S&P 500 – Frenzy

Der S&P 500 steigt weiter – ein Wochengewinn von 1,0% in einer umsatzschwachen Woche. Der „Black Friday“ soll eine erste Ahnung geben, wie das Weihnachtsgeschäft laufen könnte. NDX und Nasdaq Composite steigen ebenfalls. Der DAX hält gerade so mit – Wochengewinn von 0,7%.

Die Ölpreise stabilisieren sich nach einigen Verlustwochen. Der CRB-Rohstoffindex gibt leicht ab. Gold und Silber zeigen die zweite Woche in Folge Stärke.

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Die US-Renditen steigen über alle Laufzeiten. Der Dollar flach, Euro/Dollar ebenfalls, wie auch die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen. Allgemein wird erwartet, dass die BoJ im kommenden Jahr ihre Geldpolitik straffen wird. Das stützt den Yen. Im Dollar/Yen könnte sich ein großes Doppel-Topp bei rund 150 entwickeln, dieses Niveau war vor gut einem Jahr, am 21.10.2022, schon einmal erreicht worden.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken sinkt um 1,7%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index, steigt um weitere 1,1%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, auf Wochensicht flach.

Die Zinsstruktur zeigt sich kaum verändert. Die negative Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR nimmt leicht ab. Allgemein verfestigt sich die Erwartung, dass die Fed genug getan hat mit ihren Zinsschritten. Jetzt sieht man der ersten Zinssenkung im zweiten Quartal 2024 entgegen. Und natürlich ist man weiter fest davon überzeugt, dass die US-Wirtschaft auf eine weiche Landung zusteuert.

Der Zinssatz für 10-jährige Staatsanleihen (TNX) ist etwas überverkauft und hat in der zurückliegenden Woche das 38er Retracement der Aufwärtsbewegung aus Mitte Mai erreicht. Er dürfte wohl einen Erholungsversuch starten mit dem Ziel zunächst der EMA50 (aktuell 4,54%, sinkend). TNX bewegt sich in einem kurzfristigen Abwärtskanal, so lange dessen Oberseite nicht aufgehebelt wird, besteht für die Aktionäre kein Grund für Zinspanik (Chartquelle).

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Laut Protokoll der zurückliegenden Sitzung der Fed (vom 31.10./1.11.), veröffentlicht am zurückliegenden Dienstag, sind die Vertreter der Federal Reserve „weiterhin der Ansicht, dass der geldpolitische Kurs ausreichend restriktiv gehalten werden muss", um die Inflation unter Kontrolle zu bringen. Die Beamten sprachen sich für eine Strategie des „vorsichtigen Vorgehens" aus und wiesen darauf hin, dass die kommenden Daten zur Klärung des Inflationsverlaufs beitragen könnten. Am jenem 1. November, als die Fed ihr Statement zum FOMC-Treffen veröffentlicht hat, gab auch das Finanzministerium der USA den Kreditbedarf für die nächsten Monate bekannt. Er lag etwas unterhalb der Erwartungen, was half, die Renditen zu drücken.

Der S&P 500 ist im November bis jetzt rund zehn Prozent angestiegen. Dabei wurden vier Aufwärts-Kurslücken produziert, eine besonders große im Kontext der CPI-Veröffentlichung für Oktober. Im Gegenzug sinkt der VIX, Angstmesser an Wall Street, immer tiefer. Er hat jetzt sogar den Pegel bei 12,75 unterschritten, das war zuletzt im Januar 2020 der Fall. Nach Stochastik ist der VIX seit Anfang des Monats überverkauft, seit zwei Wochen kraucht der Indikator am Boden entlang.

Jeroen Blokland titelt „FRENZY is here!“. Er analysiert elf Stimmungsindikatoren für Aktien. Unter anderem verwendet er den VIX-Index, das AAII Investor Sentiment Survey, gleitende Durchschnitte und den Relative Strength Index (RSI) und setzt diese Daten in einen proprietären Fear & Frenzy Sentiment Index um. Er schreibt, nur wenige Sentiment-Indikatoren lieferen konsistent klare „contrarian“ Signale.

Nach AAII sind Kleinanleger so bullisch wie seit Anfang August nicht mehr. Nach RSI des S&P 500 Index liegt ebenfalls eine deutlich überkaufte Situation vor. Die Selbstzufriedenheit (complacency) der Anleger ermittelt Blokland über die Differenz zwischen der realisierten Marktvolatilität und dem VIX-Index, der impliziten erwarteten Volatilität. Wenn der VIX-Index unter die realisierte Volatilität fällt, kann dies auf Selbstzufriedenheit hindeuten. Schließlich gehen die Anleger dann davon aus, dass das Marktrisiko in Zukunft geringer sein wird als heute. Bei dem bereits sehr niedrigen VIX-Index muss schon vieles zukünftig gut laufen, damit sich die Selbstzufriedenheit nicht als Illusion entpuppt.

