Fragen an Merkel

Prof. Dr. Sucharit Bhakdi, emeritierter Professor für Mikrobiologie der Universität Mainz, hat Bundeskanzlerin Merkel in einem offenen Brief Fragen zur gegenwärtigen Corona-Situation vorgelegt. Er erläutert dies in einem Film auf Youtube (h/t I.N.). Ich gebe nachfolgend seine Fragen im Original-Wortlaut und seine Kommentare dazu inhaltlich zusammengefasst wider.

Frage: „Wurde bei den Hochrechnungen zwischen symptomfreien Infizierten und tatsächlichen, erkrankten Patienten unterschieden – also Menschen, die Symptome entwickeln?“

Kommentar: Eine Neuinfektion, die durch einen Test festgestellt wurde, bedeutet nicht zwangsläufig, dass man es mit einem erkrankten Patienten zu tun hat. Derzeit wird angenommen, dass 5% aller Neuinfizierten, nicht der neu erkrankten Patienten beatmungspflichtig werden. Daraus wird abgeleitet, dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte. Entscheidend ist aber die Zahl der Infizierten mit klinischen Symptomen, erst auf dieser Grundlage kann die Belastung des Gesundheitssystems realistisch eingeschätzt werden.

Frage: „Wie sieht die gegenwärtige Auslastung von Intensivstationen mit diagnostizierten COVID-19 im Vergleich zu anderen Coronavirus-Infektionen aus? Diagnostiziert heißt, dass das Virus auch maßgeblichen Anteil an dem Krankheitszustand des Patienten hat und nicht etwa Vorerkrankungen eine größere Rolle spielen. Wurde die aktuelle französische Studie zur Kenntnis genommen?“

Kommentar: Die Grundrechte dürfen nur dann so drastisch eingeschränkt werden, wenn es gesicherte Hinweise dafür gibt, dass ein neues Virus überaus gefährlich ist, weit gefährlicher als die bekannten Infektionskeime. Was gebraucht wird, ist eine Studie von 10.000 mit normalen Corona-Viren infizierten Patienten und 10.000 mit COVID-19 Infizierten. Alle müssen Patienten sein mit Atemwegsinfektionen. Dann muss verfolgt werden, wie viele Patienten in den beiden Gruppen sterben. Eine französische Studie von Mitte März zeigte hierbei eine gleich hohe Sterblichkeit. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird sich COVID-19 nicht als außergewöhnlich gefährlich gegenüber anderen Corona-Viren erweisen. Das Grippevirus von vor zwei Jahren war 50 bis 100 mal gefährlicher als die normalen Grippeviren. Wurden damals irgendwelche besonderen Maßnahmen ergriffen? Nein, das war auch gut so, unser Gesundheitssystem ist für so etwas gut aufgestellt. Es gibt auch aktuell keinen Grund, zu paniken.

Frage: „Hat es bereits eine stichprobenartige Untersuchung der gesunden Allgemeinbevölkerung gegeben, um die Realausbreitung des Virus zu validieren?“

Kommentar: Eine solche repräsentative Untersuchung könnte binnen sieben bis zehn Tage fertig sein. Sollte bereits eine signifikante Ausbreitung stattgefunden haben, erübrigen sich alle Maßnahmen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Frage: „Ist Deutschland dem Trend zum COVID-19-Generalverdacht einfach gefolgt? Und gedenkt es, diese Kategorisierung weiterhin wie in anderen Ländern unkritisch fortzusetzen. Wie soll dann zwischen echten Corona-bedingten Todesfällen und zufälliger Viruspräsenz zum Todeszeitpunkt unterschieden werden?“

Kommentar: Es wird weltweit der schlimme Fehler begangen, Tote als Virus-bedingt zu melden, so bald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war. Dieses verstößt gegen ein Grundgebot der Infektologie. Es muss hingegen festgestellt werden, ob die Patienten mit oder an dem Virus gestorben sind. Dies ist auch ganz klar in den deutschen ärztlichen Leitlinien verankert, wird aber bei COVID-19 nicht befolgt.

