Ordoliberalismus und Wettbewerb

Der marktwirtschaftliche Wettbewerb ist mittlerweile durch Planwirtschaft ersetzt worden, vor der wir immer gewarnt wurden, als es noch den „Ostblock“ gab. Ich knüpfe mit den folgenden Bemerkungen an dem Artikel „Wegwerf-Wirtschaft und der Wettbewerb“ an.

Die Freiburger Schule war eine Forschungs- und Lehrgemeinschaft von Ökonomen und Juristen, die in den 1930er Jahren anfing, an der Universität in Freiburg i.B. die deutsche Ordnungsökonomik zu entwickeln. Der Ordoliberalismus bildete die Grundlage der Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Er lehnte die reine Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung ebenso ab wie die Zentralverwaltungs-Wirtschaft.

Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft hatten nach dem Zweiten Weltkrieg in der praktischen Wirtschaftspolitik in der BRD eine gewisse Bedeutung. Das hing mit der speziellen Situation zusammen. Dem „Westen“ war daran gelegen, sich dem „Osten“ gegenüber als die bessere Gesellschafts- und Wirtschaftsform zu präsentieren. Außerdem waren die USA als Taktgeber des Westens an stabilen sozialen Verhältnissen interessiert.

Diese Phase endete mit dem Ende des Systems von Bretton Woods, das letzten Endes über die Beweglichkeit des internationalen Kapitals die Spielräume der Nationalstaaten immer weiter einschränkte und nach und nach alles dem Verwertungsaspekt des Kapitals unterwarf. Soziale Leitlinien in der Wirtschaftpolitik hatten in diesem veränderten Umfeld keinen Platz mehr.

Was will die Freiburger Schule?
Die bekanntesten Vertreter der Freiburger Schule sind der Ökonom Eucken und der Jurist Böhm von Bawerk; zu den Gründern gehörte auch der Jurist Großmann-Doerth; etwas später stießen neben anderen von Dietze und Lampe hinzu. Auch die Ökonomen Miksch, Röpke und Rüstow werden zur Freiburger Schule gezählt. Ihre Vorstellungen sind ein wenig in Vergessenheit geraten.

Die Freiburger Schule definiert als Ziel ihrer ordnungsökonomischen Überlegungen die Gestaltung einer „funktionsfähigen und menschenwürdigen Wirtschaftsordnung". Die zur Herstellung einer Wettbewerbsordnung konstituierenden Prinzipien sollen deren Funktionsfähigkeit sicherstellen, die notwendigen regulierenden Prinzipien sollen die Menschenwürdigkeit der Ordnung unterstützen, wie es hieß. Dem zweifachen Machtproblem soll im Fall privater Macht durch die Wettbewerbsordnung und im Fall staatlicher Macht durch die Bindung an rechtsstaatliche Regeln und ordnungspolitische Grundsätze begegnet werden.

Zu den konstituierenden Prinzipien der Freiburger Schule zählt in erster Linie ein „funktionsfähiges Preissystem vollständiger Konkurrenz”. Das Leitbild der „Wettbewerbsfreiheit” ist das zentrale „Grundprinzip”. Der Preismechanismus kann seine Lenkungsfunktion aber nur im Rahmen einer inneren (und äußeren) Geldwertstabilität erfüllen. Das soll durch eine feste Bindung der Geldschöpfung an durchschnittliche Knappheiten eines Warenbündels geschehen, die „Waren-Reserve-Währung”. Damit der Wettbewerb seine Koordinations- und Kontrollfunktionen erfüllen kann, ist auch ein freier Marktzutritt erforderlich. Das bedeutet v.a. die Aufhebung von Zöllen und Mengenbeschränkungen im internationalen Handel, freie Berufswahl, Gewerbefreiheit und eine Begrenzung des Patentschutzes.