Die Selbstzufriedenheit der Aktionäre: Die US-Regierung muss 2024 über acht Bill. Dollar refinanzieren. Auch die Bankenkrise schwelt weiter. Die Beschäftigung im privaten Sektor geht nach Flash-PMI im November das erste Mal in 3-½ Jahren zurück. Auch die Einzelhandelsumsätze in den USA entwickelten sich zuletzt schwächer als erwartet.

Die mittlerweile endende Berichtssaison des 3. Quartals fiel noch etwas besser aus als Ende Oktober abzusehen, das Profitwachstum im S&P 500 verbesserte sich im Jahresvergleich von 4,3% auf 6,6%. Das Umsatzwachstum kommt auf lediglich plus 1,4%. Die Gewinnerwartungen für die kommenden vier Quartale werden reduziert.

Ob die Inflation in den kommenden Monaten zügig weiter sinken wird, ist nicht ausgemacht. Ein nicht unwesentlicher Faktor dabei ist, dass die Unternehmen bei der Refinanzierung ihrer Schulden zunehmend durch das hohe Zinsniveau belastet werden. Die ohnehin nicht niedrige Pleitewelle könnte weiter ansteigen. Ein dadurch verknapptes Angebot könnte den Preisen Auftrieb geben.

Und noch etwas spricht gegen allzu blauäugige Inflationserwartungen: Angesichts des exorbitanten Schuldenniveaus überall in der Welt scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Fed wieder zu QE zurückkehrt. Wenn sie dabei wiederum wie seinerzeit mit „Corona“ im Verein mit der Regierung zu Wegen greift, die die Geldmenge in der Realwirtschaft direkt vermehren, dann wirkt auch das unmittelbar inflationsfördernd.

Der Goldpreis stieg mittlerweile auf 2000 Dollar je Unze, unterstützt durch die Erwartung der Anleger, die Fed werde ihre Serie von Zinserhöhungen beenden. Das setzt den Dollar und die Anleiherenditen unter Druck. Beobachter sagen, die Erwartungen hinsichtlich der US-Renditen hätten derzeit wieder die Kontrolle über die Bewegungen des Goldpreises übernommen. Die Unsicherheit hinsichtlich des Konflikts im Nahen Osten und die geopolitische Lage in der Welt habe nachgelassen. Die Märkte kehrten zur Stabilität und zur idealen Preisbildung für globale Ereignisse, Nachrichten und Daten zurück, heißt es.

Für einen relativ stabilen Goldpreis spricht auch die Verschiebung bei den Währungsreserven. Besonders östliche Zentralbanken kaufen Gold, die Beschlagnahme der russischen Währungsreserven durch den Wertewesten war ein Warnzeichen. In Europa werden ebenfalls Vorsichtsmaßnahmen ergriffen – die niederländische Zentralbank baut ihre Goldreserven aus, um gegen Währungskrisen gewappnet zu sein, wie es heißt.

Die Rohölpreise (Brent) haben zuletzt im Zuge der abnehmenden Unsicherheit hinsichtlich Nah-Ost kräftig verloren. Sie haben sich nun bei um 80 Dollar stabilisiert, was auf die Besorgnis hinsichtlich neuer Sanktionen der EU gegen russisches Öl, sowie auf Erwartungen weiterer OPEC-Kürzungen zurückgeht. Die OPEC+ dürfte dies favorisieren, um den Ölpreis über 80 Dollar je Barrel zu halten. Ein möglicher Faktor für Druck auf die Rohölpreise ist die Krise in Venezuela, das ölreiche Land könnte 2024 zu einem angemessenen Produktionsniveau zurückkehren.

Die Energy Information Administration geht davon aus, dass die durchschnittliche OPEC+-Rohölproduktion im Jahr 2023 bei 38,2 Millionen Barrel pro Tag liegen wird, ein Rückgang um 1,4 Millionen Barrel pro Tag gegenüber 2022. Diese Zahl wird voraussichtlich in 2924 auf 37,8 Millionen Barrel pro Tag sinken. Ein erwarteter Anstieg der Ölproduktion außerhalb der OPEC im Jahr 2024 aufgrund neuer Projekte in Nord- und Südamerika, insbesondere in den USA und Kanada, dürfte sich negativ auf die mittel- bis langfristigen Preise auswirken.

