Triade aus steigenden Renditen, schwachem Wachstum und starkem Dollar

Die globale geld- und finanzpolitische Dummheit der zurückliegenden Jahrzehnte beginnt sich, zu rächen. Seitdem Greenspann 1987 das Amt des Fed-Chefs übernommen hatte, wurde es zur Regel, den Geldhahn aufzudrehen, um Probleme in Liquidität zu ertränken.

Das führte dazu, dass marode (große) Unternehmen als Zombies künstlich am Leben gehalten wurden, Sparern und Pensionsfonds wurde massiv geschadet, die Kluft zwischen den oberen und unteren Einkommens- und Vermögensgruppen wurde immer größer. Nach unten manipulierte Zinsen bildeten den Anreiz zu Fehlinvestitionen – wenig bis unprofitable Investitionen wurden kreditfinanziert. Hinzu kam der „moral hazard“, die Botschaft an die großen Unternehmen und vor allem an die Finanzinstitute, sie seien zu groß, um zu fallen. Diese „too big to fail“-Mentalität („TBTF“) führte zu übermäßiger Risikobereitschaft. Das alles kumulierte in der Finanzkrise 2008.

Anstatt die Chance zu ergreifen, das Ruder herumzureißen, wurde es seitens der Zentralbanken noch toller getrieben. QE (Quantitative Easing) als geldpolitisches Instrument wurde weltweit verbreitet, die Fed hat in mehr als der Hälfte der zurückliegenden 14 Jahre QE-Programme betrieben. Hinzu kam der Irrsinn der Nullzinspolitik (ZIRP) und sogar negativer Zinssätze. Wen wundert es, dass es nach der Schrecksekunde des Jahres 2008 mit dem Schuldenmachen gerade so weiter ging.

Das Ergebnis dieser verfehlten Politik ist ein Scherbenhaufen. Die marode Realwirtschaft wird erodiert von oligopolen, unproduktiven Strukturen, die großen Kapitalsammelstellen von großen Banken und Fondsgesellschaften bis hin zu Foundations à la Gates, Rockefeller, Wellcome & Co., dominieren alles. Börsen sind zu Spielkasinos verkommen. Die Nationalstaaten sind in fünfzig Jahren finanzkapitalistischer Globalisierung entmachtet worden, deren Regierungen folgen am Nasenring den Interessen des Finanzkapitals.

War oder ist es „Dummheit“ der Verantwortlichen in den Zentralbanken? Oder ist es „Alternativlosigkeit“, will heißen, können sie nicht anders als immer so weiter zu machen angesichts der enormen Verwerfungen, die diese Politik der Geldflut bewirkt hat? Oder noch schlimmer – ist es die pure (Macht-)Gier, die die großen Player im Finanzbereich und mit ihnen die Verantwortlichen in den Zentralbanken antreibt? Oder was?

Die Politik der Geldflut bedeutet eine massive Manipulation des Preises für Geld, des Zinses (siehe auch hier!). Und der Zins ist in einer hoch verschuldeten Wirtschaft der wichtigste Preis, an dem letztlich alles hängt. Wird er über ein bestimmtes Maß hinaus verbogen, gerät das gesamte finanz- und realwirtschaftliche Gefüge durcheinander. Und das zieht wiederum die nächsten planwirtschaftlichen Eingriffe in die Wirtschaft und so weiter und so fort. Die entscheidende Folge des „billigen Geldes“ – die Verschuldung wuchs ins Unermessliche. Der folgende Chart zeigt deren Verlauf am Beispiel der USA.

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Dann kam der September 2019, als die Fed nach zögerlichen Versuchen, die zuvor geschaffene Liquidität wieder einzusammeln, aus heiterem Himmel den Geldhahn erneut aufdrehte. Die Begründung war mehr als windig. Dann kam COVID. Ein Fondsmanager sprach im Februar 2020 den denkwürdigen Satz: „Meiner Ansicht nach stand eine Korrektur ohnehin bevor, das konnte so nicht weiter gehen. Das Virus ist in diesem Sinne der perfekte Katalysator.“ Ein anderer meinte, wenn „Corona“ da nicht schon unterwegs gewesen wäre, es hätte erfunden werden müssen (siehe hier!).

Die auf den Covid-Ausbruch hin losgetretene Geldflut war beispiellos (siehe etwa hier!). Beispiellos war auch die Reaktion der Finanzmärkte, eine Aktien-Rally verdoppelte den S&P 500 bis auf 4800. Dann kam der Russland-Ukraine-Krieg. Und mit ihm eine Lebensmittel- und Energiekrise, die der zuvor schon angelaufenen Inflation erst so den richtigen Schub gab.

