Säbelrasseln

Seit Wochen wird in westlichen Medien mit immer schrilleren Tönen eine russische Invasion in die Ukraine herbeigeschrieben. Die Völkerrechts-Expertin Baerbock schlug derweil vor, in Kiel ein Wasserstoff-Büro einzurichten, was die ukrainische Seite so gar nicht gewürdigt hat. Bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau glänzte sie vor allem durch die Anzahl von „ähs“ und sonstige Versprecher. Überall hat man gelacht, nur in Deutschland wurde ihre Vorstellung als brillant verkauft.

Im Rahmen der Entspannung in der Gorbatschov-Zeit Anfang der 1990er Jahre hat der Westen zugesichert, die Nato nicht in Richtung Osten zu erweitern. Seit der deutschen Wiedervereinigung hat die NATO elf Länder des ehemaligen Warschauer-Paktes und vier des ehemaligen Jugoslawiens aufgenommen. Das Versprechen des damaligen US-Aussenministers an Gorbatschow, keine Nato-Truppen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR stationieren, wurde längst gebrochen. Jetzt würden die USA und die NATO gerne Raketen an der Ostgrenze der Ukraine installieren und damit das nächste Versprechen brechen.

Verständlich, dass Putin das als Bedrohung ansieht. Russland hatte im Dezember dargelegt, dass NATO-Raketen in der Ukraine und in Georgien inakzeptabel sind, und beharrt auf militärischer Neutralität dieser beiden Ex-Mitgliedsstaaten der UdSSR.

Was würden die USA machen, wenn Russland auf die Idee käme, Raketen auf Kuba zu stationieren? Das hatten wir schon mal, im Herbst 1962. Es ist seinerzeit noch mal gut gegangen, u.a. wegen der besonnenen Haltung des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy und seinem direkten Draht zum damaligen russischen Präsidenten der UdSSR, Chruschtschow.

Nachdem die NATO in den vergangenen Jahren so große Erfolge im Nahen Osten und in Afghanistan erzielen konnte, will man jetzt alles richtig machen und endlich mal wieder wirklich auftrumpfen. Nachdem in den zurückliegenden Jahren vor allem die Pharma-Industrie kräftig Staatsknete absahnen konnte, will die Kriegsbranche jetzt auch mal wieder dran kommen.

Eine blockfreie Neutralität der Ukraine wäre eine tragfähigere Lösung als der gegen Russland aufgebaute Frontstaat, den der Westen zusammengezimmert hat. Kennedy und Chruschtschow nahmen die wechselseitigen Sicherheitsbedenken seinerzeit ernst, nachdem es fast zum Knall gekommen war. Die sowjetischen Raketen auf Kuba verschwanden ebenso wie die US-Raketen in der Türkei.

Russland agiert nicht aus einer Position der Schwäche heraus. Mit den neu in Betrieb genommenen Hyperschall-Raketen vom Typ Kinzhal braucht das Land keine Stellung auf Kuba mehr, es kann auch so jeder Punkt in den USA erreicht werden. Demgegenüber fällt die militärische Potenz der USA doch etwas zurück mit ihren nicht mal Mach-1-schnellen Flugzeugträgern.

Washington wollte in Afghanistan fixe Stützpunkte im Süden von Russland etablieren. Das hat nicht funktioniert. Jetzt wollen die USA dasselbe an Russlands Westgrenze versuchen.

Die USA haben außenpolitisch zwei „Komplexe“. Der eine ist, dass sie seit hundert Jahren Angst davor haben, dass sich Deutschland mit seiner technologischen Leistungskraft und das Riesenreich der Rohstoffe, Russland, zusammentun. George Friedman, Gründer und Präsident des angesehenen privaten Nachrichtendienstes Stratfor, sagte 2015, es sei das ureigene Interesse der USA, eine Beziehung zwischen Deutschland und Russland zu verhindern. Gemeinsam wären sie die einzige Kraft, die die USA bedrohen könnte (siehe auch hier!).

Der zweite "Komplex" betrifft die VR China. Das Land widersetzte sich dem Ziel, über den WTO-Beitritt im Jahre 2002 und die Hoffnung „Wandel durch Handel“ von US-Kapital unterwandert und damit beherrschbar gemacht zu werden. Jetzt macht es sich auf, die USA als stärkste Wirtschaftsmacht einzuholen, das soll nach chinesischen Plänen bis spätestens 2050 geschehen.