Der Hauptgrund für den erwarteten Rückgang der Ölnachfrage wird auf die erlahmende weltweite wirtschaftliche Entwicklung zurückgeführt, wobei hier China und die Eurozone im Fokus stehen. Die straffe Geldpolitik der meisten Zentralbanken weltweit hat sowohl die Verbraucher- als auch die Unternehmenstätigkeit gebremst. Hoffnung China: Sollte es China gelingen, seine Wirtschaft anzukurbeln, könnte es in naher Zukunft zu einem anhaltenden Aufwärtstrend bei den Ölpreisen kommen (Chartquelle).

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Michael Lebowitz fragt: Wirtschaftliche Verschlechterung oder Normalisierung? Der Arbeitsmarkt verschlechtert sich zweifellos und sendet Signale aus, die in der Vergangenheit wertvolle Warnungen vor einer Rezession waren. Aber die massiven fiskalischen Anreize und die merkwürdigen Verhaltensänderungen seit 2020 sollten uns zu der Annahme veranlassen, dass es dieses Mal anders sein könnte. Nach einem interessanten Ritt durch zahlreiche Indikatoren kommt er zu der glasklaren Antwort: Es ist schwer zu sagen, ob der Arbeitsmarkt vor einer Rezession warnt oder sich lediglich auf ein nachhaltigeres Beschäftigungsniveau normalisiert.

Bis jetzt hält sich der S&P 500 ziemlich genau an den saisonalen Fahrplan, nachdem er zur Jahresmitte deutlich über- und im Oktober deutlich untertrieben hatte (Chartquelle).

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4559,34 geschlossen. Werden die seit Anfang November gerissenen vier Kurslücken geschlossen? Die jüngste und kleinste gab es von Dienstag zu Mittwoch. Momentan sieht es so aus, als würde sich eine Bärflagge entwickeln, ein steiler, enger Aufwärtskanal, ansetzend an der großen Aufwärtslücke von vor einigen Tagen in Zusammenhang mit der Veröffentlichung der CPI-Daten für Oktober. Im Fokus der Bullen dürfte jetzt der Bereich um 4600 stehen, dem Hoch aus Ende Juli (Chartquelle).

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Auf der Unterseite wäre zunächst das große Gap zwischen 4423 und 4470 zu nennen. Dass diese Lücke bald geschlossen wird, ist aus meiner Sicht ziemlich sicher. Die spannende Frage ist, was danach geschieht. Wenn sie schnell geschlossen wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Index von der Saisonalität rasch wieder nach oben getragen wird.

In den kommenden Tagen beginnen die großen Akteure mit Window-Dressing zum Jahresende hin. Das führt häufig zu anziehender Volatilität. Insbesondere in einem Jahr mit soliden Indexgewinnen möchte man diese gerne zum Jahrenende samt den Gewinner-Aktien in den Büchern stehen haben. Gut denkbar, dass man den sich allmählich aufbauenden Abwärtsdruck möglichst bald herausnimmt und dann erneut hochkauft. Vielleicht gibt es dabei aber auch einen technischen Betriebsunfall und die schönen Pläne sind dahin…

Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo bullisch, wenn auch noch nicht extrem. Die Volumenverteilung ist noch (wackelig) in überdehnter Akkumulation. Solche Phasen halten erfahrungsgemäß fünf bis acht Tage an, womit gegen Ende der kommenden Woche der „Poller“ erreicht wäre. Das Verhältnis von SPX zu VIX ist mittlerweile wieder so hoch wie zuletzt Ende Juli. Das „Klima“ befindet sich in Greed (Gier). Beides zusammen gibt einen Hinweis auf bullische Übertreibung (siehe auch Blokland oben!). Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen internationalen Aktienindices) läuft jetzt auf bullischem Niveau.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien weit überwiegend bullische Merkmale. Die linearen haben den Bereich von 70% erreicht, dieser Wert wurde lange nicht mehr überschritten. Bärische Merkmale befinden sich auf sehr niedrigem Niveau. Der Zufluss ist weiter stark. Aus dieser Sicht spricht einiges dafür, dass die bullische Bewegung noch kurze Zeit anhält. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 sieht als kurzfristiges Ziel irgendetwas unter 4600 mit folgender Abwärtsbewegung bis an 4400 heran. Dann sollte es einen Rebound geben.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Unter praktisch allen Gesichtspunkten ist ein Topp beim S&P 500 nahe (nicht zwangsläufig im Sinne von „Langzeit-Hoch"). Angesichts der überbordenden Stimmung („Frenzy“ – siehe oben) kann es bis dahin kurzfristig noch zu nicht für möglich gehaltenen Übertreibungen kommen – Herdentrieb eben. Denken Sie dabei auch an die "greater fool theory"!

So wie in den zurückliegenden Tagen die sinkenden Renditen und der tiefe Ölpreis die Aktienbullen stützen konnten, könnte nun das Gegenteil eintreten. Beide sind reif für eine kurzfristige Gegenbewegung.

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