Inflation – gekommen, um zu bleiben

Die US-Inflation entwickelte sich im November in etwa wie erwartet. Der CPI stieg im Jahresvergleich um 6,88%, so hoch wie seit 1982 nicht. Der S&P 500 erreichte mit 4712 ein neues Rekordhoch auf Tagesschlussbasis. Und in der kommenden Woche tagt das FOMC der Fed…

Fed-Chef Powell hatte vor kurzem beiläufig gesagt, das Wort „transitorisch“ sollte man in Zusammenhang mit der Inflation streichen. Warum kam denn eigentlich die Inflation so schnell um die Ecke? Wo die Zentralbanken doch zwei Dekaden gejammert haben über das disinflationäre Preisszenario, das sie mit aller Macht beenden wollten.

Ein wesentlicher, aber eher im Hintergrund wirkender Faktor ist in China zu suchen. Das Land verlässt allmählich die Rolle der billigen Werkbank der Welt. Die Preise der von dort an den „Westen“ gelieferten Güter sanken immer weiter. Jetzt nicht mehr. Hinzu kommt, dass der Welthandel seit einigen Jahren nicht weiter expandiert, es zeichnet sich so etwas wie eine Tendenz zur Deglobalisierung ab.

Die verschiedenen, seit 2008 gestarteten QE-Programme sorgten für Inflation bei den Asset-Preisen, aber die hierdurch geschaffene Liquidität fand ihren Weg nicht in Richtung Realwirtschaft – mit der Ausnahme verbilligter Verbraucher-Kredite. Das gilt im wesentlichen auch für die im Zuge von Corona ergriffenen Maßnahmen. Allerdings war die seinerzeit ausgegebene Zielrichtung, man wolle die Konjunktur ankurbeln, nicht adäquat. Eigentlich hätte man es lediglich darauf absehen dürfen, den Schaden zu kompensieren, den die „Maßnahmen“ angerichtet haben. So aber wurde erneut mehr Liquidität geschaffen als realwirtschaftlich erforderlich gewesen wäre – mit dem bekannten Effekt, die Inflation in den Finanz-Asset-Märkten anzukurbeln.

Verantwortlich für die Inflationsentwicklung in der Realwirtschaft ist die Regierung mit ihren diversen Hilfsprogrammen und direkten Zahlungen an die Verbraucher (z.B. Helikoptergeld). Auch hier lautete die Zielsetzung nicht, lediglich die von den Maßnahmen angerichteten Schäden abzufedern. Und so wurde unangemessen viel Liquidität in die Realwirtschaft geleitet – nicht verwunderlich, dass die Preise explodieren: Inflation ist immer zuallererst ein monetäres Problem. Hinzu kamen dann natürlich auch noch die Ungleichgewichte bei Angebot und Nachfrage: Erst eine Vollbremsung der Wirtschaft, dann schnell wieder auf 100%, das kann nicht ohne Friktionen abgehen. Und die dürften auch noch nicht ausgestanden sein.

Jetzt haben wir den Salat. Die Anleiherenditen sind sämtlich real weit im negativen Bereich, kurzfristige Zinsen kommen auf minus 6%. Die Rendite der 2yr-TNotes liegt aktuell bei 0,66%. Sie ist ein relativ guter Vorläufer für die Entwicklung der Leitzinsen (Chartquelle).

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Demnach erwarten die Akteure an den Finanzmärkten auf Sicht der nächsten sechs bis neun Monate mindestens zwei kleine Zinsschritte à 0,25%. Wird das die Inflation so weit herunter dirigieren, dass sie wieder in den „Normalbereich“ von 2% kommt? Wohl kaum. Gibt es andere Anzeichen dafür, dass die Inflation schnell wieder verfliegt? Fed-Powell hat gerade „transitorisch“ aus seinem Sprachgebrauch gestrichen.

Also müssten die Leitzinsen stärker steigen, sagen wir auf drei Prozent. Das würde insbesondere den größten Schuldner, die US-Regierung in Schwierigkeiten bringen. Schon viel geringere Zinssteigerungen stellen angesichts der schieren Masse der Staatsschulden ein Problem für den Staatshaushalt dar. Und dann sind da die vielen anderen Schuldner, deren schon hohe Schuldenlasten mit steigenden Zinsen schnell untragbar werden. Hinzu kommt, dass Banken bei flacher werdender Zinsstruktur immer weniger Anreiz verspüren, Darlehen auszureichen. Da kommt dann recht schnell eine Rezession um die Ecke.

Und da sind wir wieder – die Fed in der Zwickmühle. Sie kommt rasch in die Situation, wo sie entweder schon mit kleinen Schritten eine Rezession heraufbeschwört oder sich sagen lassen muss, sie sei machtlos. Das zweite ist wahrscheinlich noch verheerender als das erste, hängt doch das Vertrauen in die Werthaltigkeit des Papiers, auf dem Dollar, Euro oder sonstwas steht, von den Glauben ab, die Zentralbank habe das Heft in der Hand.

Ein externer Schock wäre in dieser Situation für die Zentralbanken durchaus willkommen, sie könnten das Roulette von Neuem anwerfen, ohne lästige Fragen, ohne weiter in der Zwickmühle zu sitzen. Aber auch so, eine entschlossene Bekämpfung der Inflation kommt für die Zentralbanken nicht in Betracht, und damit auch keine mehr als symbolisch steigenden Zinsen. Gut, dass man wie die Fed mit einer verschärften Gangart beim Tapern wenigstens die Zähne fletschen kann – zugebissen wird nicht (in der kommenden Woche, nach der Sitzung des FOMC, werden wir es wissen).

Für die weitere Finanzialisierung der Wirtschaft ist das eine gute Botschaft. Es gibt ja noch so viel zu tun in Richtung „grüne Transformation“ der Wirtschaft… Da ist ein Szenario von Niedrigstzinsen und hoher Inflation (= schnelle Entwertung der Schulden) genau das Richtige.

Fragt sich nur, wer den Mist kauft – da bleiben eigentlich nur die Zentralbanken übrig. Die werden kaufen – die BoJ macht es seit zehn Jahren vor. Und EZB-Chefin Lagarde wird nicht müde, von einem großen grünen Fonds zu träumen.

Abgesehen davon – die Fed kann zwar über ihre Geldpolitik schnell für eine Rezession sorgen, aber direkte Hebel, die Inflation einzudämmen, hat sie in der aktuellen Situation so gut wie keine. Die Inflation, angestoßen durch krass überzogene „Hilfs“-Programme der Regierung, hat sich mittlerweile verselbstständigt. Nach volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung lagen die Einkommen aus Löhnen und Gehältern in Q3 real 5,6% über dem Niveau des Vorjahres (nominal 11,2%) (Chartquelle).

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Das alles führt wieder und wieder zu dem Punkt, dass „Corona“ den willkommenen Vorwand lieferte für Regierungen und Zentralbanken, so massiv wie nie in die Wirtschaft einzugreifen. Warum?

Ergänzung:
Was für ein Zufall: Das „Bureau for Labour Statistics“ (BLS) wird im Januar die Gewichtung zur Bildung des CPI-Inflationsindex auf Basis der Daten der Verbraucherausgaben von 2019 bis 2020 anpassen. In welche Richtung das wohl geht?

Nachtrag:
(12.12.21) Nicht von der Hand zu weisen, dass sich die grüne "Transformation" der Wirtschaft ebenfalls bereits in der aufwärts gerichteten Preisentwicklung niederschlägt.

(18.12.21) Sehen Sie auch hier: "Greenflation"

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