Wahrscheinlich ist das aktuell wichtigste Ziel der USA, China „einzuhegen“. Dazu müssen sie auch Russland und China auseinanderzuhalten. Ein solcher Verbund könnte den gesamten eurasischen Wirtschaftsraum erschließen, Russland mit seinen Rohstoffen, China mit seinen Produktions- und technologischen Potenzial. Die amerikanische Taktik ist dabei wohl die, Russland auf seine Westgrenze fokussiert zu halten, dort alle Kräfte zu binden. Und da wäre es am besten, wenn man Russland zu unbedachten Kriegshandlungen verleiten könnte – das ergäbe einen „schönen“ Vorwand.

Gleichzeitig ist es aus Sicht der USA eine gute Idee, Exportbeschränkungen für russische Roh- und insbesondere für Energiestoffe zu verhängen. Das würde die Abhängigkeit Europas, insbesondere Deutschlands von den USA stärken, also dem ersten Komplex (s.o.) Genüge tun. Die Region würde dann am Tropf von US-Flüssiggas hängen, auch deshalb der Hickhack um Nordstream-2.

Mir kommen solche Überlegungen auf Seiten der USA ziemlich hirnrissig vor. Sie werden vermutlich nicht verhindern können, dass China sie eines nicht allzu fernen Tages überrundet – es sei, sie bomben das Land in die Steinzeit zurück. Demzufolge wäre es sinnvoll, sich in irgendeiner Form mit Russland ins Benehmen zu setzen und zu versuchen, eine Allianz zu schmieden.

Von deutscher und europäischer Seite müsste ein massives Interesse daran bestehen, sich mit Russland an einen Tisch zu setzen und nach Lösungen zu suchen, die einerseits die beiderseitigen Sicherheitsinteressen berücksichtigen und andererseits die Versorgung insbesondere mit Gas sicherstellen. Und das Ganze am besten unter Ausschluss der USA (Illusion, Illusion).

Der Vize-Admiral der Bundesmarine, Kay-Achim Schönbach, hatte auf einer Konferenz in Indien einen respektvollen Umgang mit Russland und Putin vorgeschlagen. Er hält es für Unsinn, dass sich Russland ukrainisches Territorium aneignen will. Das haben übrigens auch Parlamentarier in Kiew ähnlich gesagt. Die Folge: Der Vize-Admiral wird zum Rücktritt genötigt. Das macht deutlich, dass seitens des Westens und der deutschen Regierung keine Deeskalation gewünscht ist.

Seit 1945 führen die USA unablässig Kriege und es sind mittlerweile mehr als 200. Die USA sehen sich als Weltpolizist, schreiben allen Ländern vor, was sie tun und zu lassen haben. Wer nicht spurt, wird finanziell ruiniert. Hilft das nicht, erfolgen militärische Aktionen. Russland nimmt sich im Vergleich dazu wie ein Waisenknabe aus.

1962 war ein Mann im Weißen Haus, der im Vollbesitz seiner gestigen Kräfte war, sich gegen die Mehrheitsmeinung seiner Berater durchsetzte und die Eskalation der Kuba-Krise beendete. Heute sitzt dort ein Greis, bei dem man nicht sicher sein kann, ob er noch jederzeit weiß, was er tut. Damit können „andere“ schalten und walten, wie es ihnen gefällt. Unbedachte Kriegshandlungen seitens Russland wären ein schöner Vorwand. Biden unterschreibt und hinterher will es keiner gewesen sein. Wenn es überhaupt noch ein „hinterher“ gibt, bei dem man Fragen stellen kann. Die Situation ist mindestens so brenzlig wie 1962.

Ergänzung:
"Kann man dreister lügen als NATO-Generalsekretär Stoltenberg?"

Nachtrag:
(26.1.22) Die USA haben Russland eine lange erwartete schriftliche Antwort auf seine Forderungen nach Sicherheitsgarantien gegeben. Der russischen Forderung nach einem Ende der NATO-Ausweitung wurde erneut eine Absage erteilt. Es heißt: „Die Tür der Nato ist offen und bleibt offen.“

(6.2.22) Video von S. Wagenknecht zum Thema

(11.2.22) Gemeinsame Erklärung von China und Russland vom 4.2.22 anlässlich des Beuchs von Putin in Peking.

(11.2.22) Siehe auch "Die Pipeline des Herzlands"

(21.2.22) „Wir haben deutlich gemacht, dass wir die Nato nicht über die Elbe hinaus ausdehnen,“ schrieb der deutsche Diplomat Jürgen Chrobog über ein Treffen der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands im März 1991.

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