Blasenkunde (1) – Historische Spekulationsblasen

In einer Artikelserie wollen wir uns ausführlicher mit Blasenbildung an den Finanzmärkten beschäftigen.

Im ersten Teil stellen wir ausgewählte historische Spekulationsblasen dar. Ihnen allen ist gemein: In einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung kam es zu überzogener Kreditexpansion. Die Kreditblase trieb zunächst die Wirtschaft weiter an. Dann platzte sie und stürzte die Wirtschaft in eine schwere Krise.

Weitere Artikel befassen sich mit den ökonomischen und psycho-sozialen Voraussetzungen für eine Blasenbildung, sowie mit der Frage, wie man Blasenbildung erkennen kann.

[Das Material dieses Artikels basiert teilweise auf Wikipedia]

Historische Spekulationsblasen: Tulpenhausse
Die Tulpenhausse begann 1634, als eine Tulpenzwiebel noch einen Gulden kostete. Auf dem Hochpunkt der Manie wurden für drei seltene Exemplare auch schon mal 30.000 Gulden bezahlt. Mit dem Platzen der Blase 1637 kam die niederländische Wirtschaft zum Erliegen. Auch Rembrandt ging dabei Konkurs – er hatte mitspekuliert und in der Krise blieben die Aufträge aus.

Historische Spekulationsblasen: Mississippi-Spekulation
Die französische Währung war wegen des kostspieligen spanischen Erbfolgekriegs zum Ende des Regimes von Ludwig XIV seit 1690 Dutzende Male abgewertet worden. Die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Sanierung der Staatsfinanzen unterhöhlten das Vertrauen der Wirtschaft immer mehr. Die französische „rente“ war stark im Kurs verfallen.
Ein professioneller Spieler namens John Law, Hauptaktionär der Mississippi-Kompanie, präsentierte der mit dem Rücken zur Wand stehenden Regierung eine einfache Lösung: Die Regierung sollte einem Zusammenschluss aus verschiedenen überseeischen Handelsgesellschaften namens Compagnie des Indes (CIO) das Monopol für den Handel zwischen dem Mutterland und den Kolonien übertragen. Mit den Gewinnen sollten die Staatsfinanzen saniert werden. Die Aktien der Gesellschaft erfreuten sich bald einer starken Nachfrage.
1716 gründete Law zudem die Banque Generale. Sie vergab Kredite auf Papiergeldbasis. Von 1718 an wurde die Bank als Banque Royale geführt. Ihre Noten wurden als Zahlungsmittel akzeptiert, besonders infolge der persönlichen Unterstützung seitens des Regenten. Sie emittierte immer mehr Noten und begab Anleihen, damit neue Aktien der CIO erworben werden konnten.
Das Ergebnis war eine Aktienhausse, die eine Immobilienspekulation auslöste. Innerhalb weniger Monate waren (nichtadelige) Spekulanten „Millionäre“ geworden, was die Gesellschaftsordnung auf den Kopf zu stellen drohte. Der Rausch ging so weit, dass 160 Kioske im Park von Vendôme und Hôtel des Soissons aufgestellt wurden, um die Nachfrage nach Aktien zu befriedigen. Ausländer brachten mit ihrer Nachfrage nach französischen Assets dem Land Devisen. Law löste mit frischem Kapital die hohe Staatsverschuldung durch enorme, niedrigverzinsliche Darlehen ab. Auch die Einführung des Papiergeldes führte zunächst zu einer deutlichen Belebung der Wirtschaft. Bald aber kam es zu Inflation.
Die Spekulationsblase endete im November 1719. Der CIO-Kurs hatte hatte sich zeitweilig verdreißigfacht. Der Wert der Aktien sank genauso rasch wie das Vertrauen in das Papiergeld der Banque Royale (Februar 1720).
Die Überbewertung der CIO-Gesellschaft fiel mit der Südseeblase in England zusammen, das Kapital der Spekulanten floh von Paris nach London. Die Kapitalflucht konnte nicht gestoppt werden. Die französische Währung stürzte ab. Die mangelnde Kontrolle über die Papiergeldausgabe führte schließlich dazu, dass im November 1720 Notengeld und Banken abgeschafft wurden. Frankreich kehrte zum Münzstandard zurück.

