S&P 500 – bleiben die Bullen dran?

Die Aktienmärkte haben sich in der zurückliegenden Woche mit abnehmender Volatilität weiter nach oben orientiert. Der Dow meldet einen Wochengewinn von 3,2% und erstmals seit Mitte Februar wieder einen Wochenschluss über der EMA50, der S&P 500 kam mit +3,5% auf das zweite Gewinn-Quartal in Folge. Der NDX schaffte +3,2% und erreichte das beste Quartal seit Juni 2020. Der DAX gewinnt auf Wochensicht stolze 4,5%, bis zum Allzeithoch fehlen noch 600 Punkte.

Euro/Dollar steigt im Wochenvergleich um 0,8%, Euro und Dollar gegen Yen +2,4%, bzw. +1,6%. Die Ölpreise stiegen weiter mit jeweils über 9% weiter an. Auch der CRB-Rohstoffindex steigt: +3,6%. Gold (in Dollar) gibt in dieser Woche weitere 0,4% ab.

Die US-Renditen ziehen wieder an: Die 10yr-TNotes gewinnen 2,8% auf 3,471%, die 2yr-TNotes +6,6% auf 4,027%. Am 8. März, dem Tag vor dem Run auf die Silicon Valley Bank, lagen die Werte bei 3,992%, bzw. 5,070%. Die Rendite der 13wk-TBills steigt um 2,3% auf 4,755%. Die Zinstruktur zeigt am langen Ende einen abnehmenden positiven Spread. Am kurzen Ende weitet sich die Inversivität aus.

Die Finanzmärkte wenden sich also zunächst einmal von den Problemen im Bankensektor ab. Ob die bullische Bewegung bei Aktien mehr auf Window-Dressing zum Quartalsende zurückzuführen ist oder ob sie weiter läuft, diskutiere ich weiter unten.

Nach der jüngsten Umfrage der Bank of America zeigt sich, dass die Fondsmanager so pessimistisch sind wie seit 20 Jahren nicht mehr. Gleichzeitig ist die Übergewichtung bei Aktien von Europa im Verhältnis zu denen der USA die höchste seit Oktober 2017. Nach einer Studie könnten bis zu 190 US-Banken kurz vor dem Zusammenbruch stehen – konkret dann, wenn eine kritische Masse an Einlegern versucht, größere Abhebungen vorzunehmen.

John P. Hussman, Präsident des Hussman Investment Trust haut in dieselbe Kerbe: „Die quantitative Lockerung ‚funktionierte’, indem sie die Wirtschaft mit so viel zinslosem Basisgeld überschwemmte, dass die Anleger den Verstand verloren, selbst die langfristigen Zinssätze auf ein Rekordtief drückten und unsere verlässlichsten Bewertungsmaßstäbe für den Aktienmarkt sogar über ihre Extrema von 1929 und 2000 hinaus trieben."

Und weiter: „Das Einfachste, was man über die gegenwärtigen Bedingungen auf den Finanzmärkten und im Bankensektor sagen kann, ist Folgendes: Die Auflösung dieser von der Fed induzierten, nach Rendite strebenden Spekulationsblase verläuft so, wie man es erwarten würde, und sie ist noch lange nicht vorbei.“

Die nachstehende Graphik von Hussman zeigt seine Schätzung der voraussichtlichen 12-Jahres-Gesamtrenditen für eine herkömmliche passive Anlagemischung, die zu 60% in den S&P 500, zu 30% in Staatsanleihen und zu 10% in Schatzanweisungen investiert ist, sowie die tatsächlichen späteren Gesamtrenditen. Gegenwärtig liegt diese Schätzung bei nur 1,03% und damit auf dem Niveau von August 1929. Im Gegensatz dazu liegt die durchschnittliche, historische Rendite für diese Portfoliomischung bei knapp über 7% pro Jahr.

blank

Hussman führt weiter aus: „Beachten Sie, dass Ende 2021 ein Jahrzehnt der Spekulation durch renditehungrige Anleger die voraussichtlichen Anlagerenditen in den negativen Bereich getrieben hat. Das ist etwas, was nicht einmal bei den Extremen von 1929 und 2000 der Fall war. Die plötzlichen Krisen und finanziellen Anspannungen, die sich heute abzeichnen, sind lediglich die Folgen der extremen Bewertungen und unangemessenen Risikoprämien, die durch die rücksichtslose Nullzinspolitik verursacht wurden."

