Inflation?

Inflation ist immer zuerst ein monetäres Phänomen. Sie tritt dann auf, wenn sich Geldmenge und Gütermenge im Ungleichgewicht befinden, genauer, wenn die Menge der Geldmittel in der Wirtschaft größer ist als die dagegen stehenden Güter. Dabei geht es jeweils zunächst um die mobilen Teile von Geld und Gütern, also die Teilmengen, die für Transaktionen zur Verfügung stehen.

Zu berücksichtigen ist dabei, wo das Ungleichgewicht auftritt. Weitet sich die mobile Geldmenge etwa im Finanzsektor der Wirtschaft schnell aus, steigen die Asset-Preise dort – und zunächst nur dort. Sofern die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik nicht funktionieren, bleibt die Inflation im wesentlichen auf den Finanzbereich beschränkt. Diese Situation hatten wir über weite Strecken seit der Finanzkrise, wobei ich der offiziellen Definition folge, wonach jährliche Preissteigerungsraten bis zu zwei Prozent nicht als inflationär gelten.

Bei der Antwort auf die Frage, ob wir am Beginn einer inflationären Bewegung stehen, ist also zunächst zu klären, wie sich die Geldmenge im Vergleich zur Gütermenge entwickelt. Dann ist zu klären, in welchem Sektor, Finanz- oder Realteil der Wirtschaft, sich ein inflationäres Ungleichgewicht entwickelt.

Die Fed hat allein in den letzten beiden Wochen des zurückliegenden Jahres rund 160 Mrd. Dollar an frischem Geld geschaffen. In den Nachwehen der Finanzkrise brachte sie es auf 80 Mrd. Dollar – im Monat. (Das erinnert mich an September 2019 und die folgenden Monate, als die Fed aus heiterem Himmel (mit einer fadenscheinigen Begründung) begann, im selben Tempo Liquidität zu schaffen.)

Damit summiert sich die in 2020 durch die Fed neu geschaffene Geldmenge auf rund 3,2 Bill. Dollar. Das sind rund 15% des US-BIP – oder mehr als das BIP von Großbritannien. Hinzu kommen an Regierungsprogrammen zwei Bill. Dollar aus dem „CARES act“ vom April, das neue Stimulus-Programm im Umfang von 908 Mrd. Dollar, sowie dessen wahrscheinliche Aufstockung um etwa 460 Mrd. Dollar. Trump hatte moniert, dass das neuerliche Helikoptergeld von 600 Dollar pro Steuerzahler nicht ausreichend sei und stattdessen 2000 Dollar gefordert. Alles zusammengenommen dreht es sich um einen Betrag von rund 6,5 Bill Dollar oder gut 30% des US-BIP.

Im Unterschied zu den QE-Programmen nach der Finanzkrise ist ein nicht unerheblicher Teil dieser Mittel in der Realwirtschaft gelandet, ein Teil direkt beim Konsumenten, ein weiterer Teil kam über Anleihekäufe durch die Fed mittleren und großen Unternehmen zugute. Ich würde grob schätzen, dass insgesamt etwa drei Bill. Dollar in der Realwirtschaft gelandet sind. Ein Teil davon dürfte von dort etwa über Aktienkäufe den Weg zurück in den Finanzbereich gefunden haben und zeigt mit der Geldschwemme dort seit Wochen und Monaten Wirkung in Gestalt steigender Aktienkurse und Rohstoffpreise.

Die Sparquote ist kräftig angezogen, sie sprang im April auf fast 34% und liegt per November mit fast 13% immer noch deutlich über dem Level von acht Prozent aus Anfang 2020. Das hat dafür gesorgt, dass die Summe aller Bankeinlagen im Vergleich zum Vorjahr um 2,8 Bill. Dollar (+22%) angewachsen ist (Chartquelle).

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So lange diese Teil-Geldmenge auf Konten herumliegt, ist sie kein Teil der mobilen Geldmenge, spielt also in Bezug auf die Inflationsentwicklung keine Rolle. Sie ist praktisch die Kriegskasse der Kontobesitzer. Wenn sich die Bedingungen aus deren Sicht so weit verbessern, dass sie ihr Sicherheitsbedürfnis herabsetzen, wird die Überschuss-Lquidität nach und nach mobilisiert, Geld ausgegeben. In dem Moment wirkt es preistreibend, wenn die Nachfrage das Angebot, die Gütermenge, übersteigt. (Anmerkung: An dem Chart ist übrigens schön zu sehen, wie unterschiedlich die Entwicklung nach der Finanzkrise verlief – seinerzeit nahmen die Bankeinlagen deutlich ab.)

