In seinem Newsletter von Mai mit dem Titel „The Year of Living Dangerously“ befasst sich Niels C. Jensen von ARP Investments mit der Frage, welches Szenario für den weiteren Verlauf bei Inflation und Aktienkursen plausibel ist.
Die Korrelation zwischen der Rendite der 10yr-TNotes (TNX) und dem S&P 500 war in den hundert Jahren vor 2000 häufig mehr oder weniger negativ. Einen ausgeprägten Gleichlauf, eine positive Korrelation, gab es in dieser Zeit in den späten 1920er und in den 1930er, sowie in den späteren 1950er Jahren. Die Rendite entwickelt sich umgekehrt proportional zu den Anleihekursen, eine negative Korrelation zwischen Rendite und S&P 500 ist also gleichbedeutend mit einer positiven zwischen den Kursen von Anleihen und Aktien (Gleichlauf).
Nach 2000 waren die Phasen eines Gleichlaufs zwischen TNX und S&P 500 ausgeprägter, fast durchgängig bis 2007, danach in 2012 bis 2014, von 2016 bis 2018 und über weite Strecken in 2020 bis in 2021 hinein.
Eine positive Korrelation zwischen beiden Zeitreihen bedeutet, dass sich die Kurse von Staatsanleihen und Aktien gegenläufig entwickeln. Das ist auch das, was man intuitiv erwarten würde, wenn man davon ausgeht, dass beide Assets normalerweise als Anlagealternativen gelten.
Seit Jahresbeginn sind die Erträge bei zehnjährigen Staatsanleihen in zahlreichen Ländern negativ, deren Renditen steigen.
Warum ist das so? Jensen sieht eine Ursache bei steigenden Löhnen, hier gebe es bereits einen länger anhaltenden Trend.
Ein weiterer Punkt ist die explosionsartig steigende Geldmenge. Diese harmonierte in der Vergangenheit recht gut mit der Entwicklung der Inflation nach US-CPI.
Die Wirkung der stark gestiegenen Geldmenge auf die Preise manifestiert sich aktuell noch nicht so deutlich in den großen Preisindices (siehe auch hier!). Das schreibt Jensen der hohen Sparquote zu – die Verbraucher hätten wegen der Einschränkungen im öffentlichen und wirtschaftlichen Leben bisher nicht so viel ausgeben können.
Alle diese Faktoren müssten zwangsläufig zu anziehender Inflation führen, sagen die Bond-Bären. Die Fed widerspricht nicht, sieht steigende Preise aber nur als temporäres Phänomen – schon 2022 würde der Inflationsdruck wieder abebben.
Einen Inflationsschub scheinen auch die enorm gestiegenen Kosten für Rohstoffe („input prices“) zu signalisieren. Da aber die Fertigungsindustrie nur auf einen Anteil von 11 bis 12% des US-BIPs kommt, sei das nicht zwangsläufig, meint Jensen. Gerade die Service-Industrie hat(te) aber besonders unter den „Corona“-Maßnahmen zu leiden. So ist hier auch ein Preisauftrieb zu erwarten, weil man versuchen werde, die schwierige Zeit zu kompensieren. Wegen der hohen Sparbeträge stehen die Chancen dafür gut.
Per Saldo sieht Jensen zumindest für 2021 einen inflationären Schub und entwickelt drei Szenarien. In Szenario #1 kommt es gemäß der Annahmen der Fed zu keinen signifikanten Zweitrunden-Effekten. In Szenario #2 entwickelt die Inflation ein Eigenleben, beschleunigt sich und lässt die Fed hinter der Kurve zurück. Es kommt zu einem inflationären Exzess. Jensen sieht hier eine Analogie zu den 1970er Jahren (Anmerkung: CPI bis 12% y/y, PPIACO bis 24%). In Szenario #3 glaubt die Fed zunächst an eine Entwicklung wie in Szenario #1, erkennt dann zu spät, dass sich Szenario #2 entwickelt und reagiert daraufhin geldpolitisch heftig, woraufhin die Wirtschaft in eine Rezession rutscht.
Szenario #1 wäre laut Jensen die für Aktien günstigste Entwicklung. Massive Staatsausgaben, sowie die Kriegskasse der Verbraucher beflügeln das BIP, aber dann kehrt alles in den Normalbereich zurück.
