Russland ist ein großes Land mit einer relativ kleinen Wirtschaft. In Bezug auf das BIP liegt es in etwa auf einer Höhe mit Brasilien, Australien und Spanien. Aber als einer der Spitzen-Energie-Lieferanten spielt das Land eine wesentlich größere Rolle.
Ein paar ökonomische Daten zu Russland im Vergleich zu Australien (ebenfalls stark Rohstoff-orientiert), Deutschland und den USA:
Die Wirtschaftssanktionen treffen das Land, bzw. wie bei allen solchen Sanktionen v.a. die normalen Bevölkerungsschichten. Die haben ohnehin schon mit einer deutlichen Teuerungsrate bei der Grundversorgung zu kämpfen.
Andere Länder betreffen die gegen Russland verhängten Sanktionen ebenfalls, entweder durch die unmittelbaren Auswirkungen der Sanktionen oder durch die russischen Reaktionen. Russland zählte bisher zu den 15 größten Handelspartnern Deutschlands. Deutschland hat 2021 Waren und Dienstleistungen im Wert von 26 Mrd. Euro nach Russland exportiert, 1,9% Prozent der gesamten Ausfuhren. Für Russland hat Deutschland größere wirtschaftliche Bedeutung, die Bundesrepublik ist nach China ist der wichtigste Handelspartner (siehe den Chart unten!).
Deutschland steht besonders im Feuer, die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland ist sehr hoch. Deutschland bezieht fast 50% des Erdgases aus Russland – siehe den Chart unten! Die Merkel-Regierung hat Deutschland in eine besonders missliche Lage gebracht. Aber wenn Russland den Gashahn zudrehen sollte, liefern uns unsere US-Freunde ja Ersatz. Kein Problem! Oder doch?
Eine Million „British Thermal Units“ (MMBtu) flüssiges Erdgas kosten in den USA knapp fünf Dollar, in Europa wird es für etwa 29 Dollar verkauft. Ein recht gutes Geschäft. Da müssten die USA doch daran interessiert sein, dass die Lieferungen aus Russland ausbleiben… Es wird immer deutlicher, dass die europäischen Staaten die großen Verlierer der Eskalation in der Ukraine sind.
Mit den Sanktionen der USA und der EU sind etwa 300 Mrd. Dollar an Reserven der russischen Zentralbank auf Konten westlicher Institute eingefroren. Das ist etwa die Hälfte der gesamten Summe von 630 Mrd. Dollar. Beobachter äußern die Vermutung, dass der Westen mit seinen finanziellen Maßnahmen darauf abzielt, Bank-Runs innerhalb Russlands auszulösen, um das russische Finanzsystem von innen heraus zu zerstören.
Europäische Banken stehen vor der Frage, ob ein russischer Schuldner seinen Schuldendienst weiterführt. Banken sind normalerweise hoch gehebelt, da kann schon der Ausfall relativ kleiner Beträge zu einem Domino-Effekt in der eng verzahnten Banken-Landschaft führen.
Die erhöhte Unsicherheit hinsichtlich der Einschätzung des Geschäftspartners im Bankenwesen, aber auch in Branchen der Realwirtschaft wird dazu führen, dass mehr und bessere Sicherheiten verlangt werden. Wo werden diese herkommen?
Die neue Lage wird dazu führen, dass Zentralbanken insgesamt ihre Reserven räumlich näher bei sich halten. China geht diesen Weg schon einige Zeit, das Land wird nun beschleunigt Alternativen zum Dollar-basierten Welt-Finanzsystem aufbauen.
Mit den jetzt verhängten Sanktionen könnte das Ende der Rolle des Dollar als Reservewährung langsam näherrücken. Die neue Erkenntnis, dass Reserven kassiert oder zumindest blockiert werden können, wenn man sich nicht an die Regeln der USA hält, wird dazu führen, dass die Länder mehr Geschäfte in eigener Währung machen, anstatt über den Dollar zu gehen. Das verstärkt letztlich auch die Tendenz zur Deglobalisierung.
Wenn der Dollar weniger nachgefragt wird, wird über die schwächer werdende Währung die Inflation in den USA zunehmen. Dann wird die Fed gezwungen, den Leitzins eher früher als später hochzusetzen, zumindest wird das eine Tendenz in diese Richtung bringen. Steigende Zinsen sind jedoch in einer so hoch verschuldeten Wirtschaft wie in den USA eine zusätzliche Bremse für das Wachstum. Beides erschwert den Schuldendienst.
Ein nachhaltig sinkender Dollar wertet die in Dollar gehaltenen Währungsreserven anderer Länder ab. Eine steigende Verzinsung wird diesen Verlust nicht wettmachen können. Auch daraus ergibt sich die Motivation fremder Länder, sich um Alternativen zu kümmern. Das schwächt den Dollar weiter. Die USA braucht aber einen beständigen Zufluss an internationalem Kapital, damit ihr Leistungsbilanzdefizit finanziert wird. Die Mechanismen und Konsequenzen sind im einzelnen hier dargestellt.
Momentan zeigt der Dollar deutliche Stärke. Das mag damit zu tun haben, dass der Bedarf nach safe-haven Assets (Dollar-Währungsreserven?) groß ist oder dass immer noch auf einen großen Zinsschritt der Fed im März gewettet wird. Auffällig ist jedenfalls, dass der normale Rhythmus im Währungspaar Euro/Dollar mit Auf- und Abwärtsphasen von jeweils acht/neun Jahren Länge gestört ist (Chartquelle).