Jim Bianco zeigt den folgenden Chart: Der S&P 500 wird im abgelaufenen Quartal nur durch acht Aktien, die bekannte FAANG-Gruppe plus Microsoft, Nvidia und Tesla, mit +4,56% über Wasser gehalten. Die übrigen 492 Aktien kommen auf einen Quartalsverlust von 0,99%. Das sah schon mal anders aus – Anfang Februar lagen sie etwa 3,6% im Plus.

blank

Felix Zulauf, Präsident der Schweizer Zulauf Asset Management, schreibt: „Wenn man den Gegenwartswert aller Kosten addiert, sind die USA nicht mit 31 Bill. Dollar (etwa 95.000 Dollar pro Person) verschuldet, sondern mit 230 Bill. Dollar (etwa 710.000 Dollar pro Person). Die Verschuldung im Verhältnis zum BIP liegt nicht bei 130%, sondern bei 800%."

Bei so viel Pessimismus kann es eigentlich nur besser werden…

Dauerthema Inflation: Die PCE-Kern-Inflation (PCEPILFE) kam per Februar auf 4,60% nach +4,67% im Januar. Im Monatsvergleich ist er um +0,30% gestiegen, nach +0,52% im Januar. Der von der Fed besonders beachtete Preisindex hatte im Februar 2022 mit +5,42% sein jüngstes Hoch produziert. Im März 2022 lag er mit 5,36% nur unwesentlich tiefer, im April ging es dann spürbarer runter.

Will sagen: Wir haben es hier (auch) mit einem Basiseffekt zu tun, der noch anhalten dürfte und die Inflationsrate auch noch für März „drücken“ dürfte. Die wird Ende April veröffentlicht; interessant wird es, wenn Ende Mai die Rate für April herauskommt. Mit Blick auf die fünf- und die zehnjährigen Breakeven-Rates ergibt sich die Erwartung der Fianzmärkte, dass die Inflation demnächst nicht deutlich abebbt.

Dauerthema Leitzins: Allgemein wird angenommen, dass auf der FOMC-Sitzung im Mai zu einer Leitzins-Pause kommt. Nach meiner Auswertung wird momentan nach Marktzinsen sogar eine Senkung erwartet, verbunden mit einem frischen Signal von finanziellem Stress. Die Rendite der 2yr-TNotes bei 4,027% unterstreicht ebenfalls die Markterwartung von sinkenden Leitzinsen (aktuelle eff. Fed Funds Rate bei 4,83%).

Ist die Fed mit ihrer geldpolitischen Straffung fertig? Mit der aufgebrochenen Bankenkrise kommt die Straffung nun aus einer zusätzlichen Quelle. Die Banken werden ihre Kreditvergabe einschränken. Der Verlauf der jährlichen Zuwächse bei den gesamten Krediten (Loans and Leases) dürfte zur Jahreswende im Bereich historischer Hochs ausgetoppt haben. Das gleiche gilt auch für die kommerziellen Ausleihungen.

blank

Wie sich dem Chart entnehmen lässt, warnen solche oberen Kehren zusammen mit der Umkehr der Differenz der Renditen der 13wk-TBills und der 10yr-TNotes gewöhnlich vor Rezessionen. Wir befinden uns aus dieser Sicht in einer Frühphase, der Vorlauf beträgt rund sechs bis acht Monate.

Seit Mitte Juni 2022 verschärfen Banken ihre Kreditbedingungen für große und mittlere Unternehmen. Per erstem Quartal 2023 sind 45% diesen Schritt gegangen. Die Spitzenwerte in den jüngsten beiden Rezession lagen jeweils über 70%. Verschärfte Bedingungen ziehen weiter sinkende Kreditvergaben nach sich – ein Alarmzeichen in einer Kredit-zentrierten Wirtschaft.

Ein weiteres Zeichen finanzieller Kontraktion kommt vom Verlauf der Geldmenge her. Das Aggregat M2 ist im Jahresvergleich um 2,35% geschrumpft, so stark wie seit 1930 nicht. Dazu trägt wesentlich die Schrumpfung des Aggregats M0 (Basisgeld) mit –11,9% bei, die wiederum auf das „quantitative tightening“ der Fed zurückgeht.

blank

Was passiert, wenn die Wirtschaft relativ stark bleibt (reale BIP-Entwicklung 1-2%), die Arbeitslosigkeit gering ist und die Inflation bis zur FOMC-Sitzung im Juni und August immer noch über 4% liegt? Könnte es dann weitere Zinserhöhungen geben? Auf jeden Fall, vielleicht nach einer kurzen Pause. Wie Fed-Powell sagte, er hält eine Zinssenkung in diesem Jahr nicht für wahrscheinlich.

