Japan – glückliches Ende der 30-jährigen Krise?

In den 1980er Jahren war Japan ein wirtschaftlicher Moloch. Die kaiserlichen Gärten waren theoretisch mehr wert als Kalifornien. Tokioter Immobilien waren mehr wert als die gesamten USA? Diese Ära endete, wie so oft, ziemlich übel, aber was danach kam, war noch interessanter.

Das schreibt John Mauldin in „Going Bang!“ Nachfolgend bringe ich die leicht überarbeitete Übersetzung des Teils seines Newsletters, der Japan betrifft.

In den 1990er und frühen 2000er Jahren versuchten die verschiedenen japanischen Regierungen und Zentralbanker alles Erdenkliche, um das Wachstum anzukurbeln. Nichts funktionierte. Die Staatsverschuldung wuchs in erstaunliche Dimensionen. Schon vor der Rezession von 2008 näherte sich Japans Schuldenquote einem Wert von 200% des BIP. Ein Jahrzehnt später lag sie bei über 250%. Das ist mehr als das Doppelte des entsprechenden US-Wertes.

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Im Jahr 2012 versuchte die Bank von Japan, was in jedem Lehrbuch (und bei Rogoff und Reinhart) als töricht bezeichnet wird: die Monetarisierung der Staatsschulden. Das führt immer zu Inflation, aber Japan wollte Inflation. Ständig fallende Preise hatten zu wirtschaftlicher Stagnation geführt.

Die Bank von Japan kaufte alle Anleihen, die sie bekommen konnte, und auch Aktien, während sie die Zinssätze bei Null oder darunter hielt. Nicht nur vorübergehend, sondern über Jahre hinweg. Und jahrelang schien es nicht zu funktionieren, was die Schaffung von Inflation anging. Aber es ermöglichte massive Staatsdefizite, die die BOJ kaufte. Der Haupteffekt war, dass die BOJ-Bilanz in stratosphärische Höhen getrieben wurde.

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In diesen beiden Diagrammen fällt auf: Sowohl die Schuldenlast als auch die BOJ-Bilanz scheinen sich in den zurückliegenden Jahren zu stabilisieren. Sie sind immer noch unglaublich hoch, aber sie wachsen nicht mehr so schnell. Was ist passiert?

Es hat den Anschein, dass die Kombination aus Problemen in der COVID-Lieferkette und Energieunterbrechungen durch den Ukraine-Krieg genau das bewirkt hat, was Japan wollte: Inflation. Hier ist der japanische VPI-Index für die letzten 30 Jahre. Es handelt sich um den Rohindex, nicht um die jährliche Veränderung, so dass Sie genau sehen können, wo der Anstieg stattgefunden hat.

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Das ist immer noch weniger Inflation als es in den USA seit 2022 gab, bzw. gibt. Steigende Inputpreise haben die japanischen Unternehmen gezwungen, ihre Preise zu erhöhen, was sich viele zuvor nicht getraut haben. Diese höheren Preise in Verbindung mit einem ernsthaften Arbeitskräftemangel lassen auch die Löhne steigen und stimulieren das Verbrauchervertrauen. Es ist noch früh, aber es sieht langsam wie der vielbeschworene positive Kreislauf aus.

Ein politischer Sieg? Das glaube ich nicht, sagt Mauldin. Mir scheint es eher ein Glücksfall zu sein. Die Pandemie und ein weit entfernter Krieg haben genau die Bedingungen geschaffen, die Japan brauchte.

Man könnte versucht sein, nach Japan zu schauen und zu denken, dass die USA mit ihrer weitaus größeren Macht und ihren Ressourcen einen ähnlich sicheren Ausstieg schaffen können. Aber in diesem Fall sind die Chancen gering, sagt Mauldin.

Die USA sind nicht Japan. Zunächst einmal haben die USA ein großes, strukturelles Handels- und Leistungsbilanzdefizit. In Japan ist das Gegenteil der Fall. Das bedeutet, dass eine Japan-ähnliche Politik hier einen viel größeren Effekt auf den Dollar hätte als die BOJ auf den Yen. In ähnlicher Weise sind die USA ein Netto-Schuldnerland. Das ist kein Zufall, es ist die Kehrseite des Handelsdefizits und des Petrodollar-Systems. Japan hingegen ist ein Nettogläubiger und schickt einen Großteil seiner enormen inländischen Ersparnisse ins Ausland [via Carry-Trade-Krediten].

Auch bei den Staatsausgaben sieht es in Japan anders aus. Zwar sind die Verteidigungsausgaben in letzter Zeit gestiegen, aber sie sind immer noch viel geringer als in den USA. Dasselbe gilt für das Gesundheitswesen, obwohl Japans Bevölkerung schnell altert. In den vergangenen zehn Jahren bewegten sich die jährlichen Defizite zwischen 3,4% des BIP und 8,7% im COVID-Notstand von 2020. In finanzieller Hinsicht ist Japans irrwitzige Schuldenquote damit eher auf ein stagnierendes BIP zurückzuführen als auf außer Kontrolle geratene Ausgaben (obwohl es auch das gibt).

