Der Neokollektivismus des Herrn Schwab

Der Gründer des World Economic Forum (WEF), Klaus Schwab, hat in einem Interview anlässlich des 50. Jahrestreffens des WEF auf die Frage, warum das Forum gebraucht wird, geantwortet: „Um eine effektive Zusammenarbeit von Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft für eine bessere Zukunft zu initiieren.“

Die Worte klingen harmlos, wie so vieles aus dem Munde von Schwab harmlos klingt. Schwab spielt mit seinem WEF als der Interessenvertretung der größten Unternehmen weltweit mittlerweile eine extrem wichtige Rolle im Zeitgeschehen. Daher ist es erforderlich, seine Worte auf die Goldwaage zu legen, auch wenn manches im folgenden zunächst spitzfindig klingen mag.

Schwab meint im obigen Zitat implizit, dass „die Wirtschaft“, „die Politik“ oder „die Zivilgesellschaft“ die Interessen der ihnen jeweils zuordneten Menschen vertreten würden. Diese drei Kollektive sind dabei offenbar mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet – sie arbeiten und sie haben ein Ziel, eine bessere Zukunft.

Eine solche Sicht auf ein Kollektiv führt dazu, in ihm eine eigenständige Rolle zu sehen. Mehr noch, dem Kollektiv werden übergeordnete Eigenschaften zugesprochen. Das Kollektiv ist wichtiger als deren Mitglieder, die Mitglieder haben sich dem Kolletiv unterzuordnen.

Eine solche Sicht führt im Extremfall zu den kollektivistischen Diktaturen im 20. Jahrhundert mit ihrem unermesslichen Leid und Millionen von Toten. Dabei ist es gleichgültig, was man unter Kollektiv versteht, ob „Rasse“ oder „Klasse“, es kommt auch nicht darauf an, wie groß es ist oder welche Ziele es verfolgt. Wenn die Handlungsfreiheit von Menschen unter Bezug auf übergeordnete Ziele eines Kollektivs eingeschränkt wird, ist der Weg offen in Richtung eines kollektivistischen Totalitarismus.

Schwab behauptet in dem oben angegebenen Zitat außerdem implizit, dass er Vorstellungen hat, wie eine bessere Zukunft aussieht. Zudem hat er offenbar gewisse Vorstellungen darüber, wie der Weg dahin aussieht. Und schließlich fühlt sich Schwab offenbar auch mächtig genug, hier aktiv zu werden, wie es in „initiieren“ zum Ausdruck kommt. Da Schwab zudem von „effektiver Zusammenarbeit“ spricht, schwebt ihm so etwas wie ein Super-Kollektiv vor.

Damit kommen in dem obigen Zitat drei Elemente zusammen: Ein autonomes, zielgerichtet handelndes Kollektiv, die Annahme überlegenen Wissens und Macht. Das ist die Mixtur für einen brandgefährlichen Kollektivismus.

Wie weit Schwabs Einfluss seiner Meinung nach bereits vorangeschritten ist, wird mit einem anderen Zitat aus dem Interview deutlich. Er brüstet sich mit: „Von der politischen Seite her ist jeweils praktisch aus jedem wichtigen Land eine ministerielle Delegation da, und von der Wirtschaftsseite sind alleine von den 300 wichtigsten Unternehmen weltweit über 200 durch ihren Chef vertreten.“

Schwab ist ein Neokollektivist, der die „Klasse“ oder „Rasse“ der früheren Kollektivisten durch die „Weltgemeinschaft“ ersetzt. Die Bedrohung des einzelnen Menschen, die Gefahr für seine Freiheit und sein Wohlergehen, könnte damit nicht größer sein.

Schwab und andere kollektivistische Zentralplaner denken groß von sich selbst und klein von anderen. Dem Kollektivismus entspricht eine Macht-Vorstellung, jedwedes Geschehen nach eigenem Gutdünken beeinflussen zu können. Dies gilt für Schwabs Neokollektivismus in besonderem Maße. Wie aus anderen Veröffentlichungen hervorgeht, glaubt er an die Allmacht von Wissenschaft und Technik und versteigt sich dabei zu einem Transhumanismus, der Mensch und Natur durch Technologie zu einem Ideal formen will.

Schwab glaubt an die Möglichkeit einer zentralen Plan- oder Kommandowirtschaft. Der „Ostblock“ hat aber gezeigt, dass dies in Bezug auf die Wirtschaft unmöglich ist. Dies gilt auch heute, selbst unter Anwendung von Methoden der Künstlichen Intelligenz, die bei Licht betrachtet nur eine Form von elaboriertem Lernen sind. Die von den Austrians, u.a. von Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek beschriebenen Faktoren sind es, die eine kollektivistische Globaltransformation zur Rettung des Planeten scheitern lassen. Im Kern geht es um die Unübersichtlichkeit der Beziehungen des raum- und zeitübergreifenden Netzwerks wirtschaftlicher Tauschbeziehungen.

Eine globale Zentralplanung würde kein Traum, sondern ein Albtraum. Die zerstörerischen Folgen dieser Planwirtschaft, die negativen Auswirkungen auf Freiheit und Wohlergehen der Menschen, dürften weit über das hinausgehen, was in der Geschichte kollektivistischer Maßnahmen bisher zu sehen war.

Es wird Zeit, die Kräfte der Freiheit in einer Wirtschaft wirken zu lassen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Selbstverständlich gibt es dabei auch Kollektive im Sinne einer Gruppe von Menschen, die sich auf der Grundlage gemeinsamer Interessen freiwillig zusammenschließen. Entscheidend dabei ist aber, dass eine solche Gruppe nicht zu einem autonom handelnden Subjekt entartet, bzw. so gesehen wird.

Die neokollektivistische Strömung des Herrn Schwab wäre schnell am Ende, wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung inklusive der Menschen mit Macht und Einfluss sich darüber im Klaren wäre, dass Kollektivismus mit welchen Absichten auch immer scheitert und zerstörerische Folgen mit sich bringt.

[Unter Verwendung von Material aus "Klaus Schwab und der Neokollektivismus"]

Ergänzung:
In seiner Eröffnungsansprache beim diesjährigen, nach seinen Worten “folgenreichsten” WEF-Treffen sagte Schwab: „Die Zukunft passiert nicht einfach so; die Zukunft wird von uns gestaltet, von einer starken Gemeinschaft, wie Ihnen hier in diesem Raum. Wir haben die Mittel, um den Zustand der Welt zu verbessern, aber zwei Bedingungen sind notwendig: Der erste ist, dass wir alle als Interessenvertreter größerer Gemeinschaften agieren. Dass wir nicht nur dem Eigeninteresse dienen, sondern der Gemeinschaft dienen. Das nennen wir Stakeholder-Verantwortung. Und zweitens, dass wir zusammenarbeiten.“
Die Verbesserung der Welt – für wen?
Und: Wer hat die Welt in den aktuellen Zustand gebracht?

Nachtrag:
(10.6.22) Auffallend ist, dass Schwab bisher nie zu einem der größten Probleme unserer Zeit Stellung genommen hat, der überbordenden Verschuldung. In diesem Zusammenhang ist der Beitrag des Anthropologen David Graeber in seinem Buch über die Geschichte der Verschuldung interessant. Ich hatte es in "Amargi – die Geschichte der Verschuldung" besprochen.

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