Das reale BIP hat im vierten Quartal 2022 um 2,7% zugelegt, nach 3,2% im Quartal davor. Für das gerade ausgelaufene Quartal wird im Mittel mit +1,7% gerechnet. Mein Chart „How Macro is doing“ (wird regelmäßig auf der Startseite aktualisiert – siehe entsprechender Link) zeigt ein auf Wochensicht leicht verbessertes Fundamental-Bild, sowie ein verschlechtertes Stimmungsbild. Die Rezessionswahrscheinlichkeit nach dieser Auswertung ist immer noch gering. Nach Merkmalen der Rendite-Struktur ist seit August vergangenen Jahres mit einer Rezession zu rechnen, die Indiktion hat einen Vorlauf von vier bis sechs Quartalen.

Wenn sich die Wirtschaft jetzt weiter abkühlt, sollten die Gewinnschätzungen der Unternehmen nach unten korrigiert werden, was sich auf die Aktienkurse auswirken dürfte. Schließlich sind auch Schulden ein heftiger Gegenwind für das Wachstum, siehe das obige Zitat von Zulauf! Ob aber Kursziele im S&P 500 zwischen 2900 und 3200, die auf Basis langjähriger KGV-Daten zu erwarten wären, im laufenden Jahr realistisch sind? Ich bezweifele das.

Wenn die Fed und andere Zentralbanken aufgrund von heraufziehenden Krisen, etwa aufgrund von sprunghaft zunehmenden platzenden Krediten, in absehbarer Zeit zu QE zurückkehren werden, ist es sehr gut möglich, dass Aktien bis 2024/25 neue Höchststände erreichen. Dann wird es eine weitere Runde Inflation geben mit der Aussicht, dass die Fed die Leitzinsen auf vielleicht sechs oder sogar sieben Prozent anhebt. Dann folgen noch größere Probleme mit der Verschuldung und den Kosten für die Bedienung dieser Schulden. Eine Rendite von 10% für 10-jährige Staatsanleihen scheint unmöglich. Ist es ausgeschlossen? Vielleicht ein Replay der Zeit von Ende der 1970er und dem Beginn der 1980er Jahre?

Wie sieht es im kürzeren Zeitrahmen für den S&P 500 aus? Der Index hat am zurückliegenden Freitag bei 4109,31 geschlossen. EMA50 und EMA200 sind klar überwunden. Er hat auch gerade wieder das Hoch aus Anfang Dezember erreicht (Chartquelle).

blank

Jetzt ist der wichtige Pegel bei 4150/4160 im Visier. Vermutlich wird der nicht sofort überwunden werden können, so dass es spätestens hier zu einem konsolidierenden Rücksetzer kommen dürfte. So lange dabei der Bereich bei 4030 respektiert wird, brennt für die Bullen nichts an. Ernster wird es, wenn die EMA200 (4000, waagerecht) unter Beschuss kommt.

Für die Bullen spricht der Verlauf meiner Marktindikatoren (sie werden täglich auf der Startseite aktualisiert – siehe entsprechender Link). Die Volumenverteilung ist jetzt in Akkumulation gekippt, ein per se bullisches Zeichen. Gleichzeitig läuft die Marktbreite nach TRIN bullisch. „TQUAL“, gebildet aus den technischen Indikatoren MACD, Stochastik und RSI, hat eine untere Wende vollzogen – die charttechnische Situation bedeutender internationaler Aktien-Indices hat sich stabilisiert.

Auch die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis zeigen für Aktien ein expansives Bild (sie werden täglich auf der Startseite aktualisiert – siehe entsprechender Link). Das Bild würde sich noch weiter verfestigen, wenn lineare Merkmale bei der Kursbildung die Oberhand gewinnen – die Tendenz hierzu zeichnet sich ab.

Auf Sicht einiger Tage ist es jedoch relativ wahrscheinlich, dass es zu einer kleinen Konsolidierung kommt. Vor dem Quartalsende haben sich die Bullen ziemlich angestrengt

Ergänzung:
Bisher nur wenige Bankpleiten
blank
Abflüsse von Bankeinlagen
blank

Das könnte Sie auch interessieren:

Bewertung: 5.0/5
Please wait...
blank
Schlagwörter: , , , , ,