Bear Stearns – wer ist der nächste?

Zuletzt hatte es an dieser Stelle am vergangenen Wochenende geheißen, dass die Gefahr von Pleiten von Unternehmen wächst, die sich mit Hypothekenfinanzierungen und Derivaten auf solche Kredite zu weit aus dem Fenster gelegt haben. Die Schwierigkeiten von Carlyle Capital, Teil der Carlyle Group, hatten hierzu den Anlass geliefert. Carlyle zählt neben Blackstone und KKR zu den größten Private-Equity-Firmen auf der Welt,

Jetzt gibt es die nächste Bestätigung. Und sie ist weitaus gravierender. Seit Tagen gab es schon Gerüchte um die fünftgrößte US-Investmentbank Bear Stearns. Am Freitag wurde es dann Gewissheit – das Unternehmen ist illiquide. Innerhalb der zurückliegenden 14 Tage waren die Kosten für eine Ausfallversicherung von Schulden der Bank bereits hochgeschnellt – von 3 auf 7 %, das zwei- bis dreifache gegenüber dem bei den Konkurrenten.

Die Fed sah sich am Freitag genötigt, unter Berufung auf ein Gesetz aus der Großen Depression aus dem Jahre 1932 einzuspringen. Das ermöglicht es ihr, unter besonderen Umständen an Institutionen und Einzelpersonen Mittel auszuleihen, die sich diese nicht anderweitig besorgen können.

Die Lage bei Bear Stearns hatte sich offenbar so zugespitzt, dass das Institut nicht mehr zum 27. März warten konnte, an dem die Term Security Lending Facility (TSLF) Auktion der Fed startet, bei der Banken für zunächst 28 Tage AAA-Mortgage-Papiere gegen Treasuries tauschen können.

Technisch soll die Rettungsaktion über J.P. Morgan Chase abgewickelt werden. Sollten die Sicherheiten von Bear Stearns nicht ausreichen, trägt die Fed das Ausfallrisiko.

S&P stufte das Kredit-Rating von Bear Stearns umgehend um drei Stufen auf BBB ab und behält sich weitere Abstufungen vor. Das Institut ist der zweitgrößte Emittent von Hypotheken-basierten Anleihen. Zu Beginn der Hypothekenkrise im Sommer 2007 war der Anteil von “Giftmüll” bezogen auf die in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte mit 54,5 % am höchsten unter den großen Investmentbanken. Es folgen Lehman Brothers mit 53,3 %, Goldman Sachs (21 %), Meryll Lynch (17,8 %) und Morgan Stanley mit 8,3 %.

Die Kette reißt am schwächsten Glied – bei Bear Stearns. Kaum anzunehmen, dass nun auch schon das Gröbste überstanden ist. Ob mit der Fed-Aktion vom vergangenen Freitag die Insolvenz der Bank bereits verhindert ist, ist nicht ausgemacht. Die Fed hat aber offenbar befürchtet, dass weitere Dämme brechen und andere mitgerissen werden, wenn Bear Stearns nicht sofort geholfen wird. So begründete sie ihren Schritt denn auch damit, dass es um die Funktionsfähigkeit des gesamten Finanzsystems gehe.

Die Misere im Finanzsystem besteht längst nicht mehr „nur“ aus einem Liquiditätsrisiko, entscheidend ist das Solvenzrisiko. Aufgrund der extrem hohen Hebel im Finanz-, aber auch im Güterbereich ist das Risiko eines Dominoeffekts entsprechend hoch.

Nouriel Roubini rät in einem Interview mit FAZ dazu, Bear Stearns & Co zu verstaatlichen. Die Politik der Fed mit den TSLF-Auktionen laufe sowieso darauf hinaus, da wäre es besser, dies direkt zu tun. Er weist zum wiederholten Male darauf hin, dass sich die gegenwärtige Krise zu einer Kernschmelze des weltweiten Finanzsystems auswachsen könne. Gefragt, wer nach Bear Stearns der nächste sein könnte, sagte er: „Das Problem von Bear Stearns teilen mindestens noch ein paar Große.“ Und weiter: „Es wird teuer und ziemlich schlimm. Es geht nicht mehr ohne einen großen Eingriff.“

Ein wichtiger Baustein in diesem Szenario ist die Gefahr einer schweren und lang anhaltenden Rezession. Und das manifestiert sich immer weiter. So sind die Einzelhandelsumsätze in den USA zuletzt um 0,6 % nominal gefallen. Das Verhältnis zwischen Schulden zu Einkommen eines durchschnittlichen amerikanischen Konsumenten ist in den vergangenen sechs Jahren so stark gestiegen wie in den 39 Jahren zuvor – eine starke Beschleunigung, die eben auch zeigt, wie sehr der Verbraucher mit dem Rücken zur Wand steht.

Jetzt sagt auch Wirtschaftsprofessor Martin Feldstein, Präsident des National Bureau of Economic Research und Mitglied der Kommission, die für die Klassifizierung der Wirtschaftszyklen zuständig ist, dass die Wirtschaft in eine Rezession eingetreten ist. Mehr noch – sie könne die Schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg werden. Feldstein ist der erste der Zyklen-Kommission, der den gegenwärtigen Abschwung als Rezession einstuft. Die monetären Erleichterungen der Fed dürften nicht schnell genug wirken, was Feldstein z.T. dem Hauspreisverfall und dem Geschehen an den Kreditmärkten zuschreibt. Die beabsichtigten staatlichen Programme zur Stützung der Wirtschaft würden im zweiten Halbjahr wahrscheinlich nur eine Pause im weiteren Abschwung bewirken.

Am kommenden Dienstag gibt die Fed ihre Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Leitzinsen bekannt. Beobachter gehen davon aus, dass die Leitzinsen erneut um 0,5 bis 1,0 % zurückgenommen werden. Die CME Group Fed Watch taxierte die Wahrscheinlichkeit für einen Zinsschnitt um 0,75 % auf 48 %, den für einen um 1,0 % auf 52 %. Ob die Bullen an den Aktienmärkten das als Steilvorlage umsetzen können, ist längst nicht ausgemacht angesichts der hohen Unsicherheit und der sich allmählich durchsetzenden Erkenntnis, dass geldpolitische Instrumente in der gegenwärtigen Lage eher wenig ausrichten können.

Hinzu kommt noch der große Verfallstag am kommenden Donnerstag. Im Vorfeld ist die Positionierung in Indexoptionen in etwa so bärisch wie Ende Januar, als die erste bärische Bewegung in 2008 auslief. Bis zum Niveau von Anfang März und Mitte August 2007 fehlt noch ein Stück. Üblicherweise findet die Ausrichtung auf den Hexensabbat etwa eine Woche vor dem Termin statt, da bedarf es schon eines gewaltigen Impulses, damit sie sich vor dem Termin noch dreht.

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