Scholz: Schwerere Zeiten für die Bürger

Kanzler Scholz deutet in seiner heutigen Erklärung vor dem Bundestag schwerere Zeiten für die Bürger an. Worin die konkret bestehen sollen, blieb weitgehend im Dunkeln. Nur eines wurde klar: Die Preisbremsen bei Strom und Gas enden in diesem Jahr.

Ansonsten gab er sich staatsmännisch besorgt und wiederholte seine Phrase: „Wir lassen niemanden allein. You’ll never walk alone.“ Er versicherte, im Alltag der Bürger verändere das Urteil des Verfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Bundeshaushalts nichts. Weder bei der Rente, noch beim Kinder- oder Bürgergeld. Man weiß mittlerweile, was es mit solchen Versprechen auf sich hat.

Scholz räumte ein, dass das Karlsruher Urteil die Arbeit seiner Ampel-Koalition deutlich erschwert. Es schaffe eine neue Realität für alle gegenwärtigen und künftigen Regierungen. Deutschland stehe vor „Herausforderungen, wie unsere Republik sie in dieser Konzentration und Härte wohl noch nicht erlebt hat,“ so Scholz. Neue Realität?

Der Kanzler sah keinen Anlass für Selbstkritik hinsichtlich der vom Verfassungsgericht verworfenen Haushaltspraxis seiner Regierung. Das Urteil habe Klarheit geschaffen, so Scholz. Dieser Art Klarheit hätte es nicht bedurft. Dass die Verschiebung der auf Corona bezogenen Kreditermächtigungen in den Klimafonds gegen das Grundgesetz verstößt, dürfte den unmittelbar Beteiligten früh klar gewesen sein.

Um seine Ampel-Koalition im Herbst 2021 zusammenzuzimmern, musste der Finanzminister der Großen Koalition Scholz eine Finanz-Mitgift aus dem Hut zaubern. Eine der letzten Amtshandlungen der Regierung Merkel war im April 2021 ein Nachtragshaushalt, der weitere Kredite in Höhe von 60 Mrd. Euro für Pandemieausgaben vorsah. Covid war als Notlage deklariert worden, daher galt die Schuldenbremse der Verfassung nicht.

Wundersamerweise hat die Große Koalition das Geld aber nicht ausgegeben. Dieses Wunder sahen Scholz & Co einige Monate später als große Chance. Sie beschlossen, diese Kreditermächtigungen sachfremd in ihren neuen Klima- und Transformationsfonds (KTF) zu stecken. Das verstieß gegen das Grundgesetz, wie das BVG jetzt urteilte.

Das soll nun nachträglich „geheilt“ werden, indem rückwirkend eine erneute Notlage festgestellt wird, die ein nochmaliges Aussetzen der Schuldenbremse erlauben soll. Hierzu muss der Bundestag einen Beschluss fassen. Dazu reichen die Stimmen der Koalition aus.

Alleine die rückwirkende Feststellung einer Notlage ist schon abstrus – so als ob jemand feststellt, dass er schon seit vielen Monaten pleite ist ohne es zu merken. Ein Bemühen dieser Regierung, die mit ihrer Haushaltspolitik gegen die Verfassung verstossen hat und dafür keine Verantwortung übernimmt, die Verfassung in Zukunft geschickter zu umgehen?

Womit die Notlage begründet wird, ist noch nicht bekannt. Wahrscheinlich wird dazu der Ukraine-Krieg, bzw. dessen Folgen hinsichtlich Energieversorgung herhalten. Laut Artikel 115 des Grundgesetzes kann eine solche Notlage nur festgestellt werden „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen."

Aus den Reihen von CDU/CSU kam im Rahmen der heutigen Bundestags-Debatte über den Haushalt und die Regierungserklärung von Scholz eine zutreffende Feststellung: Es gibt keine Milliarden mehr, um die Unterschiede in der Ampel-Koalition zu kitten.

Und, ja, die Risse in der Ampel werden deutlicher: Die FDP-Basis sammelte blitzschnell genügend Unterschriften für eine Mitgliederbefragung hinsichtlich der Frage, ob die Partei die Koalition verlassen soll. Die Unzufriedenheit an der Basis der FDP wächst beständig, insbesondere seit dem katastrophalen Abschneiden bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern.

Die Panik bei den FDP-Oberen zeigt sich auch in der Forderung des stellvertretenden Vorsitzenden Kubicki nach einem Rücktritt des grünen Wirtschaftsministers Habeck. Nach dem BVG-Urteil fehle das Geld zur Förderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Daher müsse das Gesetz gestoppt werden oder Habeck müsse seinen Hut nehmen. Kubicki hatte im September im Bundestag für das GEG gestimmt.

Die FDP ist zwar das schwächste Glied in der Koalition. Aber auch bei den Grünen knirscht es. Deren Umfragewerte haben ein Fünfjahrestief erreicht. Vor deren Parteitag am zurückliegenden Wochenende lehnte es die Co-Vorsitzende Lang ab, das 60-Milliarden-Euro-Haushaltsloch mittels Einsparungen bei sozialen Projekten zu stopfen. Da Lang nicht nur für sich selbst spricht, zeigt das eine Strömung bei den Grünen, denen die Klimaziele im Zweifel weniger wichtig sind als soziale Aspekte.