Inflation ist im Kontext der massiven Überschuldung der globalen Wirtschaft ein, wenn nicht das zentrale Mittel, um die Schuldenlast tragbarer zu machen. Insofern war sie den Zentralbanken willkommen, sie haben diese durch ihre und die staatliche Geldflut nach dem März 2020 meines Erachtens ganz bewusst herbeigeführt.

Warum? Ich habe das bereits mehrfach ausgeführt und komme darauf zurück – hier nur so viel: Die von den großen Finanzsammelstellen dominierte Wirtschaft kann (mal wieder) nicht mehr, und es sieht so aus, als ob nun ganz gezielt Chaos verbreitet wird, um einerseits die Bevölkerung einzuschüchtern und letztlich dazu zu bringen, bittere Pillen in Serie zu schlucken und andererseits den Vorwand zu liefern, Bargeld (als letzten Hort finanzieller Freiheit) abzuschaffen und durch eine digitale Zwangswährung zu ersetzen, die die lückenlose Kontrolle aller Individuen ermöglicht. Stichwort „Great Reset“ (siehe u.a. hier, hier, hier, hier und hier!).

Ein wesentliches Indiz für die sich zuspitzende Krise ist die Stärke des Dollar. Währungen sind das Rückgrat der globalisierten Wirtschaft. Der Dollar ist (noch) die weltweite Leitwährung, was den USA das „Privileg" verschafft, Transaktionen in eigener Währung abzuwickeln und andere Länder zwingt, Dollar-denominierte Schulden zu kaufen. Damit können sich die USA u.a. ein beständig hohes Handelsbilanz-Defizit leisten.

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Seit Anfang der 1980er Jahre kann man im Verhältnis des (rückgerechnetem) Euro zu Dollar ein recht regelmäßiges, wenn auch zeitweilig sehr volatiles Verhalten feststellen: Etwa alle acht Jahre wechseln relative Stärke und Schwäche der beiden Währungen. Diese Zyklik geschieht, bzw. geschah in einem aufwärts gerichteten Kanal. Der jüngste untere Wendepunkt war zur Jahreswende 2016/2017, als Trump Präsident der USA wurde. Danach entwickelte sich das Währungsverhältnis zunächst „planmäßig“, der Euro gewann gegen den Dollar an Wert. Bis ins Spätjahr 2019 hätte man noch sagen können, die Regelmäßigkeit ist trotz Volatilität intakt. Nach dem „Covid-Ausbruch“ gab es auch eine Gegenbewegung, die allerdings Anfang 2021 endete, ohne auf den Trendpfad (grün) zurückzukehren. Ich hatte den folgenden Chart schon mehrfach gezeigt (Chartquelle).

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Die seit Anfang der 1980er Jahre zu beobachtende Regelmäßigkeit ist nun Geschichte, Zwar hat es solch schnelle Abwärtsbewegungen bei Euro/Dollar (Dollarstärke) wie aktuell schon häufiger gegeben, zuletzt 2013/2014 im Gefolge der Vorgänge in der Ukraine, aber jetzt ist das Währungspaar aus dem Aufwärtskanal herausgefallen. Wenn sich eine solche lange Beziehung insbesondere bei Währungen und hier insbesondere beim beteiligten Dollar in Luft auflöst, dann ist „Alarmstufe rot“.

Die nachhaltige Stärke des Dollar weist darauf hin, dass die US-Währung extrem nachgefragt ist. Entweder dadurch, dass im Ausland vagabundierendes US-Kapital heimgeholt wird und/oder dadurch, dass Ausländer in Dollar gehaltene Schulden auflösen. Denkbar auch, dass Ausländer wegen ihrer schwächer werdenden Währungen und dem attraktiven Zinsniveau in den Dollar fliehen. Wie auch immer, die Menge an Dollar im globalen Wirtschaftskreislauf nimmt ab, die der anderen Währungen nimmt zu. U.a. erschwert, bzw. verteuert das den internationalen Handel und trägt so auch zur Deglobalisierung bei.

Diese Situation erhöht die Wahrscheinlichkeit von Währungskrisen signifikant. Zuletzt kamen sogar schon Schreie der Besorgnis aus England. Das United Kingdom hat ein ähnliches Handelsdefizit wie die USA, verfügt aber nicht über eine Währung, die andere Länder veranlasst, dieses zu finanzieren. Bisher wurden die Zentralbanken und Finanzbehörden mit Währungskrisen fertig. Dabei wurden aber nie die strukturellen Probleme angegangen, die zu solchen Krisen geführt haben. Wird das auch dieses Mal so sein, kann das Kartenhaus vor dem Einsturz bewahrt werden? Immerhin gibt es massive Bestrebungen überall in der Welt, aus dem Dollarsystem als Leitwährung auszusteigen.

