Wussten Sie, dass die frühesten Funde von Kamelen in den USA angesiedelt sind? Dort waren sie längst ausgestorben. Jetzt kommt das Trampeltier (so die Bezeichnung einer Kamelart) wieder zurück, in Gestalt von Trump. Trampeltier, so wird der künftige US-Präsident gerne genannt – wegen seiner platten Sprüche vor der Wahl. Viele hatten gehofft, er werde nach der Wahl Kreide fressen. Danach sieht es momentan nicht aus.
Über sein Lieblingsmedium Twitter zwitschert Trump munter weiter, den Main-Stream-Journalismus mit Stoff versorgend, gegen den „Freihandel“ und verlangt Zusagen von Unternehmen für Investitionen in den USA. So hat Ford kürzlich schon in einer Art vorauseilenden Gehorsams Pläne für ein Werk in Mexiko storniert und wird nun seine Produktionskapazitäten in den USA ausweiten. Mal sehen, wann Apple reagiert, Trump hatte den Konzern mit der überhöhten Marke und den überhöhten Preisen im Wahlkampf mehrfach angeschossen.
Überall in der Welt hebt das Wehklagen an über das Ende des „Freihandels“. In Deutschland fürchtet mancher, der Zorn von Trump werde sich bald gegen „uns“ richten, schließlich sind "wir" Exportweltmeister. Noch gehen seine Attacken gegen China, aber eines Tages könnte sich Trump die deutsche Exportindustrie vorknöpfen, so die Angst.
Die Befürworter des „Freihandels“ reklamieren, er hätte sowohl den Industrie- wie den Entwicklungsländern Wohlstand gebracht. Nun fürchtet man überall, dass z.B. willkürliche Strafzölle diesen Wohlstand schwinden lassen, weil sie den internationalen Handel schwächen. Die Tendenz dazu gibt es aber schon länger als Trump beschloss, als Präsidentschaftskandidat herum zu zwitschern (siehe hier!). Und ob Freihandel (nach einer möglichen ersten Blüte) der ultimative Wohlstandsbringer für alle Beteiligten ist, muss sowieso bezweifelt werden (siehe hier und hier!).
Ich möchte dieses Thema noch einmal aufgreifen in Bezug auf das Nafta-Abkommen. Trump will sich das bald nach seiner Inthronisierung am 20. Januar vorknöpfen. Nafta trat 1994 unter US-Präsident Clinton zwischen den USA, Mexiko und Kanada in Kraft. Als eine Art Vorläufer von TTIP und CETA sollte es Handelsbarrieren eliminieren, Standards für Produktsicherheit auch im Lebensmittelbereich wurden gesenkt, Regeln zum Investitionsschutz samt Schiedsgerichten eingeführt. Festgeschrieben wurde eine massive Subventionierung der US-Landwirtschaft.
Der ursprüngliche landwirtschaftliche Selbstversorger Mexiko wurde fortan mit US-Agrarprodukten überschwemmt. Heute muss Mexiko 60% seines Weizen- und 70% seines Reisbedarfs einführen. Der Preis von nach Mexiko importiertem US-Fleisch liegt weit unter den Produktionskosten. In Mexiko gingen bis 2000 eine Million Arbeitsplätze alleine in der Maisproduktion verloren, insgesamt schrumpfte die Zahl der Jobs in der Landwirtschaft um zwei Millionen. Diese Arbeitslosen standen als billige Arbeitskräfte den neu entstandenen Zuliefern für die US-Industrie zur Verfügung. Die Arbeitslosigkeit stieg dennoch an, die Kriminalität ebenfalls. Viele gingen als Illegale in die USA und arbeiten dort zu Hungerlöhnen – häufig als Landarbeiter in der Produktion für den Export nach Mexiko. Mexiko ist von den USA abhängig, es wickelt 80% seines Außenhandels mit diesem Land ab. Es exportiert v.a. Erdöl, aber auch Textilien, Autos und elektronische Geräte, die aus importierten US-Vorprodukten hergestellt werden (siehe dazu den sehr lesenswerten Artikel "Wirtschaftsbeziehungen – 20 Jahre Nafta Das Netz des Geldes"!).
Der Handel zwischen den Nafta-Mitgliedsländern hat sich seit 1994 verdreifacht. Aber die realen Löhne und Gehälter stagnieren in den USA und in Mexiko, die Einkommen der Vermögensbesitzer hingegen stiegen an, die Ungleichheit nahm zu. In den USA ging rund eine Million Arbeitsplätze verloren, aus gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Industrie wurden schlecht bezahlte Dienstleistungsjobs. Das Verhältnis der in- und der ausländischen Wertschöpfung für Mexiko hat sich kaum verändert – von 0,41 im Jahre 1995 auf 0,48 in 2011. Im Gegensatz dazu liegt der Wert der USA über die Jahre kaum verändert bei 1,7, im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung profitiert das Land offenbar über einen höheren Anteil an der Wertschöpfung absolut und relativ (siehe hier!).