Szenario #2 ignoriert die zugrundeliegenden de-, zumindest disinflationären Kräfte, daher hält Jensen dieses Auskommen mit 10% für am wenigsten wahrscheinlich.
Szenario #3 taxiert Jensen momentan auf etwa 30%, bleibt für Szenario #1 eine Wahrscheinlichkeit von 60%.
Zur Begründung der höheren Wahrscheinlichkeit von Szenario #1 (und der geringen von Szenario #2) zieht Jensen eine Untersuchung von Goldman Sachs heran. Kriege würden demnach in der Kriegszeit und noch eine zeitlang danach zu Preisauftrieb führen, Pandemien hätten hingegen keinen nachhaltigen Effekt auf die Preise. Inflationsdaten reichen mindestens 200 Jahre zurück, in dieser Zeit gab es zahlreichen Pandemien.
Die beiden folgenden Charts von Goldman Sachs Global Investment Research zeigen die Inflation um Kriege und um Pandemien herum.
Was sind die Unterschiede zwischen Kriegen und Pandemien hinsichtlich Preisentwicklung? Kriege treiben die gesamte Nachfrage hoch. Es werden Kapitalgüter zerstört, Investitionen werden angeschoben, die Zinsen steigen, Preise steigen. In Pandemien dient die nach ihrem Auslaufen steigende Nachfrage fast immer dazu, die Lücke zu füllen, die zunächst durch unterbliebene Verbrauchsausgaben entstanden ist. Zudem sind in Pandemien keine Kapitalgüter zerstört worden. Es könnte sogar zu einem Anstieg des Verhältnisses der Nutzung von Kapital vs Arbeit kommen. Dadurch könnte der Gleichgewichtszins sinken, die realen Löhne könnten steigen (das soll nach Wirtschaftstheorie naheliegen, scheint mir aber nicht zwingend), Preise könnten sinken.
Diese längerfristigen de-, zumindest disinflationären Kräfte machen laut Jensen eine nachhaltige inflationäre Entwicklung und damit Szenario #2 weniger wahrscheinlich. (Anmerkung: Man könnte in diesem Zusammenhang noch die Wirkung der Digitalisierung anführen, die über einen höheren Automatisierungsgrad zu übergeordnetem Preisdruck beiträgt.)
Jensen sieht in den steigenden Rohstoffkosten (siehe obige Abbildung) den hauptsächlichen Grund für einen anstehenden Preisauftrieb. In Zusammenhang mit den vorübergehenden Einflüssen aus dem Ende der Pandemie erscheint ihm daher Szenario #1 am wahrscheinlichsten.
Beim Thema Inflation darf man die „Grüne Revolution“ (was für ein blöder Begriff…) nicht außer acht lassen. Die Umstellung auf grüne Technologien ist an sich schon inflationär, die meisten dieser neuen Technologien sind teurer als die Nutzung fossiler Brennstoffe. Flüssiger Wasserstoff dürfte in den kommenden Jahren wahrscheinlich Öl, Benzin, Diesel und Kerosin (Flugbenzin) ersetzen, schreibt Jensen.
Zudem wird die Emission übermäßiger Mengen von CO2 in Europa zu einem teuren „Vergnügen“. Bis Anfang 2018 lagen die Kohlenstoffpreise in der EU unter 10 Euro je Tonne, jetzt nähern sie sich schnell der 50-Euro-Marke.
Übermäßige Verbraucher fossiler Brennstoffe müssen diese Berechtigungen auf dem freien Markt zusätzlich zu dem ihnen zugeteilten Kontingent kaufen. Diejenigen, die bereits auf eine grüne Technologie umgestellt haben, können die ihnen zugeteilten CO2-Zertifikate verkaufen. Ein mit Erdgas betriebenes Kraftwerk wird versuchen, seine so steigenden Kosten an die Verbraucher weiter zu geben. Die „grünen“ Wettbewerber werden ihren Kostenvorteil nicht, bzw. nur teilweise weitergeben. Und so ergibt sich netto für den Verbraucher ein steigender Preis. Das gilt insbesondere natürlich bei Gütern, die für das tägliche Leben unumgänglich sind.
Inwieweit (und vor allem wie lange) der Preiseffekt der Umstellung auf CO2- oder sogar Klima-Neutralität zugrundeliegende de-, bzw. disinflationäre Kräfte etwa in Zusammenhang mit der Digitalisierung, bzw. dem zunehmenden Automatisierungsgrad ganz oder teilweise kompensiert, ist schwer zu sagen. Zehn Jahre???