Frage: „Welche Bemühungen werden unternommen, um der Bevölkerung diese elementaren Unterschiede nahe zu bringen und den Menschen verständlich zu machen, dass Szenarien wie in Italien oder Spanien hier nicht realistisch sind.“

Kommentar: Immer wieder wird die erschreckende Situation in Italien als Referenzszenario herangezogen. Die Rolle des Virus an der besonderen Situation dort ist jedoch aus vielen Gründen völlig unklar. Es gibt zahlreiche Sonderfaktoren, dazu gehört das marode Gesundheitssystem und die erhöhte Luftverschmutzung in Norditalien. Wenn es so ist, dass das Virus dort bereits weit verbreitet ist, wird es auch zu alten, womöglich bettlägerischen Menschen getragen. Wenn diese versterben, wird das Virus gefunden. Die bloße Anwesenheit dieses Virus darf aber nicht automatisch zur Aufnahme des Falles in die Listen der Corona-Toten führen. So erschütternd die Bilder aus Italien sind, so können sie nicht das Leitbild für das Handeln in Deutschland abgeben.

Schlusswort von Prof. Bhakdi: Mir geht es darum, dass eine kritische, wissenschaftlich fundierte Diskussion geführt wird, die uns hoffentlich hilft, bald zur Normalität zurückzukehren. Ich stehe hier nicht alleine, zahlreiche Kolleginnen und Kollegen haben sich im gleichen Sinne geäußert. Und einer der angesehendsten Epidemiologen der Welt in Stanford hat dasselbe ausgesagt. [Bhakdi bezieht sich wahrscheinlich auf den US-Epidemiologen John P. A. Ioannidis, dessen Aussage hatte ich hier dargestellt.]

Die allerwichtigste Frage, die wir sofort beantworten müssen, ist, ob die Einschränkung der demokratischen Rechte in unserem Staat überhaupt zu verantworten ist. Irrglauben hat in der Medizin in der Vergangheit unzähligen Menschen unsagbares Leid angetan. Robert Koch leitete die Wende ein, indem er zeigte, dass eine Krankheit, die Tuberkulose, eine Ursache, den Erreger hat. Seitdem hat zunehmend Wissen den Glaube aus der Medizin vertrieben.

Anmerkung:
Für die Forderung von Bhakdi nach grundlegenden Studien macht sich auch die Petition von Viviane Fischer stark.

Anmerkung zur Situation in Italien:
In „Respiratorische Erkrankung durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19)“ ist eine Fülle an Informationen zusammengetragen. U.a. auch diese: „Nach Daten des italienischen Istituto Superiore di Sanità gab es auch bei den getesteten 20- bis 50-Jährigen eine hohe Zahl positiver Testergebnisse. Von den Verstorbenen hingegen war mehr als die Hälfte über 80 Jahre alt, zwei Drittel wiesen mindestens drei chronische Vorerkrankungen auf.“

Weitere Anmerkung – geänderte Falldefinition des RKI:
Das RKI hat die Falldefinition für „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) (SARS-CoV-2)“ am 24.03.20 neu gefasst. An das RKI ist demnach jetzt als COVID-19-Fall u.a. zu übermitteln:
Infektionen ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung
(Auftreten von zwei oder mehr Lungenentzündungen in einer medizinischen Einrichtung, einem Pflege- oder Altenheim); Fälle ohne labordiagnostischen Nachweis, aber mit epidemiologischer Bestätigung (Kontakt zu einem bestätigten Fall); klinisch-labordiagnostisch bestätigte Erkrankungen; labordiagnostisch nachgewiesene Infektion bei nicht erfülltem oder unbekanntem klinischen Bild oder fehlenden Angaben hierzu.
Und es wird auch gleich noch hinzugefügt: Ein negatives PCR-Ergebnis schließt die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht vollständig aus (von falsch positiv ist nicht die Rede…).
Die Aufforderung ist meiner Meinung nach klar: Meldet mal lieber alles, was irgendwie auch nur entfernt zu COVID-19 passen könnte. Und da eine Lungenentzündung eine häufige Todesursache im Alter (und insbesondere in Pflegeheimen) ist, meldet die auch mal lieber alle (ohne genau hinzusehen). Wodurch sich dann die Statistik von Wunderhand bestätigt, dass Corona v.a. alte Leute trifft. Wird in Italien genauso gemacht…

Um an Bhakdis Schlusssatz anzuschließen: Bisher hat Wissen den Glaube aus der Medizin vertrieben. Jetzt geht es wieder umgekehrt…

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