Ich hatte am Schluss meines Artikels "China, Lockdowns und das World Economis Forum" , der Aya Velázquez Essay „CHINA UND DER GREAT RESET“ wiedergibt, gefragt: „Wem nutzen solche Damen und Herren objektiv mit ihrem Denken und Tun, wem schaden sie? Geht es um eine Rivalität von Ländern und den Herrschaftsanspruch von China? Was ist die treibende Kraft hinter solchen Rivalitäten?“
Zur Antwort muss ich etwas ausholen: Im großen historischen Hintergrund zeigte sich vor 2000, dass die Wachstumsraten abflachten und damit die Profitquellen weniger sprudelten. Die Deregulierung der Finanzindustrie und der WTO-Beitritt Chinas 2001 sollten neuen Profitquellen erschließen.
Die WTO-Bedingungen waren asymmetrisch zuungunsten des „Westens“ – man ließ sich trotzdem darauf ein (siehe etwa hier!). Insbesondere die Regelung, dass sich westliche Firmen nur mit maximal 50%, teilweise nur mit 49% an chinesischen Firmen beteiligen können, schuf die Grundlage dafür, dass der chinesische Partner häufig weitreichende Einblicke in geistiges Eigentum des westlichen Partners erlangte und das dann für eigene Zwecke nutzte. Der „Westen“ erwartete: Wenn man erst mal einen Fuß in der Tür hat, ändert sich alles („Wandel durch Handel“). Das geschah letzten Endes nicht.
Trump war angetreten, in Bezug auf China mit seinem „Handelskrieg“ das zu erreichen, was sich entgegen der mit dem WTO-Beitritt Chinas verbundenen Hoffnungen nicht eingestellt hatte. Er hat versagt. Der ersehnte Einbruch von US-Kapital in China mit der Aussicht auf neue Profitquellen ergab sich nicht. Jetzt wird ein anderer US-Präsident.
Die nachlassende Wachstumsdynamik macht den Verteilungskampf härter, sowohl innerhalb des Kapitals, wie auch zwischen Kapital und „Arbeit“. Die Deregulierung der Finanzindustrie führte 2008 zur Finanzkrise, die wachsende Verschuldung drückt zusätzlich auf die Wachstumskräfte. Der Spielraum für Wahlgeschenke wird enger, die reale Einkommenssituation des Großteils der Bevölkerung stagniert (bestenfalls) seit mehr als 20 Jahren, die Verteilung von Einkommen und Vermögen ist extrem ungleich, der parasitäre Wasserkopf in den Gesellschaften wird immer größer.
All das führt zu Unzufriedenheit, die breite Masse ist nicht länger amorph. Diese per-Saldo-Neutralität hat Hannah Arendt als wichtige Bedingung dafür bezeichnet, dass so etwas wie unsere Scheindemokratie bestehen kann. Scheindemokratie deshalb, weil die Macht in einer Gesellschaft immer und überall bei denen liegt, die die Verfügungsmacht über die Produktionsmittel besitzen. Dis sind heute im Finanzsystem zu finden.
Die westlichen Wirtschaften sind mittlerweile nach über 30 Jahren „lockerer“ Geldpolitik und mindestens zwei Spekulations-Krisen (Dotcom und Immobilien-/Schuldenblase) fragil. Die Verschuldung hat exorbitante Ausmaße erreicht. Der gesellschaftliche Zusammenhalt zerfällt immer mehr – jeder gegen jeden. Die westlichen Gesellschaften zeigen akute soziale und wirtschaftliche Krisenerscheinungen, vergleichbar durchaus mit der Zeit Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre.
Das westliche Finanzkapital sieht in der Staatsform in China ein Vorbild, um die kippenden fragilen Gleichgewichte in den westlichen Ländern in den Griff zu bekommen. Das fasziniert solche Leute wie Schwab & Co vom World Economics Forum, dem Politbüro des Kapitals, in dem die hundert größten Konzerne der Welt den Ton angeben; Schwab ist ihr Sekretär.
Vor diesem Hintergrund muss man die Aktivitäten der alten oder auch nicht so alten Damen und Herren sehen, von denen Velázquez spricht. Es ist mit dem Auftreten Trumps auf der Bühne der Weltpolitik ein wenig Mode geworden, sich mehr mit persönlichen Eigenheiten der „Mächtigen“ zu beschäftigen als mit dem, was sie für wen tun. Bei Hitler, bei Trump, bei Gates, bei Staatsratsvorsitzenden oder wie sie alle heißen, ist nicht hauptsächlich deren Alter, deren Marotten oder deren psychische Verfassung relevant. Ihre konkrete Persönlichkeit mit bestimmten, möglicherweise psychopathologischen Eigenschaften prägen die spezifische Art und Weise ihres Tuns. Das kann gesellschaftliche Folgen verstärken oder abschwächen.
Aber die gesellschaftlich wichtigste Frage bleibt: Wem nutzen solche Damen und Herren objektiv mit ihrem Denken und Tun, wem schaden sie? Welche gesellschaftliche Position stärken sie?
„Corona“ ist die willkommene Gelegenheit, den immer fragiler werdenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Systemen mit der Demontage der Demokratie zu begegnen. Zudem bringt man die Nationalstaaten mit Kredit-finanzierten Hilfsprogrammen in noch größere Abhängigkeit von der Finanzindustrie, um immer direkteren Einfluss auf das politische Geschehen zu haben. Die Lockdown-Methoden dienen dazu, den gesellschaftlichen Zusammenhalt der „normalen“ Bevölkerung zu zerstören („teile und herrsche“). Unter der Altenative „Gesundheit oder Freiheit“ werden demokratische Rechte abgebaut. Die Zerstörung der kleinen und mittleren Unternehmen macht diese zur billigen Beute für „Große“, ob sie nun aus China kommen oder ob es die großen Konzerne im Westen sind.