Der feste Dollar ist aus inner-amerikanischer Sicht gut, weil es Importe verbilligt und damit die Inflation etwas abfedert. Im Gegenzug verteuert es die Importe in Ländern mit schwächer werdender Währung und heizt dort die Inflation an.

Im aktuellen Kontext sind die steigenden Renditen, der zweite Punkt der Triade, nur die andere Seite der Dollarstärke. Die Auflösung von Dollar-Krediten drückt die Anleihe-Kurse, bzw. hebt die Zinsen. Das führt ab einem bestimmten Punkt zu einem sich beschleunigenden Teufelskreis. Dieser Punkt dürfte Mitte September gewesen sein, als die Rendite der 10yr-TNotes die Marke von 3,5% nach oben durchbrach. Diese war Mitte Juni schon einmal erreicht worden. Als klar war, dass sie damals halten würde, begann eine Zwischen-Rally bei Aktien, die bis Mitte August anhielt. Das Ende dieses Bull-Run fiel zusammen damit, dass besagte Rendite wieder über drei Prozent anstieg.

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Der dritte Punkt der dunklen Triade ist neben starkem Dollar und steigenden Renditen die immer deutlicher werdende Wachstumsschwäche. Das schlägt sich auch in den Gewinnerwartungen der US-Unternehmen nieder. Anfang des dritten Quartals wurde noch eine Steigerung von 11% im Jahresvergleich erwartet, jetzt rechnet man noch mit etwas mehr als vier Prozent. In Kürze beginnt die Saison der Quartalsberichte, es naht die Stunde der Wahrheit. Das KGV liegt irgendwo zwischen 18 und 26, je nachdem, wie stark man den Wert mit der Inflationsrate korrigiert. Das kann man erst recht im aktuellen Kontext nicht gerade als billig bezeichnen.

Die Auswertung der realwirtschaftlichen Makrodaten der USA zeigt nach wie vor (nur) eine Warnstufe (eine von drei) vor einer Rezession mit allerdings zunehmender Tendenz (blaue Punkte im folgenden Chart, oberer Teil). Die Auswertung von Stimmungsindikatoren zeigt gegenüber Anfang September eine leichte Verbesserung (grüne Punkte im folgenden Chart, oberer Teil). Bei den finanzwirtschaftlichen Makrodaten ist die Situation ähnlich, sie laufen allerdings sechs Wochen und mehr hinterher.

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Die Auswertung des Verlaufs von Gewinnen, Dividenden, Aktien- und Bondkursen ist im Rezessionsmodus, die Auswertung von Merkmalen der Zinsstruktur warnt ebenfalls vor einer Rezession.

Alles in allem ein sich weiter eintrübendes Bild einer fragilen, überschuldeten Wirtschaft mit zunehmenden Bremsspuren und platzenden Asset-Blasen. Und: An einem bestimmten Punkt führt diese Triade in einen sich schnell verstärkenden Teufelskreis. In dem befinden wir uns gerade.

Ein Ende des Zinszyklus der Fed ist nicht in Sicht, so dass immer mehr Beobachter glauben, dass ihre Geldpolitik die Entwicklung in eine Rezession hinein beschleunigt. Und ist der oben geäußerte Verdacht richtig, dass ganz gezielt Chaos verbreitet wird, dann dürfte sich die Fed auch nicht so bald drehen.

Auf die Entwicklung im S&P 500 gehe ich hier gesondert ein.

Ergänzung:
Siehe auch "Das Gespenst des Kapitals" von Joseph Vogl

Nachtrag:
(3.10.22) Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Immobilienpreise, befeuert durch seinerzeit niedrige Hypotheken-Zinsen, stellen die steigenden Zinsen eine besondere Gefahr für die Stabilität des Bankensystems dar. Siehe auch die Warnung des ESRB (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken) – demnach stellt der Immobilienmarkt eine wiederkehrende Sorge dar. Steigende Hypothekenzinsen und die Verschlechterung der Schuldendienstfähigkeit aufgrund eines Rückgangs des realen Haushaltseinkommens dürften einen Abwärtsdruck auf die Immobilienpreise ausüben und zu einem Auftreten zyklischer Risiken führen (siehe hier!).

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