Historische Spekulationsblasen: Südsee­-Blase
Die Südsee­-Blase von 1720 entstand, als das Konsortium “South Sea Company“ der hoch verschuldeten britischen Regierung neun Millionen Pfund lieh in Erwartung eines Handelsmonopols mit den spanischen Kolonien in Südamerika. Das Abkommen mit Spanien kam jedoch nicht zustande. Die Gesellschaft lieh der Regierung mehr Geld, im Gegenzug erhielt sie die Erlaubnis, ihr Kapital unbegrenzt vergrößern zu können. Sie streute Gerüchte über das Zustandekommen von Verträgen mit Spanien und gab neue Aktien aus. Mitte Juni 1720 war die 100-Pfund-Aktie 1050 Pfund wert, der gesamte Wert der ausgegebenen Aktien entsprach dem doppelten englischen Grundvermögen. Die Blase wurde weiter angeheizt, sie platzte im Dezember desselben Jahres. Die britische Wirtschaft stürzte in eine schwere Krise.

Historische Spekulationsblasen: Florida-Landboom
Der Florida-Landboom von 1926 war Floridas erste Immobilienblase. Der wirtschaftliche Wohlstand hatte in den 1920er Jahren die Grundlage gelegt für eine sich entwickelnde Landspekulation. Miami galt als Tropenparadies und zog Investoren aus den gesamten USA an. Die Preise für Eigentum stiegen, es begann ein Grundstücks- und Entwicklungsboom. Im Januar 1925 warnte das Forbes-Magazin, dass die Preise für Grundstücke in Florida nur noch auf der Erwartung basierten, einen Käufer zu finden und nicht auf einem realen Landwert. Im Oktober 1925 versuchten die Eisenbahngesellschaften, die Überlastung von Floridas Eisenbahnnetz dadurch zu reduzieren, dass sie nur noch Lebensmittel transportierten. Dadurch wuchsen die hohen Lebenshaltungskosten noch stärker. Neue Käufer blieben aus, die Blase platzte und die Tage waren vorbei, an denen Immobilien in Miami innerhalb eines Tages auf Versteigerungen zehnmal ge- und verkauft wurden.

Historische Spekulationsblasen: Weltwirtschaftskrise
In den 1920er Jahren kam es in den USA zu einer deutlichen Expansion der Konsumgüterproduktion und der landwirtschaftlichen Produktion. Sie war wegen der ungleichen Vermögensverteilung zu einem bedeutenden Teil kreditfinanziert. Die Kredite für Konsumzwecke stiegen zwischen 1919 und 1929 um den Faktor 70 an. Mit dem industriellen Aufschwung entwickelte sich ein Spekulationsfieber, in dessen Verlauf viele Menschen kurzfristige Kredite zu teilweise horrenden Zinssätzen aufnahmen (Dienstmädchenhausse). Die Weltwirtschaftskrise 1929 bezeichnet den weltweiten, je nach Land unterschiedlich zwischen 1928 und 1930 einsetzenden schweren Rückgang der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Die Aktienkurse fielen ins Bodenlose, verstärkt dadurch, dass Spekulanten ihre kreditfinanzierten Aktien in fallende Kurse hinein verkaufen mussten. Die Fed erhöhte die Zinsen, um Banken an leichtfertiger Kreditvergabe zu hindern. Das Bankensystem wurde von Bank-Runs destabilisiert. Viele Unternehmen wurden zahlungsunfähig, es kam zu massiver Arbeitslosigkeit, sozialem Elend und zu Deflation. Es entwickelte sich eine Abwärtsspirale, die in die Depression führte. Das rasche Ausbreiten der Krise wurde durch regen Außenhandel und Spannungen im damaligen Wechselkurssystem begünstigt. Sie dauerte je nach Land unterschiedlich lange, zum Teil war sie bei Beginn des Zweiten Weltkriegs noch nicht überwunden. Deutschland erreichte 1936 als eines der ersten Länder wieder Vollbeschäftigung, v.a. weil es das Mittel von kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen besonders intensiv nutzte.

