Italiens Bevölkerung sagt "No"

Das Referendum in Italien über eine weitreichende Verfassungsreform ist von der Bevölkerung abgelehnt worden. Das Resümee der Washington Post hierzu geht so: „Europas bedrängtes politisches Establishment hat erneut eine Runde im Kampf gegen die Anti-Eliten-Bewegung verloren.“ Siehe „Clinton gegen Trump“…

Der italienische Ministerpräsident Renzi ist mit seinem Vorstoß klar gescheitert. Die Wahlbeteiligung war ungewöhnlich hoch, das unterstreicht die Bedeutung des „Nein“ noch. Die im Referendum zur Abstimmung gestellten Änderungen sollten die Regierung handlungsfähiger machen. Die Wahlreform hätte die regierenden Sozialdemokraten mit einer komfortablen Mehrheit im Parlament ausgestattet.

Renzi hatte schon im Voraus im Falle einer Ablehnung seinen Rücktritt angekündigt. Damit ist die italienische Politik nun noch weniger handlungsfähiger als zuvor – auch weil nun erst einmal ein neues Wahlgesetz beschlossen werden muss.

Mag sein, dass Renzi zu schnell zu weit vorgeprescht ist – auch gegen Widerstand in seiner Partei. Renzi war vor drei Jahren angetreten mit dem Ziel im italienischen Politik-Klüngel aufzuräumen. Das brachte ihm den Spitznahmen „Verschrotter“ ein. Davon blieb schon bald nicht mehr viel übrig, er galt zunehmend als ein Teil der Elite, deren Einfluss er angehen wollte.

Die italienische Tageszeitung „La Stampa“ schreibt zutreffend: „Es war ein Votum gegen das Establishment. Es haben die Leute gewonnen, die kein Vertrauen mehr haben. Sie haben aus der innerlichen und stärker werdenden Überzeugung heraus gewählt, dass da draußen irgendwo irgendjemand ist, der an ihrem Unglück Schuld hat, weil die Arbeit fehlt, weil die Garantien aufgeweicht sind, aus sozialem Neid, weil die Geldanlage in der Bank schiefgelaufen ist, weil es die starken Mächte gibt, weil da Europa ist."

Sowohl weit rechts als auch weit links stehende Gruppierungen hatten zu einem „Nein“ aufgerufen. Die Klammer war der „Anti-Renzismus“, wie „La Reppublica“ schreibt. Das würde bedeuten, dass das Scheitern des Referendums nicht unbedingt ein Vorzeichen dafür ist, wie die die Ablehnungsbewegung tragenden Parteien, die „Fünf-Sterne-Bewegung“ und die „Lega Nord“, bei einer künftigen Parlamentswahl abschneiden. Beide Gruppierungen sind gegen EU und Euro.

Viele Beobachter hatten für den Fall eines „Nein“ angesichts des von vielen faulen Krediten gedrückten italienischen Banken-Sektors (die italienische Zentralbank schätzt die Summe auf 360 Mrd. Euro), sowie der hohen Staatsverschuldung ein Beben an den Finanzmärkten erwartet. Weit gefehlt!

Vorbörslich gab es im DAX einen kleinen Rücksetzer, der schnell gekauft wurde. Mittlerweile liegt der Index deutlich im Plus. Italienische Bank-Aktien haben nach anfänglichen Verlusten im Tagesverlauf eine beachtliche Rally hingelegt. Auch die US-Aktien-Futures tendieren deutlich positiv. Der Euro zeigte gegen Dollar zunächst eine stärkere Reaktion. Sie ging bis zu einem 20-Monats-Tief auf 1,0540 herunter, mittlerweile hat das Währungspaar den Schlussstand vom Freitag der vergangenen Woche überwunden (Chartquelle).

Gold zeigt sich schwach bei 1166 Dollar je Feinunze, das ist zugleich ein wichtiger Support-Bereich. TBonds werden verkauft, der Dollar-Index präsentiert sich leichter. Die Ölpreise setzen ihre Aufwärtsbewegung seit der OPEC-Entscheidung zur Drosselung der Produktion fort.

Damit sehen sich alle die bestätigt, die für den Fall eines „No“ in Italien eine Reaktion wie nach dem Brexit-Votum und nach der Wahl von Trump erwartet hatten.

Diese Intermarket-Konstellation dürfte einerseits mit der Hoffnung zu erklären sein, dass die EZB auf ihrer Sitzung am kommenden Donnerstag irgendetwas tut, um die möglicherweise aufflammende Euro-Krise einzudämmen – schon wird die Erwartung geäußert, das laufende QE-Programm könnte über den März 2017 hinaus verlängert werden. Andererseits gibt es auch bereits Stimmen, die meinen, die Fed könnte von ihrem bisher als ziemlich sicher angenommenen Zinsschritt vor Weihnachten Abstand nehmen.

Was geschieht, wenn EZB und oder Fed diesen Erwartungen nicht oder nicht ausreichend entsprechen? Folgt dann die heute ausgebliebene Reaktion mit fallenden Aktienkursen oder halten die großen Akteure auch dann die Kurse hoch? Etwa weil „Trump“ immer noch nicht genügend eingepreist ist? Oder weil der "TINA"-Anlagenotstand fortbesteht? Oder?

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