Was wissen die, was wir nicht wissen?

Die Zahl der neuen Arbeitsplätze (nonfarm) ist im Februar in den USA lediglich um 20.000 angestiegen. Das ist wesentlich weniger als mit 175.000 erwartet. Zunächst zeigten sich Aktien-Anleger schockiert und verkauften kräftig. Dann begann das Nachdenken und der Regierungsshutdown wurde als Schuldiger ausgemacht, auch saisonale Faktoren wurden angeführt.

Die Zahl der Arbeitsstellen entwickelt sich wie seit August 2018 weiterhin über dem mittelfristigen Trend. Allerdings reichen zwei, drei weitere schwache Monate aus, um diese Diagnose zu kippen. Zudem erscheint mir der Grund „Shutdown“ für die Schwäche eher als eine Beruhigungspille. Auch im privaten Sektor ist die Zahl neuer Jobs lediglich um 25.000 angestiegen.

Die durchschnittlichen Wochenlöhne sind mit 0,4% im Monatsvergleich stärker gestiegen als mit +0,3% erwartet. Auf das Jahr gerechnet hat der Wert um 3,4% zugenommen. Das nimmt zumindest keinen Druck von der Fed, die Leitzinsen nach oben anzupassen, wenn es bei solchen jährlichen Steigerungen bleibt. Die Fed hatte erst vor einigen Tagen versichert, dass es schon gute Gründe bräuchte, um von ihrer etablierten Linie hinsichtlich Inflationsbekämpfung abzuweichen.

Der Echtzeit-Indikator für das BIP, das Produkt aus Zahl der Arbeitsplätze und wöchentlichen Arbeitsstunden, warnt, dass sich das reale BIP im ersten Quartal ziemlich schwach darstellen wird (Chartquelle).

Der Zusammenhang zwischen steigenden Lohnkosten und sinkenden Neueinstellungen ist plausibel. Ab einer bestimmten Entwicklungsstufe der Konjunktur macht es für die Unternehmen bei steigenden Löhnen zunehmend weniger Sinn, neue Jobs zu schaffen, weil es zunehmend unwahrscheinlicher wird, dass es noch so viel zusätzliche kaufkräftige Nachfrage gibt, dass sich die steigenden Kosten rechnen. Insofern ist auch von Bedeutung, dass das US-Verbrauchersentiment im Februar den zweiten Monat in Folge sinkt und seit fast einem Jahr einen Abwärtstrend etabliert.

Der Dow Jones Transport Index (DJT) ist um den 20. Februar bereits abgekippt und notiert aktuell gut fünf Prozent unter dem seinerzeit markierten Hoch. Er ist aktuell auf Tagessicht deutlich überverkauft, auch der lange untere Docht der Tageskerze vom zurückliegenden Freitag legt nahe, dass sich der Index zunächst stabilisieren dürfte. Nach einem soliden Boden sieht es allerdings nicht aus, der Index notiert unter seiner, sich abwärts neigenden EMA50. Das am 21. November dem Schnitt von EMA50 und EMA200 gebildete „Death Cross“ ist bisher nicht aufgehoben worden. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass dies in Kürze geschehen könnte (Chartquelle).

Häufig läuft der DJT dem breiten Aktienmarkt voraus, dieser, einen Pfeiler der Dow-Theorie bildende Zusammenhang ist historisch gut belegt.

Im Gegensatz hat der S&P 500 sein Anfang Dezember gebildetes „Death Cross“ vor einigen Tagen annulliert. Allerdings beträgt der Abstand zwischen der EMA50 und der EMA200 nur schlappe fünf Punkte und die Aufwärtsdynamik der EMA50 ist recht gering. Das ist auch kein Wunder, der Index hat gegenüber dem Hoch bei 2803 (Tagesschluss) am 1. März gut 60 Punkte verloren. Noch einige schwächere Tage, dann wäre das Szenario „Golden Cross“, bei dem die EMA50 über der EMA200 liegt, passé. So lange das bei 2710 liegende 62er Retracement des Abwärtsimpulses aus Ende September respektiert wird, blieben die Bullen aber weiterhin vorne (Chartquelle).