Vielleicht waren die verlorenen Jahrzehnte Japans gar nicht wirklich „verloren". Vielleicht war der Lauf der Zeit ein Teil der Lösung, da die Exzesse allmählich abgebaut werden konnten. Geduld zahlt sich aus. Leider glaube ich nicht, schreibt Mauldin, dass wir in den USA diese Art von Geduld haben. Wir verlangen sofortige Ergebnisse und werden mürrisch, wenn sie nicht eintreten.

Was die Situation in den USA betrifft, so hat die japanische Erfahrung meiner Meinung nach zwei Auswirkungen, die beide schlecht sind, schreibt Mauldin. Unsere Verschuldung kann noch viel größer werden, bevor es zu einer Krise kommt. Die US-Staatsverschuldung wird zu Beginn des nächsten Jahrzehnts wahrscheinlich 60 Bill. Dollar übersteigen. Das bedeutet über 2 Bill. Dollar pro Jahr allein an Zinszahlungen, was jeden Anschein eines tragfähigen Haushalts zunichte macht.

Was wird uns davon abhalten, das zu tun, was Japan getan hat? Die Schulden auf einem enormen Niveau zu monetarisieren? Wirklich eine Situation zu schaffen, in der wir sie uns selbst schulden (oder besser gesagt, das US-Finanzministerium schuldet sie der Fed)?

Japan hatte nur eine einzige echte Krise – zu viele private und staatliche Schulden. Die Werte brachen ein, bei Immobilien, Aktien und allem anderen. Was es in Japan jedoch nicht gab, war eine Vertrauenskrise in den Wert der Anleihen. Die Menschen vertrauten darauf, dass ihre Anleihen irgendwann zu realistischen Bedingungen zurückgezahlt werden würden, so dass es keinen Grund gab, zu verkaufen.

Wenn wir uns unserem eigenen „Bang!"-Moment nähern, der meiner Meinung nach gegen Ende dieses Jahrzehnts oder zu Beginn des nächsten eintreten wird, werden wir auch mit den vier zyklischen Krisen konfrontiert, über die ich [Mauldin], in den zurückliegenden sechs Monaten geschrieben habe: Neil Howes „Fourth Turning", Peter Turchins Konzept der Elitenüberproduktion, George Friedmans geopolitische Zyklen, die auf Krieg und Kriegsgerüchte hindeuten, und Ray Dalios Schriften zum Konjunkturzyklus, die alle auf eine Krise im späteren Verlauf dieses Jahrzehnts hindeuten (siehe auch hier!).

Diese Ereignisse, gepaart mit dem dysfunktionalen politischen System, ganz zu schweigen von der dysfunktionalen Regierung, erzeugen eine hohe Wahrscheinlichkeit, das Vertrauen in eine mit Japan vergleichbare Lösung für die US-Wirtschaft zu untergraben. Darüber hinaus besteht die reale Möglichkeit, dass sich in Europa eine weitere Schuldenkrise entwickelt, die die Anleger von US-Anleihen noch nervöser machen würde.

Die größte Volkswirtschaft der Welt und Emittent der Weltreservewährung steht vor einer Schuldenkrise. Die Hunderte von Beispielen, die Reinhart und Rogoff untersucht haben, enthielten nichts, was auch nur annähernd dieses globale Ausmaß erreicht hätte. Vielleicht werden wir es mit nur leichten Störungen überstehen. Der Optimist in mir hofft das. Aber der Realist in mir sagt, dass jede solche Hoffnung dünn ist. Es ist besser, sich auf den Moment des Knalls vorzubereiten, so Mauldin.

Mein Kommentar
Ist Japan wirklich „aus dem Schneider"? Das, was wir erleben, scheint mir eine Scheinblüte zu sein, bedingt durch zufällige günstige Umstände. Sicher ist Japan im Vorteil, weil die Abhängigkeit von ausländischen Kreditgebern gering ist. Und in diesem Zusammenhang konnte es durch die Zentralbankpolitik, seit 2012 alle neuen Staatsschulden zu kaufen, auch keine echte Vertrauenskrise geben, weil das Verhalten privater Käufer keine große Rolle mehr spielte. An der Schuldenquote hat sich nichts geändert und die ist letzten Endes relevant für die Möglichkeit einer Wirtschaft, sich zu erneuern und zu wachsen – es sei denn, man glaubt an ein perpetuum mobile. Interessant wird es, wenn es zu nachhaltiger Auflösung von Yen-Carry-Trades kommt. Dass Japan keine Blaupause für die USA sein kann, stimmt. U.a. eben auch deshalb, weil die Abhängigkeit von ausländischen Kreditgebern gering ist – ein Vorteil der verlorenen Dekaden, in denen Ausländer Abstand gehalten haben.

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