Fed gegen Inflation – Tiger oder Bettvorleger?

Die Fed hat am zurückliegenden Mittwoch die Leitzinsen um 0,25% auf den Ziel-Bereich von 0,25% bis 0,50% erhöht. Sie hat weitere Steigerungen angekündigt und eine Straffung der Liquiditätsversorgung in Aussicht gestellt. Das war auch so erwartet worden.

Zuvor hatte Fed-Chef Powell verbal seine Muskeln spielen lassen und mehrfach den früheren Fed-Chef Volcker erwähnt, der in den frühen 1980er Jahren mit brachialen Zinserhöhungen die seinerzeit galoppierende Inflation heruntergebrochen und dabei auch eine doppelte Rezession in Kauf genommen hatte. So sollte wohl das Bild inszeniert werden, der aktuelle Fed-Chef sei genauso wild entschlossen wie Volcker, der Inflation den Garaus zu machen.

Powell hielt bis Dezember 2021 an dem Märchen von der „transienten“ Inflation fest, und musste dann eingestehen, dass sie nun wohl ein wenig länger (aber nicht unbegrenzt) verweilen dürfte. An dieser Einstellung hat sich bezogen auf die jüngste FOMC-Sitzung nichts geändert. Zwar werden die Inflationsprojektionen für 2022 von 2,6% auf 4,3% angehoben, aber schon für 2023 werden nur noch 2,7% (vorher 2,3%) prognostiziert. In 2024 sieht man eine Preissteigerung von 2,3% (vorher 2,1%).

Mit anderen Worten: Der Preisdruck erscheint der Fed mittelfristig als wenig bedrohlich. Auch die Gefahr von Zweitrundeneffekten über Lohnsteigerungen schätzt sie nicht hoch ein. Da die Fed auch den sprunghaften Anstieg der Rohstoffpreise nicht als dauerhaft ansieht, kommt es eben zu dem sehr gemäßigten Ausblick auf die Inflation.

Aus dieser Einschätzung heraus ergibt sich, dass Powell in der Realität eben doch nicht den Volcker gibt. (Der sagte übrigens kurz vor seinem Tod durchaus treffend, die einzige nützliche Innovation, die das Finanzwesen in 25 Jahren hervorgebracht hat, sei der Bankautomat.)

Insgesamt rechnet die Fed bis 2024 nun mit elf statt bisher acht Zinsschitten. Wenn sie auf jeder der in diesem Jahr verbleibenden FOMC-Sitzungen Steigerungen vornimmt und 2023 noch einmal vier durchführt, landet man Ende des kommenden Jahres bei einem Leitzinsniveau von dann 2,75%. Man werde aber nicht automatisch sondern „datenbezogen“ handeln, heißt es – das immer wiederkehrende nette Signal, dass man im Zweifel lieber nichts tut oder sogar senkt.

Ab Mai soll der Liquiditätsabzug beginnen. Der nimmt sich das Quantitative Tightening zwischen 2017 und 2019 zum Vorbild, die Fed wird lediglich auf die Wiederanlage fällig werdender Anleihen verzichten. Von Immobilienanleihen will sich die Fed schneller trennen, um den heiß gelaufenen Häusermarkt abzukühlen. Mit anderen Worten: Auf längere Sicht wird die Fed Staatsanleihen halten, an eine aktive Verkürzung ihrer Bilanz ist nicht gedacht.

Rückblende: Ende 2015 hatte die Fed bei einem Leitzins von 0,125% mit einer Serie von Zinsschritten begonnen, die schließlich im Dezember 2018 bei 2,375% endete. Darauf folgte ein neuer Bull-Run bei Aktien, der ab August 2019, müde geworden, nochmals Rückenwind durch drei abwärts gerichtete Zinsschritte bekam. Und dann kam … „Corona“.

Mit der jetzt eingeschlagenen geldpolitischen Linie werden die US-Renditen noch lange real negativ bleiben.

Die Einschätzung der Fed von nur mittelfristig hohem Inflationsdruck ist fragwürdig. Der US-CPI kam im Februar auf eine jährliche Steigerung von 7,9% nach 7,5% im Januar. Der Index der Rohstoffpreise PPIACO erreichte im Februar im Jahresvergleich +20,1%. Er dürfte im März deutlich höher notieren, weil ein großer Teil des „Ukraine-Effekts“ erst dann auftrat. Auch die mit den Covid-Ausbrüchen, bzw. deren Bekämpfung in China wieder brüchiger werdenden Lieferketten wirken preissteigernd, ebenso die Frachtraten. Hinzu kommen Lieferausfälle aus der Ukraine und Russland.

Selbst wenn es alle diese hinzukommenden Faktoren nicht gäbe, bliebe der preistreibende Effekt der grünen Transformation und der eines anlaufenden Rohstoff-Superzyklus. Beides dürfte miteinander in Verbindung stehen.

