Die neue Achse des Bösen?

Israel hat am Wochenende mit der Bodenoffensive in Gaza begonnen. Sie wird offiziell nicht so genannt, aber Bodentruppen sind in den Gaza-Streifen einmarschiert und bleiben dort. Damit spitzt sich die Lage der von der Hamas am 7. Oktober genommenen Geiseln dramatisch zu. Wie ist die geopolitische Lage im Nahen Osten zu beurteilen?

Aus US-Sicht gibt es eine neue „Achse des Bösen", sie umfasst Russland, China und den Iran. Das ist der Tenor in der Analyse von Pepe Escobar zum Hintergrund des Konflikts zwischen Israel und der palästinensischen Hamas. Nachfolgend gebe ich Inhalte seines Artikels „Iran-Russia set a western trap in Palestine“ in einer freien und gekürzten Übersetzung wider.

China und der Iran sind durch eine umfassende strategische Partnerschaft verbunden. Der chinesische Premierminister Li Qiang bekräftigte das für chinesische Verhältnisse ungewöhnlich unverblümt: „China wird den Iran bei der Wahrung seiner nationalen Souveränität, seiner territorialen Integrität und seiner nationalen Würde weiterhin nachdrücklich unterstützen und sich jeder Einmischung externer Kräfte in die inneren Angelegenheiten des Irans entschieden widersetzen."

Unterdessen hat der russische Ministerpräsident Michail Mischustin bei einem Treffen mit dem Ersten Vizepräsidenten des Iran, Mohammad Mokhber, die strategische Partnerschaft zwischen Russland und dem Iran bekräftigt.

Die libanesische Widerstandsbewegung Hisbollah unterstützt den palästinensischen Widerstand insgesamt, auch wenn sie vor einiger Zeit mit der Hamas in Syrien aneinander geriet. Die Hamas wird zwar teilweise vom Iran finanziert, aber nicht vom Iran geführt. Die palästinensischen Widerstandsgruppen treffen ihre eigenen Entscheidungen, so Escobar.

Sowohl die Hamas als auch der Palästinensische Islamische Dschihad (PIJ) reisten in der zurückliegenden Woche in den Libanon, um Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah persönlich zu besuchen. Das zeugt von Einigkeit in der Sache.

Noch aufschlussreicher war der Besuch der Hamas in Moskau in der zurückliegenden Woche. Die Hamas-Delegation wurde von einem Mitglied des Politbüros, Abu Marzouk, angeführt. Der stellvertretende iranische Außenminister Ali Bagheri reiste eigens aus Teheran an und traf sich mit zwei der wichtigsten Stellvertreter des russischen Außenministers Lawrow, Sergej Rjabkow und Michail Galuzin.

Das bedeutet, dass Hamas, Iran und Russland an einem Tisch verhandeln, so Escobar. Die Hamas hat die Millionen von Palästinensern in der Diaspora sowie die gesamte arabische Welt und alle Länder des Islam aufgerufen, sich zu vereinen.

Hinzu kommt die bahnbrechende, von Russland und China vermittelte Annäherung zwischen den „Erzfeinden“ Iran und Saudi-Arabien, die Anfang dieses Jahres zustande kam.

Langsam aber sicher lässt sich ein Muster erkennen, so Escobar: Könnte es sein, dass die arabische Welt -und große Teile des Islams- kurz davor stehen, sich zusammenzuschließen, um ihr „Jahrhundert der Demütigung" zu rächen?

Das Herzstück einer jeden russisch-iranischen Strategie ist die Straße von Hormuz, durch die mindestens 20% des weltweiten Erdöls (fast 17 Millionen Barrel pro Tag) und 18 Prozent des verflüssigten Erdgases (LNG) transportiert werden, was mindestens 3,5 Milliarden Kubikfuß pro Tag ausmacht (siehe hier!).

Der Iran ist in der Lage, die Straße von Hormuz im Handumdrehen zu blockieren. Das wäre zunächst einmal eine Art Vergeltung für Israel, das sich illegal das gesamte vor der Küste des Gazastreifens entdeckte, milliardenschwere Erdgas aneignen will (siehe hier!).

Wenn es hart auf hart kommt, so Escobar, weit über die palästinensische Frage hinaus in einem Szenario eines ausufernden totalen Krieges: Nicht nur Russland und der Iran, sondern auch Schlüsselakteure der arabischen Welt, die bald Mitglieder der BRICS-11 sind, wie Saudi-Arabien und die VAE, haben das Zeug dazu, das 600 Bill. Dollar an Derivaten umfassende US-Finanzsystem zu Fall zu bringen. Wie? Indem sie das Öl abstellen, so Escobar. Sie müssten nicht einen einzigen Schuss abfeuern.