Die Freiburger Schule sieht als Voraussetzung einer Wettbewerbswirtschaft das Privateigentum an Produktionsmitteln an. Das bedeutet auch Vertragsfreiheit, allerdings mit Grenzen. So ist die Bildung von Kartellen keine legitime Nutzung der Vertragsfreiheit. Haftungsbeschränkungen sind aufzuheben, der Chance auf Gewinn muss das Risiko des Verlusts gegenüberstehen.

Die staatliche Wirtschaftspolitik muss vorhersehbar und stetig sein. Das soll die Wirtschaftssubjekte in der Lage versetzen, langfristige Pläne, etwa Investitionsprojekte, zu verfolgen. Zu diesem staatlichen Rahmen gehört auch die Rechtssicherheit.

Die den konstituierenden Prinzipien nachgeordenten regulierenden Grundsätze begründen wirtschaftspolitische Eingriffe in den Marktprozess, die notwendig oder sinnvoll sind, um das Leitbild der Wettbewerbsfreiheit menschenwürdig zu gestalten, wie es heißt. So soll Marktmacht eingedämmt werden. Bei strenger Anwendung des Prinzips offener Märkte sollte es nur noch wenige, sog. natürliche Monopole geben, die regulierungsbedürftig sind. Für die Korrektur unerwünschter marktlicher Primärverteilung ist eine progressive Einkommensteuer vorzusehen. Die „Internaliserung externer Effekte“ umfasst Maßnahmen zur Korrektur von externen Effekten und anomalen Angebotsreaktionen auf Preisänderungen. Eucken hatte dabei schon 1952 einen staatlichen Handlungsauftrag im Bereich der Umweltpolitik gesehen.

Hinsichtlich der Rolle des Staates strebt die Freiburger Schule einen „starken” und „aktionsfähigen” Rechtsstaat im Sinne einer neutralen, von wirtschaftlichen Machtgruppen unabhängigen Ordnungsinstanz an. Die Wirtschaftspolitik soll sich dabei auf die Gestaltung der Ordnungsrahmen für die Wirtschaft beschränken, ein operativer Eingriff in den Wirtschaftsprozess wird abgelehnt. Wirtschaftliche Machtgruppen sollen aufgelöst, bzw. ihre Funktionen begrenzt werden.

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle]

Die für die Freiburger Schule zentrale Wettbewerbstheorie wurde durch den Nobelpreisträger August von Hayek entscheidend weiterentwickelt. Er sah im wirtschaftlichen Wettbewerb ein „Entdeckungsverfahren”. In einer gewachsenen oder spontanen Ordnung erfolgt fortlaufend eine Anpassung an eine große Zahl an Einzeltatsachen. Das Ergebnis ist prinzipiell nicht vorhersehbar, es hängt von den Handlungen der Individuen vor dem Hintergrund spezifischer Umstände ab. Diese Prozesse und Tatsachen sind niemandem in ihrer Gesamtheit bekannt. Die Informationen über Güter, Preise, Präferenzen, sowie Pläne von Anbietern und Nachfragern erfahren die wirtschaftlichen Akteure erst durch den Wettbewerb selbst. Der Wettbewerb ist also nach von Hajek ein Prozess zum Erwerb von wirtschaftlichem Wissen. Freie Preise sorgen für die Anpassung der unterschiedlichen individuellen Pläne. Besonders wichtig ist dabei die Information, welche Pläne, etwa Investitionen, nicht funktionieren.

Heutzutage wird ein solcher wettbewerblicher Wissensprozess durch eine immer expansivere staatliche Finanz-, Geld- und Regulierungspolitik verhindert. Es entstehen dauerhafte Verzerrungen. Als Beispiel mag die seit Jahren nach unten manipulierte Zinspolitik gelten, in deren Rahmen zunehmend unproduktive Investitionen betrieben werden. Ich hatte mich mit dem Thema ausführlich u.a. hier beschäftigt.

