China – eine Prognose für 2024

Während eines Großteils seiner modernen Geschichte blieb die chinesische Wirtschaft schwach. Das Land war durch Kriege, interne Instabilität und die Notwendigkeit, sich als Großmacht zu präsentieren, verarmt. Dies änderte sich erst um 1982 herum.

Das schreibt George Friedman in seinem „2024 Annual Forcast: China“. Drei Punkte sind aus seimer Sicht für 2024 wichtig: Die Wirtschaft wird sich weiter erholen, die inneren Widersprüche im Land und in der Regierunf nehmen zu, die Gefahr eines von China ausgehenden Krieges ist gering. Ich bringe nachfolgend eine bearbeitete Übersetzung.

In den frühen 1980er Jahren, so Friedman, steuerte das Regime die chinesische Wirtschaft von der Produktion für den heimischen Markt auf die Herstellung von Exportgütern um, vor allem für die USA, aber auch für andere Länder. China bemühte sich auch um ausländische Investitionen. Das Land war mehrere Jahrzehnte lang Exportweltmeister und Investitionsziel und schien kurz davor zu sein, die Welt zu beherrschen.

Dieser Prozess ist nicht nur an wirtschaftliche, sondern auch an politische Grenzen gestoßen. Die Städte und die Provinzen an der Küste wurden reich, während die ärmeren, unterentwickelten Regionen im Landesinneren auf der Strecke blieben. Im Jahr 2020 begann die Wirtschaft zu schwächeln, und bis 2022 beschleunigte sich diese Abschwächung. Etwa 40 Jahre nach dem Beginn seines Aufstiegs ging die chinesische Wirtschaft in den Versagensmodus über. Anmerkung: Friedman sieht in China denselben 40-Jahres-Zyklus wie z.B. in den USA und in Japan – siehe weiter unten!

Die chinesische Wirtschaft dürfte sich in diesem Jahr langsam von ihrem Einbruch erholen. China ist jedoch nach wie vor mit internen Spannungen sowohl in der Bevölkerung als auch im Regime konfrontiert. Die wirtschaftlichen Probleme des Landes haben zu erheblicher Instabilität geführt, so Friedman.

In allen Regionen Chinas besteht Investitionsbedarf, aber der Regierung fehlen die Mittel, um überall zu investieren. Das bewirkt Arbeitslosigkeit und Unternehmens-Insolvenzen und führt zu Unzufriedenheit in der Bevölkerung, sowie zu Versuchen der Regierung, die Frustration zu unterdrücken. Beispiele dafür hat es in China bereits gegeben, und es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklung im Jahr 2024 fortsetzen oder sogar noch beschleunigen wird – mit zunehmend repressiven Maßnahmen.

Die gleiche Art von Instabilität herrscht auch im Regime. Es hat bereits erhebliche Veränderungen in der Regierung gegeben. Der Präsident ist bestrebt, eine Struktur mit Loyalisten aufzubauen. Gleichzeitig sucht er auch hochqualifiziertes Personal, das in der Lage ist, das Land zu entwickeln. Loyalität und Kompetenz stehen jedoch häufig im Widerspruch zueinander. Es ist zu erwarten, dass sich der Personalwechsel im Jahr 2024 beschleunigen wird.

Friedman sieht für das angelaufene Jahr keine Militäraktion gegen die Vereinigten Staaten, und zwar aus demselben Grund, aus dem China in den vergangenen Jahren geblufft, aber einen Krieg vermieden hat. [Herr Friedman, wie sieht es denn mit einer von den USA ausgehenden Kriegsgefahr aus?]

Jede groß angelegte Militäroperation würde von der Marine abhängen, und jede Marineaktion gegen die Vereinigten Staaten bedeutet, dass sie mit einer großen Anzahl von Schiffsabwehrwaffen konfrontiert ist, die nicht nur vom Meer aus, sondern auch von Stützpunkten mit mehreren Verteidigungsschichten abgefeuert werden, so Friedman.

Angesichts der Qualität der weltraumgestützten Aufklärungsdienste der USA und der vielfältigen Verteidigungs- und Angriffsmöglichkeiten wäre ein chinesischer Sieg alles andere als sicher. Das chinesische Regime kann keine Niederlage riskieren, dies würde die Regierung delegitimieren.

Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 2024 werden für China ein gewisses Maß an wirtschaftlicher Erholung und die Bekämpfung von gesellschaftlichen Unruheherden sein. Die Wirtschaft dürfte stabil sein, sie wird im Jahr 2024 wachsen, aber nicht mehr so stark wie in der vorherigen Wachstumsperiode.

Friedman sieht Parallelen zu den USA und zu Japan und postuliert bei der Entstehung großer globaler Volkswirtschaften einen etwa 40 Jahre andauernden Zyklus.

