsächlich auf Gewinnmitnahmen zurückzuführen ist. Der Inflow in bullische Positionen ist versiegt.
Ob das schon ausreicht, um Schnäppchenjäger in Scharen anzulocken? Wohl nicht, einerseits wegen günstiger Einstiegskurse bei US-Bonds, andererseits dürfte der S&P 500 dazu noch zu wenig Luft abgelassen haben. Zunächst dürfte aber dennoch versucht werden, die Unterseite des besprochenen Aufwärtskanals zu erreichen. Dabei ist der Pegel bei 4518 zu beachten. Die Chancen sind recht gering, dass dieser Widerstand fällt.
Also wäre das nächste Ziel an der Unterseite die EMA50 bei aktuell 4419 (nur noch leicht steigend). Hier verläuft auch das 38er Retracement des Aufwärtsimpulses aus Ende Mai. Darunter kommt das 62er Retracement, zusammenfallend mit dem wichtigen Pegel bei 4300, dem Hoch aus Mitte August 2022. Falls es dann noch Schnäppchenjäger gibt, wäre das ihr ultimatives Einstiegsignal…
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