Hickhack um die US-Steuerreform

Die US-Steuerreform beschäftigt die Akteure an den Finanzmärkten. Je nach Stand des politischen Hickhacks darum dient es ihnen bei Aktien als Vorwand zur Gewinnmitnahme oder als kurzfristige Kaufgelegenheit. Trump hatte sie im Wahlkampf als zentrales Vorhaben bezeichnet, das auch die Lage des „kleinen Mannes“ entscheidend verbessern soll.

In der zurückliegenden Woche hat ein Gesetzentwurf das Repräsentantenhaus passiert, der eine Senkung der Unternehmenssteuern von 35% auf 20% vorsieht. „35%“ – das hört sich viel an, es gibt jedoch aufgrund zahlreicher Sonderregelungen nicht viele Firmen, die diesen Satz tatsächlich zahlen. Mit dem neuen Satz von 20% werden zugleich einige dieser Sonderregelungen beseitigt, andere aber neu geschaffen. So sollen künftig Einkünfte z.B. von Anwälten, Ärzten und z.B. Immobilienunternehmern nicht mehr der Einkommensteuer mit einem Spitzensatz von 39,6% unterliegen, für große Teile des Gewinns solcher inhabergeführter Firmen gilt dann ein Steuersatz von 25%.

Für Unternehmen entfällt die weitgehende Absetzbarkeit von Manager-Boni. Ausgaben für neue Fabriken und Maschinen können dem Gesetzesvorhaben zufolge bis 2023 auf einen Schlag steuerlich geltend gemacht werden. Bis jetzt müssen sie über mehrere Jahre abgeschrieben werden. Das soll die Investitionstätigkeit anregen. Im Ausland steuerfrei gebunkerte Gewinne werden bei Rückführung in die USA einmalig mit nur 12% versteuert. Es geht dabei um eine Summe von mindestens 2,5 Bill. Dollar.

Dem „kleinen Mann“ fallen durch Heraufsetzen der Progressionsgrenzen und des Grundfreibetrags ein paar hundert Dollar pro Jahr zu. Dafür werden Zuschüsse zu Krankenversicherungsprämien gestrichen, Kommunal-, Staats- und Bundessteuern können nicht mehr verrechnet werden. Auch Ausgaben für Medikamente, Umzüge und Steuerberater sind nicht mehr absetzbar.

Die Erbschaftssteuer, die bisher bei Nachlässem über 5,5 Mio. Dollar fällig wurde, soll vollständig entfallen – ein Geschenk an die besonders wohlhabenden Teile der amerikanischen Gesellschaft. Das gleiche gilt für den Wegfall der Mindeststeuer. Sie soll verhindern, dass Reiche ihre Abgabenlast durch Schlupflöcher auf null reduzieren.

Die Steuerreform soll das Haushaltsdefizit über zehn Jahre um nicht mehr als 1,5 Bill. Dollar erhöhen. Dies ist zugleich die verfahrens-technische Obergrenze, die man durch Schönrechnerei und optimistische Annahmen nicht überschritten hat. Die Demokraten haben das als "Tricksereien" und "Luftbuchungen" gegeißelt, verfügten im Repräsentantenhaus aber nicht über die erforderliche Mehrheit, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Andere Schätzungen kommen auf ein Haushaltdefizit von bis zu 2,2 Bill. Dollar.

Die Steuerreform soll langfristig höheres Wachstum und höhere Löhne bewirken und sich so durch höhere Steuereinnahmen selbst finanzieren. Trump hat immer wieder Bezug genommen auf Reagans Steuerreform von Mitte der 1980er Jahre. Damals stieg das Haushaltsdefizit zunächst stark an, das Wachstum beschleunigte sich dann aber so sehr, dass der US-Bundesetat in den späten neunziger Jahren Überschüsse ausgewiesen hat. Ob sich diese Geschichte wiederholt, ist nicht ausgemacht. Das Wirtschaftswachstum hat seitdem in den USA wie überall in der industrialisierten Welt deutlich und nachhaltig nachgelassen, die Gesamtverschuldung der Staaten ist drastisch angestiegen. Das macht zudem anfällig gegen Schocks und lässt zusätzliche Zweifel an der Planungssicherheit aufkommen.

Trump hat die Sondersteuer auf repatriierte Unternehmensgewinne mehrfach damit begründet, dass das Geld zurückkomme und dann arbeiten werde. Als der US-Kongress jedoch 2004 schon einmal eine ähnliche Maßnahme beschloss, landete das zurückkommende Geld zum großen Teil per Aktienrückkäufe bei den Aktionären. Zudem hat eine Untersuchung des US-Senats 2011 ergeben, dass fast die Hälfte der Gelder im Ausland in US-Staatsanleihen oder in US-Aktien angelegt waren. Diese Mittel würden dann nicht als freie Liquidität zurückkommen und demzufolge auch nicht in der Wirtschaft arbeiten.

Der US-Senat wird sich wahrscheinlich in der kommenden Woche mit einem eigenen Gesetzentwurf zur Steuerreform befassen. Die Regierungspartei stellt nur 52 der 100 Mitglieder, da kann es eng werden. In der Senats-Variante ist die Regelung enthalten, dass Kirchen Parteien und Kandidaten empfehlen dürfen, ohne Steuerprivilegien zu verlieren. Das soll helfen, die knappe Mehrheit im Senat zusammen zu halten. Darüber hinaus würde es die religiöse Rechte stärken, wenn der Passus Eingang in das endgültige Gesetz finden sollte. Das muss noch zwischen den beiden Häusern des Kongresses abgestimmt werden – wenn der Senatsentwurf durchkommt.

Die Aussicht auf die Steuerreform hält die Aktienkurse derweil auf luftigem Niveau. Man hofft darauf, dass eine dadurch bewirkte Gewinnsteigerung die hohen Bewertungen nachträglich rechtfertigt. Zudem möchte natürlich jeder Aktionär an den Segnungen der erwarteten Aktienrückkäufe teilhaben. Auch das würde zudem die Bewertungen drücken. Ein Teil der zuletzt gesehenen Stärke des Dollar geht ebenfalls auf Erwartungen in Verbindung mit der Steuerreform zurück.

Mag sein, dass Trump insgesamt versucht, der mittlerweile in der konservativen Partei als Lichtgestalt des ausgehenden 20. Jahrhunderts gefeierten Figur Reagan nachzueifern. Ob er das als aufgeregter Zwitscherer in einem drittklassigen Medium namens Twitter schafft? Vielleicht hätte er sich dazu in seinem Leben vor seiner Präsidentschaft eher wie seinerzeit Reagan auch als Darsteller in zweitklassigen Hollywood-Western verdingt haben sollen.

Wichtiger als das Schauspiel, das täglich im Weißen Haus aufgeführt wird, ist das, was hinter den Kulissen geschieht – mal abgesehen davon, dass Trump selbst von der Steuerreform profitieren würde, als Eigner einer inhabergeführten Firma und als Erblasser. Wenn man das Vorhaben bei Licht betrachtet, bleibt der Eindruck, dass damit der Einkommens- und Vermögensverteilung in den USA ein weiterer Schub in die hier skizzierte Richtung gegeben werden soll. Der von ihr ausgehende realwirtschaftliche Wachstumsimpuls wird genau deshalb vermutlich recht gering sein. Dem „kleinen Mann“ oder in Trumps Worten, den „vergessenen Amerikanern“, wird die Steuerreform nichts nutzen.

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