Stagflation – ein Übel kommt selten allein

In der zurückliegenden Woche gab es Wortmeldungen von einigen bedeutenden Vertretern der Finanzindustrie zur aktuellen Lage und zum Ausblick. So sagte BlackRock-Chef Larry Fink, er erwarte eine auf einige Jahre hinaus hohe Inflation.

Als Grund gab er gestörte Lieferketten an, aber auch die Transformation in Richtung grüner Energie. Zudem sei der Krieg in der Ukraine für eine Reihe grundlegender Änderung in der Weltwirtschaft verantwortlich. Unternehmen und Regierungen müssten sich mehr auf ihre lokalen Möglichkeiten konzentrieren. Man kann auch "Deglobalisierung" dazu sagen.

Der Chef von JPMorgan Chase & Co., Jamie Dimon, warnte Anleger, sie müssten sich in Zusammenhang mit der schärferen geldpolitischen Gangart der Fed auf einen wirtschaftlichen Hurrikan vorbereiten. Auch der Präsident der Goldman Sachs Group, John Waldron, sieht schwierige wirtschaftliche Zeiten voraus. Fink, Blackrock verwaltet 9,6 Bill. Dollar an Vermögen, schloss sich dem an und sprach von weiteren Markt-Tumulten. Seine Investoren hätten aber bisher keine bedeutenden Änderungen in ihrer Asset-Allokation vorgenommen.

Die Fed hat nun begonnen, ihre 8,9 Bill. Dollar schwere Bilanz zu schrumpfen. US-Geschäftsbanken haben aktuell etwa zwei Bill. Dollar bei der Fed geparkt, anstatt sie anderweitig „arbeiten“ zu lassen. Das zeugt von Risikoscheu.

In der aktuellen globalen Umfrage der Bank of America sind Long-Positionen bei Rohstoffen und Öl mit 28% die beliebtesten Trades unter den Fondsmanagern. Für längerfristig steigende Rohstoffpreise spricht nicht nur der erhöhte Rohstoffverbrauch durch die Energiewende. Auch sind die Investitionen im Bergbausektor seit vielen Jahren relativ gering, der Anteil der Mineninvestitionen am globalen BIP ist nach Zahlen des Research-Hauses "Alpine Macro" aktuell lediglich halb so hoch wie vor zehn Jahren.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet ebenfalls mit deutlich steigenden Preisen bei Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer bis 2030: „Es kann bis zu zwei Jahrzehnte dauern, bis neue Bergwerke erschlossen werden“. Werden die aktuellen Klimaziele beibehalten, könnte laut DIW Kupfer bis 2030 um 70%, Lithium um 180% steigen.

Mit der Preisentwicklung bei Rohstoffen hatte ich mich u.a. hier und hier beschäftigt. Neben der Energiewende kommt als Grund für steigende Rohstoffpreise der Trend zur Urbanisierung in den Emerging Marktes, aber nicht nur dort hinzu. Mit steigendem Lebensstandard in fast allen sich entwickelnden Ländern der Erde steigt der Protein-Verbrauch (Fleisch), was wiederum die Nachfrage nach zahlreichen Rohstoffen fördert.

Weitere Faktoren unterstützen aufwärts gerichtete Preise bei Rohstoffen. So befinden sich die Lagerbestände wichtiger Metalle auf Tiefständen wie seit Anfang der 1990er Jahre nicht (Chartquelle).

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Alles zusammen genommen ergeben sich starke Argumente für den Beginn eines Rohstoff-Superzyklus, wie ich das hier vor einem Jahr schon angesprochen hatte. Zudem fallen die Hochpunkte der Rohstoffpreise recht gut mit den jeweiligen oberen Scheitelpunkten der langen Kondratieff-Zyklen zusammen – es ergibt sich ein recht klares zyklisches Muster über jeweils fünf bis sechs Dekaden.

Viele Beobachter sehen mittlerweile Parallelen zu den 1970er Jahren. Seinerzeit ging es ebenfalls kräftig aufwärts bei den Rohstoffpreisen, insbesondere auch beim Öl. Um 1980 herum wurde hier ein lokales Topp erreicht. Im Herbst 1973 drosselten arabische Ölstaaten die Förderung und verhängten ein Embargo. Der Ölpreis stieg zeitweilig um das Vierfache. Die zweite Ölkrise folgte 1979/80, nachdem im Iran die Monarchie unter Schah Mohammad Reza Pahlavi durch die islamische Revolution beendet worden war. Die ökonomische Folge des starken Preisanstiegs nicht nur bei Öl war über weite Strecken eine Stagflation – die Wirtschaft stagnierte, die Preise stiegen. Die US-Wirtschaft fiel von November 1973 bis März 1975 und dann nochmals von Januar bis Juli 1980 in eine Rezession.

Die Hochpunkte der Rohstoffpreise korrespondieren recht gut mit den lokalen Maxima bei der Entwicklung der Verbraucherpreis-Inflation. So gab es 1980, dem jüngsten Hoch beim übergeordneten Zyklus der Rohstoffpreise, z.B. eine Steigerung des US-CPI um 15%. Der folgende Chart zeigt einen guten Gleichlauf der jährlichen Preissteigerungen bei Rohstoffen und Verbraucherpreisen über die jüngsten 15 Jahre (Chartquelle).

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Die nachhaltig steigenden Rohstoffpreise (auch die für Agrarrohstoffe) sind der wesentliche Hintergrund für das "Dilemma", in dem die Geldpolitik der Zentralbanken steckt. Verglichen mit den 1970er Jahren kommen noch einige Punkte verschärfend hinzu: Zur damaligen Zeit lag die Verschuldung insgesamt deutlich niedriger als heute, z.B. hat sich die Quote der Gesamtverschuldung in den USA zum BIP seit 1975 verdoppelt (nicht berücksichtigt dabei außerhalb des Staatshaushalts anfallende Verpflichtungen wie Pensionen usw.). Gleichzeitig waren die Wachstumskräfte der Wirtschaft sehr viel lebendiger. Das globale BIP wies in den 1970er Jahren noch eine jährliche Steigerungsrate von rund zehn Prozent auf, um 2000 herum wurden noch rund sechs Prozent erreicht, aktuell kommt der Wert noch auf rund drei Prozent. Siehe hierzu auch: „Globalisierung im Rückwärtsgang“.

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Fed & Co haben bei Angebots-induzierter Inflation, wie etwa bei steigenden Rohstoffpreisen, nur wenig Möglichkeiten, diese direkt zu beeinflussen – es sei denn, sie würgen die Konjunktur brutal ab. Das wird sich kein Zentralbanker nachsagen lassen wollen, zumal bei der mittlerweile äußerst fragilen Struktur der hochverschuldeten Wirtschaften auf der Welt besondere Vorsicht geboten ist. Schnell ist da durch eine vorschnelle Entscheidung ein deflationärer Dominoeffekt angestoßen. Hinzu kommt, dass Inflationierung in einer Welt überbordender Schulden neben Pleite machen der einzige Lösungsweg ist.

Das alles führt dazu, dass effektive inflationsdämpfende Maßnahmen nicht ergriffen werden, bzw. eher früher als später zurückgenommen werden. Das wiederum verstärkt die Aussicht auf eine lang anhaltende Periode kräftig steigender Preise, gepaart mit einer stagnierenden Wirtschaft. Damit einher geht eine Verschlechterung des Lebensstandards der mittleren und unteren Einkommensschichten, sie sind bei Inflation stets am stärksten betroffen.

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