Änderung des IfSG verfassungswidrig

Grassierende Epidemien werden als existentielle Bedrohung wahrgenommen. Das verursacht Angst. Manchmal genügt es auch, wenn das Getrommel der Medien die Realität ersetzt.

Angst ist nicht per se schlecht. Sie kann ein automatisches Verhalten triggern, mit dem man Gefahren begegnen kann. Wenn man darauf angewiesen wäre, eine unmittelbar gefährliche Situation immer erst analysieren zu müssen, bevor man handeln kann, kann es zu spät sein. In „Schnelles Denken, langsames Denken“ zeigt Daniel Kahnemann auf, dass solches schnelle Denken aus frühen Entwicklungsstufen des Menschen überkommen ist. Oft genug aber sind die Schlüsse aus diesem Prozess menschlichen Denkens falsch, sie folgen bestimmten groben Mustern, die häufig nicht zur konkreten Situation passen.

Je weniger greifbar der Anlass der Angst ist, bzw. je weniger er dem zweiten Denksystem von Kahnemann, dem langsamen, analytischen Denken, zugänglich ist, je weniger man ihn also versteht, desto „irrationaler“ werden die Reaktionen. Ab einem bestimmten Punkt tritt asoziales, gegen die Gesellschaft als Ganzes oder gegen einzelne Gruppen gerichtetes Verhalten in den Vordergrund.

So verstand man im Mittelalter die Ursache für den Ausbruch der Pest nicht, sie wurde z.B. den Juden, auch den Hexen zugeschrieben. Erst Mikrobiologen wie Robert Koch haben die Rolle von Erregern beim Entstehen einer Krankheit erkannt. Sein Name wird heute durch das Robert-Koch-Institut verhunzt.

Angst macht unsicher, macht empfänglich für Irrglauben und Trugschlüsse. Hass, Mord und Totschlag können folgen. Die Angststarre machen sich Machtgruppen in einer Gesellschaft zunutze. Das gilt damals genauso wie heute, wie die Corona-Panik zeigt. Dabei lassen diese Gruppen dann gerne, wie früher auch, zivilisatorische Errungenschaften über Bord gehen. Zu denen gehört die Gewaltenteilung, das Rechtssystem und seine Basis, die Verfassung.

So beschloss der Bundestag am 27. März 2020 nach kurzer Diskussion mit einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes die Zentralisierung von Notstandsbefugnissen, schreibt Rechtsanwalt Strate. Künftig stellt der Deutsche Bundestag „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest“, verbunden mit einer umfassenden Verordnungsermächtigung an das Bundesministerium für Gesundheit. Das Gesetz sieht keine Befristung der Feststellung über die „epidemische Lage“ vor. Der Bundestag hat die Feststellung wieder aufzuheben, „wenn die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr gegeben sind.“ So das Gesetz.

Zwar hat der Bundestag beschlossen, dass die Verordnungsermächtigung an das Bundesgesundheits-Ministerium mit Wirkung zum 1. April 2021 entfallen soll. Diese vorläufige Jahresfrist kann nicht beruhigen angesichts der in dieser Zeit möglichen tiefgreifenden Grundrechts-Beschränkungen, so Strate.

Die Ermächtigung des Gesundheitsministeriums, nach Gutdünken und ohne Zustimmung des Bundesrats per Rechtsverordnung über Ausnahmeregelungen zu befinden, ist offenkundig verfassungswidrig, schreibt Strate weiter. Obwohl Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes für derartige Fälle vorsieht, dass „Inhalt, Zweck und Ausmaß“ der Ermächtigung im Gesetz zu bestimmen seien, finden sich hierzu nur wenige allgemeine Festlegungen. Zum Ausmaß der möglichen Ausnahmeregelungen schweigt sich das novellierte Gesetz sogar komplett aus. Damit handelt es sich um einen Gutsherrenparagraphen, der dem Gesundheitsminister anheimstellt, die Zügel nach eigenem Willen zu lockern oder anzuziehen, schreibt Strate.

Der jetzige Amtsinhaber hat eine lange Liste autoritärer Träume, so Strate. Bankkaufmann Spahn hat bereits die Masernzwangsimpfung eingeführt, die de facto eine Zwangsimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln ist, weil es den Impfstoff nicht separat gibt. Sein Vorstoß nach einer Automatisierung der Organspende in Fällen fehlenden Widerspruchs wurde erst im Bundestag gestoppt. Gegen die durch das Bundesverfassungsgericht angeordnete Liberalisierung der Sterbehilfe mauert er weiterhin und verweigert die Freigabe der nötigen Medikamente. Auch will er als autoritärer Kümmerer die sogenannte „Pille danach“ weiterhin rezeptpflichtig halten.

Die Bekämpfung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ ist ein Zweck, der jedes Mittel heiligt und autoritären Charakteren eine unbegrenzte Spielwiese bietet, so Strate.

Wie sehr Regierende versucht sind, die allgemeine Angst als Lenkungsinstrument einzusetzen, zeigt eine Meldung des ORF. Demnach könnte die österreichische Regierung die Angst vor Corona bewusst verstärkt haben. Ein internes Protokoll fasst die Aussage des österreichischen Bundeskanzlers folgendermaßen zusammen: „Kurz verdeutlicht, dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen bzw. Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben. Hingegen sei die Angst vor der Lebensmittelknappheit, Stromausfälle etc. der Bevölkerung zu nehmen.“ (Siehe auch hier!)

Im Umgang mit der Epidemie, die nie eine war, wird deutlich, dass sich die herrschenden Politiker längst vom Ideal des mündigen Bürgers verabschiedet haben. Für sie ist er Manipulationsmasse, die man nach Belieben per Angst hin und her schieben kann. Und wenn dann die Forderung immer lauter wird nach einem Ausstiegsszenario aus einem niemals erforderlichen Lockdown, dann verbittet sich Frau Alternativlos-Merkel solche „Öffnungsdiskussionsorgien“. Was so abgetan wird, ist in Wahrheit eine demokratische Notwendigkeit, die den Rechtsstaat vor der weiteren Aushöhlung bewahrt, so Strate.

Strate ruft auf: „Lassen wir uns nicht zu reinen Objekten staatlichen Handelns degradieren, die sich mit Angstszenarien, Überwachungsapps und polizeilichen Drohnen über städtischen Parkanlagen in jede gewünschte Richtung dirigieren lassen. Widerstehen wir der Furcht, ohne individuell unvorsichtig zu werden, aber erteilen wir den Bevormundungen des Nannystaats eine Absage, ehe der Rechtsstaat Geschichte ist.“

Wer ist Gerhard Strate?
Gerhard Strate ist seit fast 40 Jahren als Rechtsanwalt tätig und gilt als einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger. Er ist seit 2007 Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Strate wurde 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock die Ehrendoktorwürde verliehen.

Nachtrag:
(3.5.20) Es sind umfangreiche weitere Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geplant, die erstens auf eine Impfpflicht hinauslaufen und zweitens weitere erhebliche Einschränkungen von im Grundgesetz verankerten Rechten mit sich bringen. Selbst der Grundsatz der Unverletztlichkeit der eigenen Wohnung kann ausgehebelt werden, einschließlich der Möglichkeit, „Infizierte“ zwangsweise aus dieser zu entfernen. Es gibt hierzu eine Petition, die bisher über 220.000 Personen unterzeichnet haben.

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