Die Aktivitäten der alten und nicht so alten hohen Damen und Herren in der Politik im „Westen“ liegen im Interesse derjenigen, die die Verfügungsmacht an Produktionsmitteln besitzen, handeln im Interesse des Finanzkapitals, das heutzutage die Verfügungsmacht über die Produktionsmittel ausübt. Sie sehen Chinas Staatsform als Modell für die hiesige Umgestaltung, verstehen sich aber meiner Meinung nach nicht als fünfte Kolonne dieses Landes.
Internationale Koalitionen zwischen verschiedenen imperialen und/oder Finanzkreisen hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Sie haben immer nur so lange bestanden, so lange die Koalition den Beteiligten die Aussicht auf Erweiterung (zumindest Bewahrung) der eigenen Machtstellung bot. In größerem historischen Kontext halte ich eine etwaige Annäherung zwischen westlichem, ins Hintertreffen geratenden Teil des internationalen Kapitals und seinem gegenwärtig aufstrebenden (chinesischen) Widerpart daher für vorrübergehend. In dem Moment, wo der Unterlegene sieht, dass er immer weiter ins Hintertreffen gerät, ist die Phase der „Zusammenarbeit“ zu Ende und es droht ein offener Konflikt (Krieg?). Die "Konvergenz", von der Velasquez auch spricht, ist keine "Verschwörung", sie ergibt sich aus ist zeitweilig gleich gerichteten Interessen.
Die Rivalität zwischen China und den USA ist letzten Endes eine Konkurrenz zwischen verschiedenen Fraktionen des globalen Kapitals, die sich hinter nationalen Rivalitäten verschanzen. Trumps Versuch, mittels Handelskrieg zu erreichen, was sich in 15 Jahren WTO-Mitgliedschaft Chinas nicht eingestellt hat, ist gescheitert. Die damit verbundene Hoffnung nach Erschließung neuer Profitquellen für das westliche/US-Kapital hat sich nicht erfüllt, was die relative Schwäche dieses Teils des globalen Kapitals unterstreicht.
Macht und Profit – untrennbare Verbindung. Marx: „Je ein Kapitalist schlägt viele tot.“ Im Umkehrschluss heißt das: Ein „Kapitalist“ muss die Macht, die ihm sein Kapital verleiht, ausüben, sonst ist er weg vom Fenster. Das Kapital steht als monetäres Synonym für Produktionsmittel (Maschinen, Server, Infrastruktur usw.), die Verfügungsmacht hierüber verleiht gesellschaftliche Macht. Die Ausübung dieser Macht ist Werkzeug zur Profitgenerierung. Mag sein, dass ein „Kapitalist“ eine zeitlang taktisch von Ziel der Profitmaximierung abrückt, wenn er seine Verfügungsmacht über Produktionmittel bedroht sieht – die Profitmaximierung bleibt das oberste strategische Ziel.
Im Zusammhang mit der Machtfrage sehe ich auch den Glauben an den besseren KI-gestützten Maschinen-Menschen (Transhumanismus) als den an eine neue Herrenrasse. Letzten Endes ist das aber Geschwätz, um zu verschleiern, dass es Überlegene gibt, die einen Führungsanspruch haben. Und weil die Zeiten härter werden, muss der Überlegene eben auch immer „direkter“ führen (ohne demokratischen „Schnickschnack“). Da aber die Erinnerung an 1933ff noch einigermaßen präsent ist, muss man eine überlegene „Rasse“ erfinden, die gleichsam allem sozialen/politischen Kontext entrückt ist, weil sie als "neutrale" technisch-perfekte Schöpfung über allem steht. Insofern dient das ganze KI-Trallala und das Gefasel von Cyborgs und Tanshumanismus dazu, reale Machtverhältnisse zu verdecken. Und neu zu organisieren – große Tech-Unternehmen beanspruchen eine größere Scheibe vom Machtkuchen.
(Ich verkenne nicht, dass „KI“ als Technologie richtig eingesetzt nützlich für uns alle sein kann. Einen Hammer kann man dazu verwenden, einen Bildernagel in die Wand zu hauen, man kann damit auch jemanden erschlagen. Es kommt darauf an, wer den Hammer, resp die KI wozu benutzt.)
Zusammenfassung:
- Die westlichen Gesellschaften zeigen akute soziale und wirtschaftliche Krisenerscheinungen
- Die Macht-Habenden und ihre Erfüllungsgehilfen betreiben den Abbau demokratischer Staatsformen, um ihre Verwertungsinteressen zu bewahren – das „Modell China“ ist Vorbild
- Die Rivalität China (aufstrebend) vs „Westen“ (absteigend) ist der Wettbewerb zweier Gruppen des globalen Kapitals um Verwertungsbedingungen, Allianzen sind taktischer Natur
- Macht und Profit sind zwei Seiten derselben Medaille – die Verfügungsmacht über die Produktionsmittel verleiht Macht und ist Quelle für Profit (=Machtzuwachs)
- Profitmaximierung ist und bleibt das strategische Ziel derjenigen, die die Verfügungsgewalt an Produktionsmitteln haben, die Propagierung eines „Nanny-Staates“ durch WEF-Schwab ("Great Reset") als Alternative zum Neoliberalismus ist taktischer Natur
- KI/Transhumanismus ist der Versuch, eine neue Herrenrasse zu schaffen, die in technisch-sachlichem Gewand daherkommt und so gesellschaftspolitischem Kontext entrückt ist (und damit unangreifbar sein soll)
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