US-Aktien – schon aus dem Schneider?

Es scheint so, als würde sich der alte Börsenspruch „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ ein weiteres Mal bewahrheiten. Die US-Aktienbörsen haben seit dem 14. März ordentlich zugelegt.

Der S&P 500 hat bis jetzt 8,3% auf 4520 Punkte gewonnen. Zu Kriegsbeginn, am 24. Februar, markierte der Index bei 4115 im Tagesverlauf ein ausgeprägtes Tief, es folgten zwei hastige Aufwärtsbewegungen, die schnell wieder verkauft wurden. Bezogen auf den Jahreswechsel liegt der Index 5,2% tiefer, war aber zwischenzeitlich auch schon mit etwas mehr als –10% im Korrektur-Terrain.

Die aktuell laufende Aufwärts-Rally macht einen stabileren Eindruck. Dafür spricht die Tatsache, dass die EMA50 überwunden werden konnte, ebenso wie die EMA200. Diese zeigt nun auch eine aufwärts gerichtete Tendenz. Der VIX, Angst-Messer an Wall Street, hat am 17. März seine EMA50 nach unten durchkreuzt – ein weiteres positives Zeichen. Allerdings notiert seine EMA50w (=EMA250) über der EMA50. So lange das so ist, und der Abstand zwischen beiden beträgt aktuell deutliche 3,97, kommt dem VIX eine besondere Bedeutung bei der Entwicklung des S&P 500 zu. Dessen Stochastik ist klar überverkauft, was nahelegt, dass der Abwärtsschwung des VIX nun nachlässt.

Und damit lässt im Gegenzug der Aufwärtsschwung beim S&P 500 nach. Die Steilheit der jüngsten Rally ist sowieso zu groß, eine konsolidierende Phase ist angesagt, zumal zwischen rund 4550 und 4590 eine Widerstandszone liegt. Auf der Unterseite liegen nun die EMA50 und die EMA200 als Support, darunter verläuft bei 4380 eine Unterstützung. Das 38er Retracement der jüngsten Aufwärtsbewegung fällt bei 4394 mit der EMA200 zusammen (Chartquelle).

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So lange also der S&P 500 nicht signifikant unter 4394/4380 rutscht, bleibt das kurzfristig bullische Bild erhalten. Schafft es der Index, 4590 zu überwinden, kommt schnell der Bereich von 4700 in den Fokus. Dass es aktuell zu einem solchen „Durchmarsch“ kommt, ist aus meiner Sicht recht unwahrscheinlich. Ein Volatilitäts-Ausbruch nach oben wie nach unten ist gegenwärtig nicht sehr wahrscheinlich.

Der technische Hintergrund spricht aktuell ebenfalls dafür, dass die Bullen zunächst am Ruder sind. Die Volumenverteilung zeigt Akkumulation, die Marktbreite bestätigt das. Die Auswertung der Merkmale von Stochastik, MACD und RSI von ausgewählten Börsen zeigt eine bullische Tendenz. Das sind alles noch frühe und teilweise noch wenig belastbare Indizien. Die Auswertung der Stimmungsindikatoren gibt zumindest eine neutrale Aussage. Der folgende Chart wird täglich auf der Startseite aktualisiert. Auch bedeutsam in diesem Zusammenhang: Der NDX hat zuletzt wieder relative Stärke gezeigt, insbesondere Tech-Werte konnten Boden gut machen. Gestern stieg der Halbleiter-Index SOX um 5,1%.

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Die fraktalen Oszillatoren unterstreichen für Aktien das expansive Szenario, wobei auch hier zunächst eher eine Konsolidierung angezeigt ist. Konsolidierung ist also das Stichwort. Das impliziert auch, dass Aktionäre das erhöhte Kursniveau nicht auf breiter Front dazu nutzen, um sich aus Aktien zu verabschieden. Daher sind die erwähnten Unterstützungspegel von entscheidender Bedeutung.

Unter dem Strich sieht die Lage bei US-Aktien also verhalten positiv aus. Ganz anders bei europäischen Aktien. Hier belastet natürlich die räumliche Nähe des Ukrainie-Konflikts. Andererseits wird die besondere Abbhängigkeit von Öl- und Gas-Lieferungen aus Russland deutlich, die über Kostensteigerungen auf die Preise wirkt. Das, sowie hohe Ausgaben für Energie wirken wiederum beim Verbraucher wie eine zusätzliche Steuer. Die zuletzt positive und zu Kursen divergente Gewinnentwicklung dürfte künftig eher den Kursen folgen, als umgekehrt (Chartquelle).

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Die Geldpolitik der EZB ist zwar sehr viel „lockerer“ als die der Fed, die eben erst einen Zinsschritt vollzogen hat und bis Ende 2023 auf einen Leitzins von über zwei Prozent kommen will. Makroschwäche ist das Eine. Die Aktienmärkte der Eurozone kommen in den Genuss einer beeindruckenden Liquiditätspolitik der EZB, wodurch sich Zinssparen nicht lohnt. Ihre Bekämpfung der Corona-Krise, die der Erlösung von der Euro-Krise folgte, geht nahtlos in die Abfederung der Ukraine-Krise über. Die Bilanzsumme der EZB, die Rückschlüsse auf den Grad der Staatsfinanzierung zulässt, ist auf 70% des BIP angewachsen. Bei der Fed sind es lediglich 38% (Chartquelle).

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Leider, schreibt Robert Halver, unterstreicht die überdimensionierte Dauerrettung der EZB auch die im Vergleich zu Amerika großen Strukturprobleme Europas. Ihre vermeintliche gute Tat ist zudem ein Zukunfts-Fluch: Das geldpolitische Lösen von Problemen schwächt das Leistungsprinzip, was marktwirtschaftliche Wirtschaftspotenziale liegen lässt. So werden nicht Unternehmer, sondern Unterlasser gefördert. Und das kostet Europas Aktien im Vergleich zu Amerika fundamentale Punkte.

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