Anders als Jensen komme ich, auch unter Berücksichtigung der Klima-Thematik (nachdem auch die USA auf den Kurs eingeschwenkt sind) zu der Auffassung, dass sein Szenario #2 wesentlich höher zu gewichten ist. Ich sehe hier 40% Wahrscheinlichkeit, Szenario #1 dürfte auf 25%, Szenario #3 auf 35% kommen.
Dem aus dem nachhaltigen Inflationsdruck resultierenden Aufwärtsdruck bei den Renditen werden die Zentralbanken mit weiterer Geldflut begegnen. Vermutlich wird eine meiner Meinung nach anstehende scharfe Korrektur bei Aktien von der Mehrheit der Akteure übergeordnet eher als eine weitere Kaufgelegenheit angesehen. Rohstoffe dürften vermutlich weiterhin eine Anlagealternative sein.
[Quelle für alle Carts, mit Ausnahme des zweiten: „The Year of Living Dangerously“]Das könnte Sie auch interessieren:
- Was andere Medien sagen vom 13.12.2024
- S&P 500 – kommt ein Blowoff? vom 11.05.2024
- S&P 500 – schlecht ist gut vom 05.05.2024
Nachdem Gabor Steingart auf seiner Plattform http://www.thepioneer.de das Thema Inflation auch auf den Titel
https://news.gaborsteingart.com/online.php?u=2iJ2AT316741
gehoben hat und ARD & ZDF sowieso, muss man sich fragen „Cui bono“?
Weil ich gerne eine graphische langfristige Darstellung sehe, habe ich mal zwei einzelne Bereiche aus der DESTATIS (Statistisches Bundesamt) Datenbank graphisch dargestellt:
https://www.performance-engineering.berlin/ECONOMICS/INFLATION_-_Erzeugnisse%20der%20Investitionsg%C3%BCterproduzenten_2005-2023.pdf
https://www.performance-engineering.berlin/ECONOMICS/INFLATION_-_Erzeugnisse der Investitionsgüterproduzenten_2005-2023.xlsx
https://www.performance-engineering.berlin/ECONOMICS/INFLATION_-_Erzeugnisse der Konsumgüterproduzenten_2005-2023.pdf
https://www.performance-engineering.berlin/ECONOMICS/INFLATION_-_Erzeugnisse der Konsumgüterproduzenten_2005-2023.xlsx
FAZIT: Alles im grünen Bereich.
Kein Massenmedium zeigt die langfristigen Daten der wundersamen Geldvermehrung seit Gründung der FED, aber auch nicht die schrumpfende Geldumlaufgeschwindigkeit seit der Finanzkrise 2007/2008.
Wen`s interessiert > Der als Goldanalyst bekannt gewordene kanadische Ökonom Matin Murenbeeld veröffentlich das in seinem monatlichen „Economic Monitor„ bei IC ECONOMICS
John Maynard Keynes – als Vertreter von GB -hat bei den Verhandlungen von Bretton Woods 1944 vorgeschlagen, die Währungen der Alliierten (USA, GB, FR etc.| Gründungsmitglieder des IWF), an einen Korb aus 24 oder 26 Rohstoffen zu binden. Gold und Silber wären nur ein Teil des Korbs gewesen. Die Amerikaner lehnten ab.
Noch heute behaupten viele Ökonomen fälschlicherweise eine feste Bindung einer Währung an Gold oder xy würde die Wirtschaftsentwicklung hemmen, weil die Währungsbasis nicht schnell genug mitwachsen könnte. Ein Blick auf die Zeit Ende 18. JHD bis beginnendes 19 JHD, in der der Dollar, das Pfund und die Reichsmark an Gold gebunden waren zeigt: Nie war das industrielle Wachstum schneller als in dieser Zeit, als Deutschland zum industriellen Champion wurde.
Da haben wohl eher die Impacts der Zweiten Industriellen Revolution den Ton angegeben als die Goldpreisbindung bzw. die Geldpolitik.
Zurück zur Gegenwart: Daniel Stelter hat in seinen Podcasts auf bto „Beyond the obvious“ mit sehr guten Gesprächspartnern die Gegenwart analysiert.
