In einer Artikelserie wollen wir uns ausführlicher mit Blasenbildung an den Finanzmärkten beschäftigen.
Im ersten Teil stellen wir ausgewählte historische Spekulationsblasen dar. Ihnen allen ist gemein: In einer wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung kam es zu überzogener Kreditexpansion. Die Kreditblase trieb zunächst die Wirtschaft weiter an. Dann platzte sie und stürzte die Wirtschaft in eine schwere Krise.
Weitere Artikel befassen sich mit den ökonomischen und psycho-sozialen Voraussetzungen für eine Blasenbildung, sowie mit der Frage, wie man Blasenbildung erkennen kann.
[Das Material dieses Artikels basiert teilweise auf Wikipedia]
Ein professioneller Spieler namens John Law, Hauptaktionär der Mississippi-Kompanie, präsentierte der mit dem Rücken zur Wand stehenden Regierung eine einfache Lösung: Die Regierung sollte einem Zusammenschluss aus verschiedenen überseeischen Handelsgesellschaften namens Compagnie des Indes (CIO) das Monopol für den Handel zwischen dem Mutterland und den Kolonien übertragen. Mit den Gewinnen sollten die Staatsfinanzen saniert werden. Die Aktien der Gesellschaft erfreuten sich bald einer starken Nachfrage.
1716 gründete Law zudem die Banque Generale. Sie vergab Kredite auf Papiergeldbasis. Von 1718 an wurde die Bank als Banque Royale geführt. Ihre Noten wurden als Zahlungsmittel akzeptiert, besonders infolge der persönlichen Unterstützung seitens des Regenten. Sie emittierte immer mehr Noten und begab Anleihen, damit neue Aktien der CIO erworben werden konnten.
Das Ergebnis war eine Aktienhausse, die eine Immobilienspekulation auslöste. Innerhalb weniger Monate waren (nichtadelige) Spekulanten „Millionäre“ geworden, was die Gesellschaftsordnung auf den Kopf zu stellen drohte. Der Rausch ging so weit, dass 160 Kioske im Park von Vendôme und Hôtel des Soissons aufgestellt wurden, um die Nachfrage nach Aktien zu befriedigen. Ausländer brachten mit ihrer Nachfrage nach französischen Assets dem Land Devisen. Law löste mit frischem Kapital die hohe Staatsverschuldung durch enorme, niedrigverzinsliche Darlehen ab. Auch die Einführung des Papiergeldes führte zunächst zu einer deutlichen Belebung der Wirtschaft. Bald aber kam es zu Inflation.
Die Spekulationsblase endete im November 1719. Der CIO-Kurs hatte hatte sich zeitweilig verdreißigfacht. Der Wert der Aktien sank genauso rasch wie das Vertrauen in das Papiergeld der Banque Royale (Februar 1720).
Die Überbewertung der CIO-Gesellschaft fiel mit der Südseeblase in England zusammen, das Kapital der Spekulanten floh von Paris nach London. Die Kapitalflucht konnte nicht gestoppt werden. Die französische Währung stürzte ab. Die mangelnde Kontrolle über die Papiergeldausgabe führte schließlich dazu, dass im November 1720 Notengeld und Banken abgeschafft wurden. Frankreich kehrte zum Münzstandard zurück.
Infolge der Liberalisierung der Finanzsektoren entstand in den 1990er Jahren in Asien ein Kreditboom. Hierzu trug auch bei, dass viele japanische Banken nach dem Absturz des Nikkei 1990 Konzerne finanziert haben, die Anteil am Aufschwung Südostasiens nahmen.
Das Wachstum des Kreditvolumens lag in dieser Zeit bei durchschnittlich 8 bis 10% über den BIP-Wachstumsraten. Es entstanden industrielle Überkapazitäten, ein immer größerer Teil der Kredite wurde zum Kauf von Aktien und Immobilien verwendet. Die Folge war ein Anstieg von Aktienkursen und Immobilienpreise um bis zum Vierfachen. Steigende Immobilien- und Aktienpreise gaben den Banken Sicherheiten, weitere Kreditvergaben führten zu weiteren Preissteigerungen bei Aktien und Immobilien. Ende 1997 lag der Anteil der durch Immobilien besicherten Kredite in Thailand, Indonesien und Malaysia zwischen 25 und 40%.