Von Seiten des VIX zeigt sich jetzt eine zunehmende Reaktionbereitschaft der Anleger vor allem auf ungünstige Nachrichten. Dessen EMA50 wurde zuletzt getestet, die Stochastik zeigt ein durch den MACD bestätigtes Kaufsignal. Das legt nahe, dass der VIX weiter steigen könnte, was gleichbedeutend ist mit zunehmender Unsicherheit und Risikoscheu.

Die 13-wöchigen TBills gelten als sichere, kurzfristige Anlage und damit als Parkplatz für überschüssige liquide Mittel. Steigt deren Rendite (IRX) signalisiert das Abfluss von solchen Mitteln vom „Parkplatz“. Umgekehrt führen Zuflüsse zum Parkplatz zu sinkender Rendite. Die absolute Höhe der Rendite wird dabei auch vom Leitzins beeinflusst (gegenwärtig in einer Spanne zwischen 2,25% und 2,50%). Beim IRX etabliert sich gegenwärtig ein Doppeltopp bei 2,4%, die erste Spitze stammt von Anfang Januar, als das Tief von Ende Dezember nachhaltig gekauft wurde. Wird die EMA50 unterboten, wäre das eine Bestätigung für das Doppel-Topp-Szenario. Ein solches Roll-over beim IRX (bei unveränderten Leitzinsen) signalisiert eine nachhaltige Bewegung liquider Mittel in Richtung „Parkplatz“. Das ist eine ungünstige Botschaft für sogenannte riskante Assets, in erster Linie Aktien.

Die Markt-Indikatoren der TimePatternAnalysis haben in ihrer aggregierten Darstellung dynamisch ins Negative gedreht. Sie waren zuvor Anfang Januar per Saldo auf die bullische Seite gewechselt, aber nicht einmal 50% der Indikatoren haben in der gesamten Zeit seitdem ein bullisches Ergebnis gezeigt.

Schließlich zeigen auch die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis eine kontraktive Tendenz. Beide Charts werden täglich im kostenfreien Bereich dieser Web-Seite aktualisiert.

Die Hoffnung der Akteure richtet sich umso stärker auf den Handelsstreit USA-China.
Die US-Seite benötigt genau wie die chinesische einen einigermaßen tragfähigen Kompromiss – Trump muss mit einem Erfolg seiner Strategie bei den Verhandlungen von anderen „Schauplätzen“ seiner zweifelhaften Machenschaften ablenken, die VR China ist stark überschuldet und muss sich stark nachlassenden Wachstumskräften entgegenstellen.

Ein „Durchbruch“ bei den Verhandlungen im Handelsstreit würde den Bullen zweifellos erneut Rückenwind geben. Die große Frage ist dabei aber, wie stark der ist und wie lange er anhält. Ich denke, er wird die übergeordnete Tendenz in Richtung Ende des laufenden Konjunkturzyklus und Ende des seit 2009 anhaltenden Bull-Runs bestenfalls etwas hinausschieben, aber nicht aufhalten.

Sehr zu Recht fragen sich immer mehr Beobachter mit Blick auf die jüngsten Aktionen der großen Zentralbanken, etwa der EZB mit Verlängerung ihrer Zinspolitik bis mindestens Ende 2019 und der Verlängerung ihrer TLTRO-Programms zur Finanzierung günstiger Bankkredite um zwei Jahre: „Was wissen die, was wir nicht wissen?

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich bei Aktien übergeordnet weitere Schwäche entwickelt. Darauf deuten zahlreiche technische Indikationen hin. Schließlich zeigt auch der makroökonomische Hintergrund seit einigen Monaten Tempoverlust. Ein konstruktiver Ausgang der Verhandlungen im Handelsstreit USA-VR China wird die Entwicklung nicht nachhaltig umkehren.

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