Die Fed senkt ihre Wachstumsprojektionen für 2022 auf 2,8% (vorher 4,0%). Die Stimmung in der Industrie bleibt nach ISM-Index positiv, nach NFIB (kleine und mittlerwe Unternehmen) bewegt sie sich auf einem ein-Jahres-Tief. Das gilt auch für das Verbrauchervertrauen, das Verbrauchersentiment steht so tief wie seit Septmeber 2011 nicht. Der folgende Chart gbt einen Überblick.

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Nach Makro-Daten steht die Rezessionswarnung auf Stufe eins (von drei), werden Finanzdaten eingebezogen, steht sie auf zwei (von vier). Die Auswertung von Merkmalen der Zinsstruktur gibt aktuell keine Rezessionswarnung. Die Spreads am langen Ende sind jedoch eng, am kurzen Ende (bis zwei Jahre) ist die Zinsstruktur steil. Ich werte das als Zeichen der Wirkung massiver Zins-Manipulationen – die kurzen Renditen sind extrem gedrückt.

Das wird auch dadurch deutlich, dass die Fed den „neutralen“ Leitzins bei 2,4% sieht, bei dem das Wachstum weder angeregt noch gebremst wird. Der Wicksell-Spread wirkt expansiv, das aktuelle Wirtschaftswachstum wird v.a. von der monetären Seite her stark getrieben. Eine Wirtschaft, die nicht auf dem Boden einer gesunden Real-Wirtschaft steht – wie soll da ein „Soft-Landing“ gelingen? Bisher hat es auch bei besseren Bedingungen nie funktioniert.

Die aktuelle Lage der Wirtschaft in den entwickelten Ländern ist gekennzeichnet durch strukturelle Krisen, staatliche und private Überschuldung, notwendige Infrastrukturinvestitionen, hohe soziale Kosten, überbordende Finanzialisierung und immer bizarrere, sprich teurere Versuche der USA, die Verbündeten auf Linie zu zwingen und vor den Karren der eigenen Interessen in Bezug auf Russland und China zu spannen.

Auch aus dieser Sicht wird aus Powell kein Volcker. Eine solche Lage erfordert ein immer größeres Ausmaß an frischer Liquidität. Volcker hatte 1981 die Inflation mit Leitzinsen von 19% hingerichtet. Das gelang, die Realwirtschaft stand noch auf halbwegs soliden Füßen, die Verschuldung war handelbar. Und die Rolle des Dollar war unangefochten. Damals lag der reale Leitzins bei plus 9,5%, heute kommt er er auf minus 7,6%.

Dabei ist bei der Inflationsberechnung noch gar nicht berücksichtigt, dass diese heutzutage mit allerlei Tricks heruntergerechnet wird – Stichworte hedonistische Messung, vollkommene Preiselastizität usw. – zur Manipulation der Inflationsindices siehe hier!

So lange steigende nominale Renditen von im Vergleich dazu schneller steigenden Inflationsraten überkompensiert werden, bleiben Zinsanlagen gegenüber Aktien wenig attraktiv. So lange verleiht die Inflationsillusion Aktien noch eine gewisse relative Stärke. Dabei sehen Aktionäre die nominal steigenden Gewinne als real an und beenden die Illusion erst, wenn die Bond-Halter dauerhaft steigende Renditen fordern (siehe auch hier!).

Die deutsche Wirtschaft ist mit ihrer Rohstoffarmut und ihrer Exportorientierung aktuell die Hauptleidtragende der „Ukraine-Situation“. Sie zahlt die Zeche für die konzeptionslose, wirre Energiepolitik der Ära Merkel (hinter der man doch ein System vermuten kann). Die Sanktionen gegenüber Russland kommen als Bumerang über steigenden Kostendruck bei Unternehmen und Kaufkraftverluste der Verbraucher zurück. Der seit Beginn der Umfrage (1991) stärkste Rückgang der ZEW-Konjunkturerwartungen von 54,3 auf aktuell -39,3 Punkte unterstreicht das. Zunächst schlechte Aussichten für Zykliker, bessere für Technologiewerte, insgesondere für solche mit grünem Touch.

Insgesamt hat die Fed auf ihrer jüngsten FOMC-Sitzung das getan, was sie ohnehin als Erwartung produziert hatte. Sie wird weiterhin mit der Geldspritze bei Fuß stehen. Die Inflation wird höchstens verbal bekämpft. Die ist „eigentlich“ willkommen, insbesondere angesichts der dramatischen Kreditblase, die sich seit der Finanzkrise entwickelt hat. Da die Wachstumskräfte einer soliden Wirtschaft längst erlahmt sind, ist Inflation der einzige Weg, die Schulden in den Griff zu bekommen. Es ist ein Versuch, ob es gelingt, ist mehr als zweifelhaft.
Die Fed dient Wall Street, Main Street zahlt die Zeche. Aber so darf es nicht aussehen.

[Unter Verwendung von Material aus "Halvers Kapitalmarkt Monitor"]

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