Das Nafta-Abkommen hat keinen freien und fairen Handel gebracht, sondern multinationale Konzerne von öffentlichen Verpflichtungen und kostentreibenden Regelungen in den USA und in Kanada befreit.
Noch extremere Folgen hat diese Art Freihandel in Afrika. Reihenweise wurden und werden ehemals landwirtschaftliche Selbstversorger mit subventioniertem Lebensmittel-Schrott v.a. aus Europa überschwemmt und sind wirtschaftlich versklavt. Korrupte Regimes profitieren davon, die Bevölkerung verarmt. Über Flüchtlingsströme aus Afrika braucht sich hier niemand zu wundern.
„Freihandel“ funktioniert auf Dauer nur zwischen wirtschaftlich ähnlichen Ländern. Anderenfalls führt er langfristig durch einseitige Spezialisierung zu Abhängigkeit des Schwächeren vom Stärkeren. Dies lässt sich auch auf Europa übertragen. Hier sorgte die immer weiter fortschreitende Ausweitung des EU-Gebiets für Abwanderung von Industrien in neue Beitrittsgebiete mit niedrigen Löhnen und hohen Subventionen. Diese Länder haben sich jedoch wirtschaftlich nicht angeglichen, sondern bleiben in ihren Problemen stecken, sind von den wirtschaftlich starken Ländern im Norden abhängig. Das ist ein Teil des Kerns der Euro-Krise.
In der letzten Konsequenz bedeutet der Freihandel im Zeitalter der Finanz-System gesteuerten Globalisierung die Freiheit der Ausbeutung von Mensch und Natur. Diese Art Freihandel führt über die gewaltige Vermehrung von Kapital, dessen Spiegelbild die Niedrigst-Zinsen sind, zu einer Investitionsschwemme in Ländern mit niedrigen Löhnen und sozialen Standards. Das zwingt diese Länder (oft nach einer trügerischen Anfangs-Blüte) in immer größere Abhängigkeit und destabilisiert sie. Das führt aber auch zu Lohndruck in den entwickelten Ländern, jenen, die Kapital exportieren, um es anderswo zu investieren. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Löhne den Zinsen auf ihrem Weg gegen Null folgen.
Was wird nun aus Trumps Tiraden gegen den „Freihandel“? Gegenfrage: Wessen Interessen vertritt der Herr? Platte Antwort: Wall Street (siehe z.B. hier!).
Trump dürfte mit folgender Droh-Kulisse in die Verhandlungen mit Lieferländern in den Emerging Markets gehen: Der Automatisierungsgrad ist in vielen Produktionszweigen mittlerweile derart hoch, dass Lohnkosten eine immer geringere Rolle beim Standort spielen. Das lässt die Option näher rücken, solche Produktionen auch wieder gewinnbringend zurück zu verlagern in die industriellen Kernländer. Das gilt umso mehr, je höher das Gewicht der Kosten für Transport und Logistik ist. Je nach Grad ihrer Abhängigkeit stehen die Lieferländer auf schwachem Posten.
Die VR China ist da noch einigermaßen gut vorbereitet. Hier wurde schon vor Jahren umgesteuert zugunsten der Entwicklung des einheimischen Bedarfs. Zudem hat der Staat in Bezug auf Kapitalverkehr immer noch eine starke Stellung. Und auf internationaler Ebene nicht zu vergessen – das Land hat sich in vielen entwickelten und unterentwickelten Ländern (z.B. Afrika) eingekauft. All das sorgt für eine vergleichsweise geringere Abhängigkeit des Landes. Wahrscheinlich sucht sich Trump trotz allem gegen China gerichtetes Gezwitschere erst einmal schwächere Gegner.
Der scheidende US-Präsident Obama wollte Nafta verbessern, bevor er Präsident wurde. Es sollte nicht bloß für Wall Street, sondern auch für Main Street gut sein, sagte er 2007. Seit er Präsident ist, arbeitete er aber im Einklang mit seinen Vorgängern für eine Vertiefung des Nafta-Modells und seine weltweite Ausdehnung in Form von TTIP, CETA usw.
Ob es mit Trumps Wahlversprechen anders laufen wird? Holt er Millionen von Arbeitsplätzen zurück? Fragen Sie sich, wie Wall Street darüber denkt.
In gewisser Weise typisch: Nach einer Anfangsblüte stagniert und sinkt das Wachstum eines einer Freihandelszone beitretenden Entwicklungslandes (hier Mexiko – Chartquelle)
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