Das jetzt zu Ende gegangene dritte Quartal war für keine Anlageklasse schön, außer vielleicht für Barmittel und Äquivalente. Der S&P 500 und der NASDAQ Composite verzeichneten ihre erste dreivierteljährliche Verlustserie seit 2009 und schlossen mit einem Minus von 5,3% bzw. 4,1% für das Quartal. Der DJIA beschloss das Quartal mit einem Minus von 6,7% und verzeichnete damit zum ersten Mal seit 2015 drei Verlustquartale in Folge. Eine Erleichterungsrallye in der zurückliegenden Woche fiel mit einer Wende in der Geldpolitik der Bank of England zusammen und hielt nur einen Tag.
Der am Freitag veröffentlichte Bericht zum von der Fed genau beobachteten Kernpreisindex für persönliche Konsumausgaben (PCEPILFE) zeigte für August einen Monats-Anstieg von 0,6% und lag damit leicht über der Konsensschätzung. Einige Fed-Gouverneure schlugen in ihren Kommentaren weiterhin einen ausgesprochen Falken-haften Ton an. Der Präsident der Fed von St. Louis, James Bullard, sagte etwa: „Die Anleger haben nun verstanden, dass sie in den kommenden Monaten weiteren Zinserhöhungen nicht entgehen können."
In Europa tragen die Energiepreise zu einem zweistelligen Anstieg der Inflation bei, und wenn die Energiekosten steigen, steigt auch der Wert des Dollar. Der scheinbar unaufhaltsame Dollar-Anstieg hat einige Akteure an den Finanz-Märkten veranlasst, ein Treffen ähnlich dem Plaza Accord Mitte der 1980er Jahre zu fordern. Damals veranlasste das Chaos auf den Devisenmärkten die Finanzminister der beteilgten Länder zu einer gemeinsamen Aktion. Eine solche Initiative scheint vorerst nicht in Aussicht.
Da die Fed und andere Zentralbanken ihre Geldpolitik aggressiv straffen, sehen einige Beobachter die Möglichkeit, dass „etwas zerbrechen" und eine Finanzkrise auslösen könnte. England liefert mit der Krise des britischen Pfunds und der Staatsanleihen (Gilts) ein Beispiel, das dazu passt. Englische Pensionsfonds haben Aktien und Anleihen abgestoßen, um Cash zu generieren.
Der die erwartete Volatilität des S&P 500-Index schätzende VIX-Index, oft als Angstmesser der Wall Street bezeichnet, bewegt sich auf einem hohen Niveau von über 30, genauer 30,63. Er signalisierte am zurückliegenden Freitag mit zwei langen Dochten ausgesprochene Unsicherheit unter den Marktteilnehmern, der obere reichte bis 33, der untere ging auf 29,40 herunter.
Michael Hartnett, BofA, meldete sich zu Wort (siehe hier!): Wir sind taktische Bären bis Halloween. Der S&P 500 wird weiter abtauchen und politische Panik erzwingen. Mitte November findet das G20-Treffen statt (Anmerkung: Bei dem auch Putin anwesend sein wollte oder will…). Danach kommt es zu einer Rally, aber ein „Big Low” gibt es erst im ersten Quartal 2023, wenn Schockwellen dazu führen, dass die Fed mit ihren Leitzinsen stoppt. Das ist auch der Zeitpunkt, wo Renditen und Dollar toppen. Der Trade für 2023 sei dann Dollar-Short, Emerging Markets, SmallCaps und Zykliker Long, so Hartnett.
Der S&P 500 hat nach einer kurzen Aufwärtsbewegung zum freitäglichen Handelsbeginn, der ihn bis ein Prozent ins Plus führte, im späteren Handel „Schuhe und Strümpfe verloren“ und gegenüber dem Vortag 1,5% verloren. Er notiert mit 3585,62 jetzt unter dem Tief aus Mitte Juni. Als Grund wird angegeben, dass die Inflation anhält und zugleich die realwirtschaftlichen Makrodaten immer noch keine ausgeprägte Schwäche zeigen. Siehe hierzu auch „Triade aus steigenden Renditen, schwachem Wachstum und starkem Dollar“, wo im letzten Chart sehr wohl Tempoverlust deutlich wird (allerdings immer noch im Boom-Quadrant). In diesem Zusammenhang wird es interessant, wie der ISM-Index für September ausfällt (Montag) und wie sich die US-Arbeitsmarktdaten am kommenden Freitag präsentieren.
Charttechnisch spricht nicht viel dagegen, dass der Index jetzt zügig bis auf 3500 abtaucht, dem 50er Retracement des Bull-Run von März 2020 bis zur Jahreswende (Chartquelle).
Andererseits zeigen die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis ein stark überzogenes bärisches Bild an, das eine baldige (zeitweilige) Regimewende andeutet. Bullische Kursmuster sind fast nicht mehr vorhanden, bärische bewegen sich am „oberen Anschlag“.
Eine ähnliche Botschaft gibt die Volumenverteilung an der NYSE ab. Sie befindet sich zwar noch in ausgeprägter Distribution, aber Anzeichen von Überdehnung legen nahe, dass diese Phase bald (zeitweilig) zu Ende gehen dürfte. Die Linie des täglichen Anteils der Zahl steigender Aktien meldet seit einigen Tagen in bärischem Extrem eine bullische Tendenz. Ich gehe davon aus, dass eine bullische Gegenwehr nicht mehr lange auf sich warten lässt, möglicherweise erst nach einem weiteren kräftigen Taucher als Bärenfalle.
Klar, im Rahmen der extremen Unsicherheit, die aktuell dominiert, kann angesichts der fragilen technischen Lage des S&P 500 jederzeit eine ungünstige Nachricht dazwischenhauen, aber aus den dargestellten Gründen erscheint mir eine bullische Bewegung am aktuellen Punkt wahrscheinlicher.
Hartnett zeigt mit dem folgenden Chart, dass ein Indexstand von 20% unter der SMA200 in den zurückliegenden 100 Jahren ein guter Einstiegspunkt war. Fast immer, aber nicht 1931, 1937, 1974 und 2008… Der S&P 500 ist noch nicht ganz an diesem Punkt, es fehlen noch rund zwei Prozent (siehe die rote, von mir hinzugefügte Linie). (Chartquelle)
Das könnte Sie auch interessieren:
- Was andere Medien sagen vom 30.09.2024
- S&P 500 – Bullen halten sich zurück vom 01.06.2024
- S&P 500 – kracht es jetzt? vom 04.08.2024
Schreibe einen Kommentar