Eine weitere mögliche Bruchstelle bei den Grünen liegt in der Frage der Zuwanderung. Die „Grüne Jugend“ macht sich dafür stark, die Grenzen auf jeden Fall offen zu halten und ist selbst gegen die läppischen Asylbeschränkungen der Scholz-Seite. Die Parteiführung konnte sich mit ihrem Leitantrag hinsichtlich der Ampel-Linie in dieser Beziehung zwar durchsetzen, aber der Konflikt bleibt.

Das zeigt, dass der traditionelle Widerspruch bei den Grünen weiter schwelt und nur durch das neue Machtbewusstsein infolge der Regierungs-Beteiligung zeitweilig in den Hintergrund getreten war. Es ist der Widerspruch zwischen den Fundamentalisten und den Realos, der immer wieder an unterschiedlichen Fragen aufflammt.

Das BVG-Urteil müsste nicht zwangsläufig zur Destabilisierung der Ampel führen. Dass es dennoch diese Folgen hat, ist auf die inneren Widersprüche zwischen den Koalitionären zurückzuführen. Die Vorgänge hier finden ihre Entsprechung in anderen Erscheinungsformen überall in der Welt, etwa im Ergebnis der Neuwahlen in den Niederlanden, in Argentinien und anderswo.

Letzten Endes geht es überall um die Frage, wie hoch die Klimaziele gehängt werden sollen gegenüber etwa sozialen Aspekten. Lange Jahre war man sich einig im totalitären Krieg gegen CO2. Dies bröckelt, wenn auch noch zögerlich. Nicht zu vergessen auch die Wendung der Klimaheiligen Thunberg, die kürzlich mit propalästinensischen Äußerungen ihre Jünger in Verzweiflung gestürzt hat. Ein weiteres Indiz ist, dass zunehmend Projekte der offshore-Windenergie nicht realisiert werden, weil sich deren Unwirtschaftlichkeit zeigt.

Das sind bisher zwar alles nur erste Indizien, aber der Schluss ist: Die Front der Klimahysteriker bekommt Risse. Das wird die Hintermänner dieser Politik auf den Plan rufen, man darf gespannt sein, was sie sich einfallen lassen.

In diesem Sinne wird die „2023 United Nations Climate Change Conference“ (COP28) spannend, die am 30. November beginnt und am 12. December enden soll. Sie findet statt in Dubai, Vereinigte Arabische Emirate. Die deutsche Delegation umfasst 250 Leute (m/w/d); da sie alle mit Kamelen anreisen, bleibt ihr CO2-Abdruck überschaubar. UN-Chef Guterres hat die Richtung vorgegeben: Nachdem er im Sommer bezüglich des Klimas vom globalen Kochen gesprochen hatte, sagt er kürzlich, wir hätten keine Zeit mehr.

Der Zielkonflikt zwischen dem Krieg gegen CO2 und sozialen Fragen bekommt seine Nahrung gerade durch die Dekarbonisierung der Energieerzeugung. Deren Wirkung führt über steigende Energiepreise und die damit einhergehende Deinstrialisierung zu breitem, anhaltenden Inflationsdruck. Hierdurch wird der von den Regierungen versprochene Sozialpakt gebrochen, der Konflikt zwischen arm und reich verschärft sich.
Es ist die historische Rolle der Sozialdemokratie, diesen flach zu halten. Dies gelingt immer nur eine gewisse Zeit, wie der Blick in die Geschichte zeigt. Das Bröckeln der Ampel ist aus meiner Sicht denn auch ein frühes Zeichen für einen generellen politischen Umbruch.

Ergänzung
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) kritisiert die Planlosigkeit der Ampel-Koalition nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts. (…) Auch die heutige Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag hat hierzu keine Antworten geliefert. (…) Einzige Reaktion auf das Urteil ist bisher ein Nachtragshaushalt für 2023. Dieser ist lediglich als große Korrekturbuchung konzipiert, um noch bis Jahresende zusätzlich rund 45 Milliarden Euro für längst getätigte Ausgaben zu legitimieren. „Am Ende des Jahres soll rückwirkend festgestellt werden, das am Anfang des Jahres eine Notlage vorlag: Eine zweifelhafte Finanzakrobatik“, stellt Holznagel fest. (…) Entscheidend für die Zukunft ist vor allem der Bundesetat für 2024 sowie die mittelfristige Finanzplanung. „Wer jetzt über Jahre hinweg die Dauer-Notlage erklären will, um noch mehr Schulden aufzutürmen, umgeht abermals die Verfassung“, sagt Holznagel (…) Der Staat hat kein Einnahmenproblem, sondern ein gravierendes Ausgabenproblem. 2024 muss der Bundeshaushalt deshalb im Rahmen der regulären Schuldenbremse finanziert werden! (…) Noch ist unklar, ob nur der Bundeshaushalt 2023 verfassungswidrig ist oder auch frühere Bundeshaushalte verfassungsrechtlich wanken. Diese Antwort bleibt die Regierung bisher schuldig. Der BdSt vermutet, dass alle Haushalte seit Mitte 2020 zumindest in Teilen verfassungswidrig waren. (Pressemitteilung)

Siehe auch: Haste mal ’n Euro?

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