Der irakische Premierminister Mohammed Shia al-Sudani hat bereits davor gewarnt, dass die Öllieferungen an die westlichen Märkte wegen der israelischen Taten in Gaza gestoppt werden könnten. Auch der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian hat offiziell ein vollständiges Öl- und Gasembargo der islamischen Länder gegen Länder -im Wesentlichen NATO-Mitglieder- gefordert, die Israel unterstützen.

Bisher hat die Hisbollah Zurückhaltung geübt und auf die US-Luftangriffe von vor einigen Tagen auf angeblich mit dem Iran verbundene Kämpfer und Einrichtungen im Osten Syriens nicht direkt reagiert. Laut US-Verteidigungsminister Austin waren zwei Einrichtungen im Osten Syriens das Ziel, die vom Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und mit ihm verbundenen Gruppen genutzt werden (siehe hier!).

Aktuell drohen die US-Neokonservativen, die immer noch im Hintergrund die Strippen ziehen: Sollte die Hisbollah Israel mit etwas anderem als ein paar spärlichen Raketen angreifen, wird der russische Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in Latakia als „Warnung" für den Iran „eliminiert". Letztlich geht es ihnen darum, so Escobar, einen Anlass zu schaffen, um kritische Infrastrukturen im Iran zu bombardieren.

Ein iranischer Vergeltungsschlag könnte jede einzelne US-Basis im Irak und in Syrien treffen, außerdem befinden sich mindestens 1.000 US-Soldaten in Nordsyrien – auch das wäre ein sofortiges Ziel. Ali Fadavi, der stellvertretende Oberbefehlshaber der IRGC, warnt: „Wir haben Technologien im militärischen Bereich, die niemand kennt, und die Amerikaner werden davon erfahren, wenn wir sie einsetzen." Es geht u.a. um iranische Hyperschallraketen vom Typ Fattah -Cousins der Khinzal (russische ballistische Hyperschall-Luft-Boden-Rakete) und der DF-27 (chinesische ballistische Langstreckenrakete)-, die mit Mach 15 fliegen und jedes Ziel in Israel in 400 Sekunden erreichen können.

Derzeit operiert die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China extrem vorsichtig. Nach außen hin besteht ihre gemeinsame offizielle Position darin, sich weder auf die Seite Palästinas noch auf die Israels zu stellen, einen Waffenstillstand aus humanitären Gründen zu fordern, eine Zwei-Staaten-Lösung anzustreben und das Völkerrecht zu achten. Alle ihre Initiativen in der UNO wurden von den USA und ihren Vasallen ordnungsgemäß sabotiert.

Bisher hatte Washington der israelischen Bodeninvasion in Gaza kein grünes Licht gegeben. Der Hauptgrund dafür, so Escobar, ist die unmittelbare Priorität der USA: Zeit gewinnen, um den Krieg auf Syrien auszudehnen, das „beschuldigt" wird, der Hauptumschlagplatz für iranische Waffen an die Hisbollah zu sein.

Wenn Israel nun in den Gazastreifen einmarschiert – wird die arabische Welt das trotz ihrer massiven inneren Widersprüche hinnehmen? Die US-Regierung spielt weiter auf Zeit – Präsident Biden hat Israels Premierminister Netanjahu am Wochenende dringend aufgefordert, die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen zu schützen und die humanitäre Hilfe massiv auszuweiten.


Man darf den historischen Kontext nicht negieren und die Geschichte von Israel und den Palästinensern erst am 7. Oktober beginnen lassen. So wie das momentan Usus ist. In diesem Sinne haben in diesem Konflikt im Nahen Osten beide Seiten über viele Jahrzehnte immer wieder gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen. Es geht nur so, dass sich die Parteien an einen Tisch setzen und verhandeln.

Ergänzung
Warum der neue Nahostkrieg zum entscheidenden Test für die USA wird – „In der Ukraine, im Indopazifik und nun auch in Nahost wird ihre Autorität getestet, auch wenn US-Soldaten bisher nicht direkt in Kampfhandlungen verwickelt sind. Dieser Test trifft Amerika zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Denn das Land leidet – und es leidet nicht zuerst an Putin, Xi Jinping und der Hamas, sondern an sich selbst. Ohne jede Fremdeinwirkung schwindet Amerikas Strahlkraft. Die USA erleben nicht etwa einen militärischen oder ökonomischen Niedergang, sondern einen moralisch-kulturellen Verfall ihrer Weltmachtposition."

Das könnte Sie auch interessieren:

Bewertung: 5.0/5
Please wait...
blank
Schlagwörter: , , ,