Eine Form „grüner“ staatlicher Planwirtschaft bremst insbesondere so auch die Wirtschafts- und Innovationskraft aus, die notwendig ist, um negative Effekte menschlichen Handelns z.B. auf die Umwelt zu reduzieren. Solche zentralen Pläne verzerren den Wirtschaftsprozess, der damit als „Entdeckungsverfahren” (von Hajek) nicht mehr funktioniert. Stattdessen maßen sich zentrale Planer umfassendes Wissen an.

Erweist sich die grüne Zentralplanung als Irrweg, wird eine immense Verschwendung von Ressourcen sichtbar, die zwar einigen wenigen, nicht aber dem Schutz des Ökosystems dient. Aus meiner Sicht ist sie schon deswegen ein Irrweg, weil es nicht um die Dekarbonsierung der Energiegewinnung geht, sondern um die Einschränkung des Ressourcenverbrauchs insgesamt, der durch Ausschaltung des Wettbewerbs in einer Wegwerfideologie ausgeartet ist (siehe auch hier!).

Wie hier dargestellt, haben die zunehmenden Eingriffe in den freien Wettbewerb eine lange Vorgeschichte. Mit der immer weiter gehenden Aufhebung des Wettbewerbs schneidet sich der Kapitalismus von seiner wichtigsten Erkenntnisquelle ab. Man könnte auch sagen, er bringt sich so selbst um.

Die Freiburger Schule stellt zu recht auf den Wettbewerb als das zentrale Prinzip der Wirtschaftsordnung ab. Da der Wettbewerb nicht aus sich heraus bestehen bleibt, ist ein starker Staat nötig, dessen Aufgaben die Freiburger Schule korrekterweise im Setzen eines festen staatlichen Ordnungsrahmen sieht. Dieser Ordnungsrahmen schließt auch Eckpunkte hinsichtlich Verteilungs-Gerechtigkeit ein.

Zwei Fragen bleiben mit dem Blick auf die Entwicklung der zurückliegenden Jahrzehnte:
Warum bleibt der Wettbewerb nicht aus sich heraus stabil?
Warum hat sich die wirtschaftliche Rolle des Staates gewandelt in Richtung einer zentralen Planungsinstanz?

Hinsichtlich der ersten Frage zeigt Karl Marx meiner Meinung nach zu recht, dass es auf der Grundlage des tendenziellen Falls der Profitrate eine dem Kapitalismus inhärente Tendenz zu monopolartigen Strukturen gibt, die das System der freien Preise nach und nach aushebeln. Andere führen diese Tendenz auf das Privateigentum an Produktionsmitteln zurück. Kritisiert wird dabei insbesondere, dass Unternehmen selbst zur Ware werden. Das begünstigt die Konzentration. Formen des Verantwortungs-Eigentums könnten zudem helfen, dass unternehmerische Initiativen ihre Intentionen aus der Freude an nützlichen Produkten für andere Menschen beziehen könnten (siehe hier!).

Die Antwort auf die zweite Frage hängt eng mit dem Privateigentum an Produktionsmitteln zusammen. Diejenigen gesellschaftlichen Kräfte, die über die Produktionsmittel verfügen, haben per se eine übermächtige Stellung in der Gesellschaft. Wie sagte z.B. Richard Coudenhove-Kalergi 1925 so richtig (bevor er später alles widerrief): „Die Verfassungsform, die Feudalismus und Absolutismus ablöste, war demokratisch; die Herrschaftsform plutokratisch. Heute ist Demokratie Fassade der Plutokratie: weil die Völker nackte Plutokratie nicht dulden würden, wird ihnen die nominelle Macht überlassen, während die faktische Macht in den Händen der Plutokraten ruht. In republikanischen wie in monarchischen Demokratien sind die Staatsmänner Marionetten, die Kapitalisten Drahtzieher: sie diktieren die Richtlinien der Politik, sie beherrschen durch Ankauf der öffentlichen Meinung die Wähler, durch geschäftliche und gesellschaftliche Beziehungen die Minister.“ (Praktischer Idealismus, Kap. 8; 1925 – siehe hier, hier oder hier).