Die Banken wollten von der günstigen Zinssituation auf den internationalen Finanzmärkten profitieren und verschuldeten sich vielfach mit kurzen Laufzeiten in Dollar oder Yen. Die Kreditvergabe an inländische Kreditnehmer erfolgte meist langfristig in inländischer Währung. Die Finanzinstitute vertrauten auf die enge Kopplung der heimischen Währungen an eine stabile Ankerwährung, zumeist den Dollar, die Absicherung gegen Wechselkursänderungen wurde vernachlässigt. Sie profitierten von der 1985 begonnenen Schwäche des Dollar gegenüber dem Yen. Zudem trieb das ein stark exportgetriebenes Wachstum an.
1995 begann sich das Blatt zu wenden, der Dollar gewann an Wert, die lokalen Währungen verteuerten sich real, was die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechterte. Der Export verlangsamte sich, es kam zu gravierenden Leistungsbilanzdefiziten.
Als Hauptproblem stellten sich die kurzfristigen in Fremdwährung laufenden Kredite der asiatischen Banken heraus, denen nur ein verhältnismäßig geringer Bestand an Währungsreserven gegenüberstand. Es kam zu sich selbst verstärkender Kapitalflucht aus den Krisenländern – ein klassischer Fall von Koordinationsversagen.
Erklärungsansätze der Krise sehen neben einer Selbstschuld der betreffenden Länder im Zusammenspiel mit einem Versagen der internationalen Finanzmärkte den IWF in der Kritik. Im einzelnen wurde kritisiert, dass der IWF die Gläubiger der asiatischen Finanzinstitute verführt hätte, erhöhte Risiken einzugehen, weil diese davon ausgingen, der IWF würde bei Zahlungsschwierigkeiten einspringen. Zudem seien die auferlegten Maßnahmen, Anhebung von Zinsen und Steuern einhergehend mit der Kürzung von Staatsausgaben, während einer Rezession falsch gewesen. Drittens basierten die vom IWF verordneten Strukturprogramme auf rein fiskalischen Kriterien, und zielten auf Schuldentilgung und ausgeglichene Leistungsbilanzen ab. So wurden Länder indirekt gezwungen, z.B. Investitionen in Bildung oder Subventionen für Grundnahrungsmittel einzustellen, was soziale Unruhen zur Folge hatte. Schließlich habe die IWF-Agenda Souveränität und demokratische Kontrolle der abhängigen Staaten außer Kraft gesetzt.
Ab 1995 kam es zu einer Vielzahl von Neugründungen und vermehrt zu Börsengängen. Die Gewinnerwartungen bei solchen „Zukunftsunternehmen“ war hoch und stieg immer weiter an. Die durch Börsengänge erzielte Liquidität wurde in den Aufkauf anderer Unternehmen investiert. Dieser Expansionsdrang sorgte für weitere Phantasie. Ab Mitte 1999 vervielfachte sich innerhalb weniger Monate die Börsenbewertung zahlreicher Unternehmen. Ausschlaggebend war dabei der Einstieg vieler Neulinge am Aktienmarkt, in Deutschland in Unternehmen, die am „Neuen Markt“ gelistet waren. Zeitweilig wurde eine hohe Cash-Burn-Rate als positives Unternehmensmerkmal gesehen, Fundamentaldaten spielten keine Rolle, dieses Mal sollte alles anders sein.
Gegen Ende des Booms wurde immer klarer, dass der Börsenwert bei vielen dieser „Zukunftsunternehmen“ nicht durch materielle Gegenwerte gedeckt war. Ihr Kapital bestand im wesentlichen in den geistigen Leistungen der Mitarbeiter. Die im Expansionsdrang zugekauften Unternehmen waren meist ebenfalls nicht profitabel.
Mit ersten Schieflagen von Unternehmen wurden die Zweifel an der Solidität der Unternehmen lauter. In nicht wenigen Fällen waren zudem ausgewiesenen Umsätze nur fingiert. Erfahrene Börsianer begannen, ihr Kapital aus dem Markt abzuziehen. Das versetzte die neuen, unerfahrenen Kleinanleger in Panik – aus dem Kursverfall wurde ein Kurssturz. Mit dem im März 2000 einsetzenden Absturz der „Zukunftsunternehmen“ zeigten auch die großen Aktienindices Schwäche, konnten sich jedoch bis Anfang September noch einigermaßen behaupten. Dann weitete sich der Kursverfall auf Unternehmen der „old economy“ aus, der S&P 500 verlor bis Oktober 2002 fast 50%.
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