Historische Spekulationsblasen: Japankrise
Seit Anfang der 1980-Jahre hatte der Dollar stetig aufgewertet. Mit dem Plaza-Abkommen von 1985 einigten sich Frankreich, die BRD, Japan, USA und Großbritannien darauf, durch Interventionen eine Abwertung des Dollars gegenüber Yen und D-Mark zu erreichen. In Erwartung einer Yen-Aufwertung floss spekulatives Kapital nach Japan und heizte Aktien- und Immobilienpreise an. Immobilien wurden beliehen, das Kapital in Aktien investiert. Der Yen-Kurs verdoppelte sich innerhalb von etwa einem Jahr. Der Wirtschaftsboom wurde durch Spekulationen überhitzt. Japanische Unternehmen hatten sehr viel Kapital zur Verfügung, das teilweise zur Akquisition von Unternehmen außerhalb Japans, vor allem in den USA, verwendet wurde. Anfang der 1990er Jahre platzte die Blase. Die Immobilienpreise fielen um 75%, die Aktienmärkte stürzten ab. Banken saßen auf faulen Krediten, deren Höhe überstieg die Werte der hinterlegten Grundstücke und Gebäude. Viele Banken und Unternehmen waren faktisch insolvent, durch künstliche Überbewertung von Vermögenswerten wurden Pleiten über Jahre verschleppt. Es entwickelte sich eine Deflationsspirale, in der die Binnennachfrage schwach blieb und der relativ stabile Yen eine Erholung über den Export verhinderte. Die Zentralbank Japans versuchte jahrelang vergeblich, durch Nullzinspolitik Investitionen anzureizen. Siehe auch hier!

Historische Spekulationsblasen: Asienkrise
Die Finanz-, Währungs- und Wirtschaftskrise Ostasiens in den späten 1990er Jahren wird als Asienkrise bezeichnet. Sie begann im März 1997 in Thailand und griff insbesondere auf Indonesien und Südkorea über. Auch in Malaysia, den Philippinen und Singapur hinterließ sie Spuren, China und Taiwan blieben weitgehend verschont.
Infolge der Liberalisierung der Finanzsektoren entstand in den 1990er Jahren in Asien ein Kreditboom. Hierzu trug auch bei, dass viele japanische Banken nach dem Absturz des Nikkei 1990 Konzerne finanziert haben, die Anteil am Aufschwung Südostasiens nahmen.
Das Wachstum des Kreditvolumens lag in dieser Zeit bei durchschnittlich 8 bis 10% über den BIP-Wachstumsraten. Es entstanden industrielle Überkapazitäten, ein immer größerer Teil der Kredite wurde zum Kauf von Aktien und Immobilien verwendet. Die Folge war ein Anstieg von Aktienkursen und Immobilienpreise um bis zum Vierfachen. Steigende Immobilien- und Aktienpreise gaben den Banken Sicherheiten, weitere Kreditvergaben führten zu weiteren Preissteigerungen bei Aktien und Immobilien. Ende 1997 lag der Anteil der durch Immobilien besicherten Kredite in Thailand, Indonesien und Malaysia zwischen 25 und 40%.
Die Banken wollten von der günstigen Zinssituation auf den internationalen Finanzmärkten profitieren und verschuldeten sich vielfach mit kurzen Laufzeiten in Dollar oder Yen. Die Kreditvergabe an inländische Kreditnehmer erfolgte meist langfristig in inländischer Währung. Die Finanzinstitute vertrauten auf die enge Kopplung der heimischen Währungen an eine stabile Ankerwährung, zumeist den Dollar, die Absicherung gegen Wechselkursänderungen wurde vernachlässigt. Sie profitierten von der 1985 begonnenen Schwäche des Dollar gegenüber dem Yen. Zudem trieb das ein stark exportgetriebenes Wachstum an.
1995 begann sich das Blatt zu wenden, der Dollar gewann an Wert, die lokalen Währungen verteuerten sich real, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechterte. Der Export verlangsamte sich, es kam zu gravierenden Leistungsbilanzdefiziten.
Als Hauptproblem stellten sich die kurzfristigen in Fremdwährung laufenden Kredite der asiatischen Banken heraus, denen nur ein verhältnismäßig geringer Bestand an Währungsreserven gegenüberstand. Es kam zu sich selbst verstärkender Kapitalflucht aus den Krisenländern – ein klassischer Fall von Koordinationsversagen.