Wie kann man in einer auf Privateigentum an Produktionsmitteln basierenden Gesellschaftsform mit der entsprechenden Verteilung wirtschaftlicher Macht verhindern, dass der Staat „gekapert“ wird? Auf diese Frage habe ich keine schlüssige Antwort. Selbst wenn anfänglich der Staat die Rolle einnimmt, die ihm etwa nach der Freiburger Schule zukommt – wer garantiert, dass eines Tages die Regeln nicht geändert werden? Die Rolle des Staates müsste dazu zumindest in der Verfassung festgeschrieben werden. Aber auch das ist keine Garantie, wie man an der zunehmenden Einschränkung demokratischer Verfassungsrechte im Rahmen von „Corona“ sehen kann.

Ein entscheidener Punkt bleibt noch. John Maynard Keynes (Nationale Selbstgenügsamkeit, 1933) schrieb: „Ideen, Wissen, Kunst, Gastfreundschaft, Reisen – das sind die Dinge, die ihrer Natur nach international sein sollten. Aber lasst die Waren, wann immer es vernünftig und bequem möglich ist, selbst hergestellt werden; und vor allem sollten die Finanzen in erster Linie national sein.“

Die systematische Beseitigung von Wettbewerbsstrukturen ist ein Zeichen von Schwäche, Ausdruck der zunehmenden Krisenanfälligkeit im heutigen Stadium des Kapitalismus. Der „Great Reset“ eines Herrn Schwab von World Economic Forum ist das Eingeständnis dessen. Mit der Parole der Dekarbonisierung der Energieerzeugung soll im Stile eines Rattenfängers von Hameln der Bevölkerung eingeredet werden, wir seien alle gemeinsam vom „Klima“ bedroht. Wenn die Bevölkerung von irgendetwas bedroht ist, dann genau von solchen Kräften.

Ohne Wettbewerb geht es nicht. Der marktliche Wettbewerb ist die Erkenntnisquelle für die aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Der Ordoliberalismus ist ein durchaus vernünftiges Modell für die Schaffung einer menschenwürdigeren Wirtschaft.

Wir brauchen auch eine stärkere Regionalisierung im Sinne von Keynes (s.o.!). Die nationale Ausrichtung der Finanzen ist dabei besonders wichtig. Sie gibt den Nationalsstaaten ein Stück ihrer Souveränität zurück, die sie im Zuge der internationalen Freizügigkeit des Kapitals insbesondere nach Ende des Regimes von Bretton Woods eingebüßt haben.

Wir brauchen kurz- und langfristige Verhältnisse, die die Sicherung der materiellen Bedürfnisse unserer Gesellschaft im Auge haben. "Grüne" Zentralplanung ist dem genau entgegengesetzt. Die moralische Klima-Erpressung nutzt nur fremden Interessen.

Ergänzung:
John Maynard Keynes: „Die Liebe zum Geld als ein Wert in sich -was zu unterscheiden ist von der Liebe zum Geld als einem Mittel für die Freude und die wirklichen Dinge des Lebens- wird als das erkannt werden, was sie Ist, ein ziemlich widerliches, krankhaftes Leiden, eine jener halb-kriminellen, halb-pathologischen Neigungen, die man mit Schaudern den Spezialisten für Geisteskrankheiten überlässt. (…) Wir werden die Zwecke wieder höher werten als die Mittel und das Gute dem Nützlichen vorziehen.

Nachtrag:
(5.1.23) „Stellt sich soziale Macht gegen den Markt, wird diese immer unterliegen. … Politik mag ökonomische Gesetze bestreiten, kann aber nur im Rahmen ökonomischer Verhältnisse agieren. Wer dies nicht akzeptiert, wird auf Sicht eine Volkswirtschaft ruinieren – zunächst vielleicht kaum wahrnehmbar oder schleichend … am Ende des Tages allerdings mit voller Wucht." (Eugen Böhm von Bawerk)

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