Ein solcher wurde zuerst bei der Entstehung der Vereinigten Staaten beobachtet. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg waren die Vereinigten Staaten wirtschaftlich zerrüttet. Um 1890 begannen die USA, sich um Investitionen aus Europa zu bemühen und -was noch wichtiger war- nach Europa zu exportieren. Um 1910 produzierten und verkauften die Vereinigten Staaten etwa die Hälfte der weltweit hergestellten Produkte und exportierten sie hauptsächlich nach Europa. Dieser Prozess wurde um 1929 unterbrochen, was zur Großen Depression führte. Der Erste Weltkrieg hatte die Grundlage der europäischen Wirtschaft erschüttert, und Mitte der 1920er Jahre konnte Europa die amerikanische Produktion nicht mehr aufnehmen. So geriet die US-Wirtschaft vierzig Jahre nach Beginn des amerikanischen Aufschwungs in eine Krise.

Ein ähnlicher Prozess ist im Japan der Nachkriegszeit zu beobachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich die japanische Wirtschaft zu erholen, indem sie sich auf Industrieerzeugnisse konzentrierte, die hauptsächlich in die Vereinigten Staaten exportiert wurden. Etwa 40 Jahre später errichtete die von japanischen Produkten überflutete amerikanische Wirtschaft politische Barrieren für japanische Waren. Die japanische Wirtschaft taumelte und geriet um 1990 in eine tiefe Rezession, die viele als das verlorene Jahrzehnt bezeichnen.

Es ist wichtig, so Friedman, dass in den beiden Fällen USA und Japan der wirtschaftliche Prozess eng mit Krieg verbunden war. China ist zwar durch den Zweiten Weltkrieg und die japanische Besatzung wirtschaftlich gescheitert, aber sein Aufschwung in den 1980er Jahren war nicht mit einem Krieg verknüpft.

Über den Autor: George Friedman von Geopolitical Futures ist ein gut vernetzter US-amerikanischer Analytiker der Weltpolitik. Zweifel an der Rolle der USA fechten ihn nicht an. Seine Analysen sind gewöhnlich kenntnisreich und durchdacht. Friedman beschreibt seine analytische Sichtweise so: „Ich sehe die Menschen als Gefangene der geopolitischen Realitäten und habe mir zum Ziel gesetzt, diese Realitäten zu verstehen, ohne zu glauben, dass dies durch das Verständnis der Seele eines Führers beeinflusst werden kann.“ (Siehe hier!)

Ergänzung
Die chinesische Wirtschaft wuchs im dritten Quartal 2023 im Jahresvergleich um 4,9% und übertraf damit die Marktprognosen von 4,4%. Dies nährt die Hoffnung, dass das offizielle Jahresziel von rund 5% in diesem Jahr erreicht wird, da die Impulse aus Peking die Auswirkungen der anhaltenden Immobilienkrise und des schwachen Handels ausgleichen. Das BIP des Landes wuchs im zweiten Quartal um 6,3% von einer niedrigen Vergleichsbasis in 2022 aus, als Shanghai und andere Großstädte unter strengen Lockdown-Maßnahmen standen.

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Im September 2023 stiegen die Einzelhandelsumsätze zum neunten Mal in Folge und so stark wie seit vier Monaten nicht mehr. Das Wachstum der Industrieproduktion blieb auf dem höchsten Stand seit April. Unterdessen sank die Arbeitslosenquote auf einen 22-Monats-Tiefstand von 5%, während die Anlageinvestitionen in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 weiter zunahmen. In den ersten 9 Monaten des Jahres 2023 wuchs die Wirtschaft um 5,2%. In 2022 wuchs das BIP um 3%.

Der obige Chart zeigt klar: Das chinesische Wachstum beschleunigte sich etwa zeitgleich mit der Krise in Japan Anfang der 1990-er Jahre (siehe oben!). Genauso deutlich ist, dass sich das BIP-Wachstum kontinuierlich abschwächt. Viel spricht dafür, dass darauf aufbauend die geschilderten Probleme zunehmen werden. Das wird die Gefahr kriegerischer Aktionen wachsen lassen – etwa in Richtung Taiwan, dem die USA militärischen Beistand zugesichert haben.

Nachtrag
(13.1.24) Der chinesische Verbraucherpreisindex ist im Dezember gegenüber dem Vorjahr um 0,3% gesunken, während die Erzeugerpreise um 2,7% fielen. Auch wenn die Rückgänge etwas geringer ausfielen als im November, machen die Daten den politischen Entscheidungsträgern zu schaffen, die versuchen, die Wirtschaft nicht ins Stocken geraten zu lassen. Die Exporte verzeichneten im Dezember einen leichten Aufschwung und stiegen um 2,3%, was über den Prognosen von 2,1% lag.

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