Das Währungsverhältnis bewegt sich seit den frühen 1980er Jahren in einem Aufwärtskanal mit Wendepunkten an kritischen Stationen der US- oder Weltwirtschaft. So sehen wir Wenden in den Jahren 1990/1991 (US-Rezession), dann Anfang der 2000er Jahre (dotcom-Blase platzt, Rezession), dann 2008 (Finanzkrise).
2016/2017 war das langfristige zyklische Verhalten von Euro/Dollar noch intakt. Euro/Dollar begann zu steigen. Mit der Wahl von Trump zum US-Präsidenten keimte die Erwartung auf, China werde sich den Forderungen der USA beugen und dem US-Kapital in China mehr Bewegungsspielraum geben. Dazu kam es nicht, und so fiel das Währungspaar im Februar 2018 wieder zurück (entgegen dem langfristigen Muster). Die Corona-Maßnahmen beflügelten ab März 2020 Wetten auf eine starke ökonomische Erholung und ließen den Dollar „ausschwärmen“. Im Mai 2021 spätestens wurde klar, dass diese Erwartung nicht länger trägt. Also baute der Dollar erneut Stärke auf, bedingt durch Rückzugsbewegungen in die USA und durch stärkeren Bedarf ausländischer Zentralbanken an Währungsreserven (Sicherheiten?). Wenn das Ziel der aktuellen Bewegung des Währungspaares erneut die untere Kanalgrenze ist, dürfte diese etwa bis zur Jahresmitte anhalten.
Wenn ein solches langfristiges Muster inbesondere bei so wichtigen Größen wie dem Verhältnis von Euro und Dollar gestört ist, ändert sich etwas Gravierendes. Das wird unterstrichen durch die gleichzeitige Stärke von Gold. Normalerweise wird der Goldpreis in Zeiten steigenden Dollarwerts eher gedrückt.
Was ändert sich? Die Stichworte hatte ich gegeben: Das Weltfinanzsystem beginnt, sich neu zu ordnen, die Tendenz zur Deglobalisierung wird sich verstärken. Über allem steht die wirtschaftliche Schwäche der USA und die nach den Fehlschlägen der Expansion des US-Kapitals in Russland und China immer rigideren Maßnahmen, um ihr Imperium zusammenzuhalten. Dazu zählt eben auch das Treiben um die Pipeline Nord Strema 2. Der US-Geostratege George Friedman sagte einmal, es sei gut für die USA, wenn sich das Blut der Deutschen und der Russen auf dem Schlachtfeld mischt.
Die meisten der von den USA ergriffenen Maßnahmen dürften sich als Boomerang gegen sie wenden und könnten z.B. dazu führen, dass sich Russland und China annähern (siehe den Chart weiter unten!). Die durch den Ukraine-Konflikt explodierenden Energiepreise sind ein wichtiger Teil davon, die Verbündeten an sich zu ketten. Die Frage ist, wie lange die es sich gefallen lassen, die Hauptlast der Stützung des Dollar-zentrierten Finanzsystems zu tragen.
Das Wachstum der USA verliert an Tempo, wie der folgende Chart zeigt.
Die Makroindikatoren befinden sich zwar noch im Expansionsbereich, die Stimmungsindikatoren belasten jedoch wie der regelmäßig auf der Startseite aktualisierte Chart "Makrolage und Rezessions-Wahrscheinlichkeit" zeigt.
Industrielle wie agrarische Rohstoffe verteuern sich rasant.
Russland und die Ukraine bestreiten ein Viertel des globalen Weizenhandels. Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass hier Hunger droht im ärmeren Teil der Welt.
Industrierohstoffe, die im CRB-Index enthalten sind, sind in der zurückliegenden Woche explodiert. Und sie dürften innerhalb der nächsten sechs Wochen noch weiter steigen, wie der folgende Prognoseschart nahe legt.
Die Wirtschaft der USA, der Leithammel des westlichen Hemisphäre, ist in besonderem Maße vulnerabel. Die hohe Staatsverschuldung in Kombination mit einem notorischen Leistungsbilanzbedizit macht das Land immer abhängiger davon, dass seine Staatsanleihen als Währungsreserven gesucht sind.
Die Fed muss über ihre Geldpolitik dafür sorgen, dass der Dollar attraktiv bleibt. Das erleichtert es zugleich, die Inflation in Schach zu halten. Allerdings verschärft es das Schuldenproblem und bremst das wirtschaftliche Wachstum.
Positiv für die USA: Die stark gestiegenen Weltmarktpreise für Energiestoffe tangieren die USA weniger als z.B. Deutschland, weil sie einen höheren Anteil eigener Produktion haben. Bei Nahrungsmitteln, etwa Getreide, dürfte es ähnlich sein. Und positiv natürlich auch für die USA – am Flüssiggas kann man sich nun mehrere goldene Nasen verdienen.
In dieser Situation wandert die Fed auf einem besonders steilen, schmalen Grat. Die nächste FOMC-Sitzung Mitte März ist von enormer Bedeutung.
[Unter Verwendung von Material, auch Charts, aus: "Change squared"]
Ergänzung:
China steigt zu Russlands wichtigstem Handelspartner auf (Chartquelle).
So abhängig ist Europa vom Gas aus Russland (Chartquelle).
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