Der Zusammenhang zwischen Bankeinlagen und CPI-Inflationsindex ist bei dem folgenden Chart zu erkennen. Der Gleichlauf ist streckenweise nicht perfekt, aber insgesamt führt eine Aufwärtsbewegung bei den Bankeinlagen mit gewisser Verzögerung zu einem Anstieg der Preise. Das dürfte insbesondere für die gegenwärtige Situation mit ihrer Explosion der Bankguthaben zutreffen (Chartquelle).

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Eine inflationäre Entwicklung der Preise in der Realwirtschaft ist in der Regel gut korreliert mit steigenden Renditen (fallenden Anleihekursen), steigendem Goldpreis und schwachem Dollar.

Die Rendite für zehnjahrige TNotes hatte im zurückliegenden Jahr bei 0,5% ihr Tief und notiert aktuell bei einem Prozent. Betrachtet man die Break-even-Inflation, die Differenz von nominalen und inflationsbereinigten Renditen, so ergibt sich eine Inflationserwartung von rund zwei Prozent.

Der Goldpreis zeigt hat Anfang Dezember bei knapp 1800 Dollar einen Boden ausgebildet und notiert gegenwärtig bei rund 1950 Dollar (siehe auch hier!). Normalerweise laufen Renditen und Goldpreis aus Opportunitätsgründen gegeneinander. Wenn der Goldpreis zusammen mit der nominalen Rendite steigt, unterstreicht das die Überzeugung der Akteure, dass die nominale Rendite zu niedrig ist, die reale Rendite bei minus einem Prozent nicht ausgleichen kann.

Der Dollar-Index kennt seit Ende März übergeordnet nur eine Richtung – abwärts. Mittlerweile notiert er unterhalb von 90 an einem wichtigen Pegel. Wird dieser signifikant gebrochen, kommt die nächste statische Unterstützung erst bei rund 87 in Sicht, sie stammt aus den Zeiten der Finanzkrise. Der Außenwert des Dollar ist für die Inflationsentwicklung u.a. deshalb von Bedeutung, weil die meisten Rohstoffpreise in Dollar notiert sind. Die Lieferanten außerhalb der USA verlangen bei fallendem Dollar als Ausgleich höhere Preise, was sie auch durchsetzen können, wenn mit einer wirtschaftlichen Belebung gerechnet wird. Für die USA bedeutet ein schwacher Dollar höhere Kosten beim Import solcher Rohstoffe, was zusätzlich preistreibend wirkt.

Der Preis für Rohöl liegt mittlerweile bei über 50 Dollar (Brent) und damit wieder so hoch wie vor „Corona“. Chartechnisch ist bei rund 52 Dollar ein Widerstand zu verzeichnen. Kupfer hatte im „Corona“-Tief bei 320 notiert (S&P GSCI Copper Index), aktuell liegt er bei 560, wie zuletzt Anfang 2013. Kupfer hat deshalb eine bedeutende Indikatorfunktion für die Preisentwicklung, weil er ein wichtiger Rohstoff für unsere Elektronik-zentrierte Wirtschaft ist.

Der ISM-Index für die Aktivitäten im Fertigungsbereich ist im Dezember auf 60,7 gestiegen, deutlich stärker als erwartet. Der Subindex für Preise legte um beachtliche 12,2 Punkte zu, auch das ist ein deutlicher Hinweis auf das künftige Preisgeschehen. Üblicherweise dauert es rund drei Monate, bis Preisbewegungen auf Produzentenebene auf die Verbraucherseite durchschlagen.

Glaubt man den offiziellen Preisindices, so scheint alles einen eher gemächlichen Gang zu gehen. Der von der Fed viel beachtete PCE-Preis-Deflator (ohne Nahrungsmittel und Energie) zeigt für November eine Jahresrate von 1,38% an. Aktuelle Dezember-Werte für den CPI liegen noch nicht vor, im November betrug die Jahresrate 1,16%. Der CPI-Index für Nahrungsmittel (CPIUFDNS) zeigt jedoch einen Jahreszuwachs von 3,7% im November an. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2002 misst diesem Index eine bessere Vorhersagequalität bei als den anderen vielbeachteten Preisindices. Es sieht hier aktuell so aus, als könnte eine zwölfjährige Abwärtsbewegung bei den Nahrungsmittel-Preisen zu Ende gehen (Chartquelle).

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Ich hatte das Inflationsthema zuletzt hier, hier und hier aufgegriffen. Insgesamt deutet mittlerweile vieles auf kommende deutliche Preissteigerungen in der Realwirtschaft hin. Das Bild ist schon fast zu perfekt… Da, wie oben angesprochen, beim Dollar und beim Öl kritische Punkte in den Preisverläufen erreicht sind, dürfte es spannend werden. Das gilt auch für Kupfer.

Was das für die Entwicklung der Aktienkurse zu bedeuten hat, diskutiere ich in einem gesonderten Artikel.

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