Erklärungsansätze der Krise sehen neben einer Selbstschuld der betreffenden Länder im Zusammenspiel mit einem Versagen der internationalen Finanzmärkte den IWF in der Kritik. Im einzelnen wurde kritisiert, dass der IWF die Gläubiger der asiatischen Finanzinstitute verführt hätte, erhöhte Risiken einzugehen, weil diese davon ausgingen, der IWF würde bei Zahlungsschwierigkeiten einspringen. Zudem seien die auferlegten Maßnahmen, Anhebung von Zinsen und Steuern einhergehend mit der Kürzung von Staatsausgaben, während einer Rezession falsch gewesen. Drittens basierten die vom IWF verordneten Strukturprogramme auf rein fiskalischen Kriterien, und zielten auf Schuldentilgung und ausgeglichene Leistungsbilanzen ab. So wurden Länder indirekt gezwungen, z.B. Investitionen in Bildung oder Subventionen für Grundnahrungsmittel einzustellen, was soziale Unruhen zur Folge hatte. Schließlich habe die IWF-Agenda Souveränität und demokratische Kontrolle der abhängigen Staaten außer Kraft gesetzt.


Historische Spekulationsblasen: Dotcom-Blase
Die Dotcom-Blase kam 1997 als ein weltweites Phänomen in Fahrt. Neue Entwicklungen, etwa die Etablierung des Internets, des Mobiltelefons sowie von tragbaren, kleinen Computern führten zu einer Aufbruchstimmung im Bereich digitaler Technologien. Die Deregulierung des Telekommunikationssektors fachte den Boom zusätzlich an.

Ab 1995 kam es zu einer Vielzahl von Neugründungen und vermehrt zu Börsengängen. Die Gewinnerwartungen bei solchen „Zukunftsunternehmen“ war hoch und stieg immer weiter an. Die durch Börsengänge erzielte Liquidität wurde in den Aufkauf anderer Unternehmen investiert. Dieser Expansionsdrang sorgte für weitere Phantasie. Ab Mitte 1999 vervielfachte sich innerhalb weniger Monate die Börsenbewertung zahlreicher Unternehmen. Ausschlaggebend war dabei der Einstieg vieler Neulinge am Aktienmarkt, in Deutschland in Unternehmen, die am „Neuen Markt“ gelistet waren. Zeitweilig wurde eine hohe Cash-Burn-Rate als positives Unternehmensmerkmal gesehen, Fundamentaldaten spielten keine Rolle, dieses Mal sollte alles anders sein.

Gegen Ende des Booms wurde immer klarer, dass der Börsenwert bei vielen dieser „Zukunftsunternehmen“ nicht durch materielle Gegenwerte gedeckt war. Ihr Kapital bestand im wesentlichen in den geistigen Leistungen der Mitarbeiter. Die im Expansionsdrang zugekauften Unternehmen waren meist ebenfalls nicht profitabel.

Mit ersten Schieflagen von Unternehmen wurden die Zweifel an der Solidität der Unternehmen lauter. In nicht wenigen Fällen waren zudem ausgewiesenen Umsätze nur fingiert. Erfahrene Börsianer begannen, ihr Kapital aus dem Markt abzuziehen. Das versetzte die neuen, unerfahrenen Kleinanleger in Panik – aus dem Kursverfall wurde ein Kurssturz. Mit dem im März 2000 einsetzenden Absturz der „Zukunftsunternehmen“ zeigten auch die großen Aktienindices Schwäche, konnten sich jedoch bis Anfang September noch einigermaßen behaupten. Dann weitete sich der Kursverfall auf Unternehmen der „old economy“ aus, der S&P 500 verlor bis Oktober 2002 fast 50%.


Historische Spekulationsblasen: Finanzkrise
Die jüngste Finanzkrise begann im Sommer 2007 als US-Immobilienkrise (auch Subprimekrise genannt). Als Beginn der Finanzkrise gilt der 9. August 2007, an diesem Tag stiegen die Zinsen für Interbankkredite sprunghaft an. Weltweit kam es zunächst zu Verlusten und Insolvenzen bei Unternehmen der Finanzbranche. Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte die Krise im Zusammenbruch von Lehman Brothers im September 2008. Hohe staatliche Fremdkapital- und Eigenkapitalspritzen sollten Finanzunternehmen am Leben halten. Die Diskontsätze wurden immer weiter gesenkt, um die Banken mit „billigem Geld“ zu versorgen und so die Kreditvergabe aufrechtzuerhalten. In der Folge sprang die Krise auf die Realwirtschaft über und führte zu Produktionssenkungen und Unternehmenszusammenbrüchen. Im April 2009 schätzte der IWF die weltweiten Wertpapierverluste infolge der Krise auf vier Bill. Dollar.

  

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