Stelters Podcasts – Think beyond the obvious (think-beyondtheobvious.com)
Die Themen MMT (Modern Monetarian Theorie), Wachstumszwang, Staatschulden erklären einen Gegenwartskapitalismus, der ganz anders funktioniert als der Kapitalismus, den Karl Marx so genau auseinandergenommen hat.
Dieser Gegenwartskapitalismus braucht immer mehr FIAT-Geld als Antrieb oder Schmiermittel um zu existieren/wachsen.
Matthias Binswanger sagt, diese Wirtschaft kann zwar Effizienz aber nicht Suffizienz. Wenn Sie diesem Kapitalismus Wachstumsgrenzen aufoktroyieren, dann kollabiert er ….mit Konsequenzen wie z. B. Griechenland ab 2010.
Da das hier und heute, keine der für den Bundestag kandidierenden Parteien ernsthaft in Erwägung zieht, weil`s dafür keine Wähler gibt, ist die Sache scheinbar wirklich alternativlos und das Geschrei um INFLATION ein Sturm im Wasserglas.
Auch „DIE LINKE“, auch „DIE GRÜNEN“ wollen den so genannten Wohlstand erhalten oder mehren. Inflation ist dabei die Nebenwirkung, die am wenigsten weh tut!
Schauen Sie mal in das folgende Buch, um zu sehen was falsches Sparen, aber auch Geldrucken bis der Arzt kommt anrichten kann.
Titel Weimar: die überforderte Republik 1918-1933 : Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur
Autor/in Ursula Büttner
Verlag Klett-Cotta, 2008
ISBN 3608943080, 9783608943085
—————————————————————————————————————————————————–
„Cui bono“
Wer schreit jetzt und warum „INFLATION“?
– Diejenigen, die Auflage machen wollen oder Klicks einheimsen möchten
– Diejenigen, die so dumm sind ihr Vermögen als „Bargeld“ auf Sparkonten etc. zu parken
– Diejenigen, die sich vermeintlich um die „armen Leute“ kümmern
Keiner von denen legt eine echte Alternative incl. Systemwechsel vor.
Keiner von denen schreibt, dass es die „INFLATION“ gar nicht gibt, sondern es vor allem eine Vermögenspreisinflation (asset price inflation) gibt, die tatsächlich von einer Geldschwemme angetrieben wird.
Meine Vermutung/Prognose sieht so aus:
Aus der Grundeinkommensbewegung kenne ich die These von Götz Werner – dem Drogeriemarktgründer – dass Geld nicht das Problem ist, um ein Grundeinkommen zu verwirklichen.
Was wir essenziell brauchen sind Güter: Lebensmittel; ein Dach über dem Kopf und noch ein bisschen mehr … Von dem allen gibt`s genug. Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Geld ist nur ein Transmissionsriemen. Deshalb vermute ich, dass Billiglebensmittel aus dem Discounter, Konsumartikel aus China, Taiwan, Vietnam usw. nicht teurer werden, weil es sie im Überfluss gibt.
Nicht-Industrielle Nahrungsmittel, aus annähend Subsistenzwirtschaft ohne Pestizide und Kunstdünger haben schon lange eine deutliche Preissteigerung, weit höher als VPI. Da zu wohnen, wo die Lebensqualität hoch ist, wird immer schneller teurer als im Durchschnitt. Aber da zu wohnen, wo keiner hinwill, wird nicht teurer, sondern billiger. Das sind alles Argumente für ein BGE (Bedingungsloses Grundeinkommen). Mit einem fixen BGE würde ich vielleicht an irgendwohin an einen See in Mecklenburg-Vorpommern ziehen, wo ich für meinen fixen BGE-Betrag besser leben könnte als in Berlin.
———————————————–
FAZIT: Eigentlich geht nur die Schere immer weiter auf zwischen denen, die genug FIAT-Money haben und denen, die gar nicht wissen was FIAT-Money ist. Business as usual. Wieso dann das Geschrei um INFLATION?
Vielleicht ist es die „German Angst“ siehe Ursula Büttner: „Weimar: die überforderte Republik 1918-1933 : Leistung und Versagen in Staat, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur“
Herzlichen Dank an
Josef Plank!
Ich habe die Stellungnahme zum Anlass genommen, hierzu einen Artikel zu schreiben.
Einen mir darauf zugegangenen, weiterführenden Kommentar von Josef Plank habe ich nebst weiterführenden Links im Nachtrag zu "Das Geschrei um Inflation" veröffentlicht.
Klaus Singer