Die Eurozone ist nicht gerade ein Wirtschaftswunderparadies: Konstant hohe Arbeitslosigkeit, Deflationsrisiken, eine äußere Krise an ihrer Ostflanke, mühsame Erholungsversuche der Länder an ihrer südlichen Peripherie. Aber die Finanzmärkte finden diese Region der Welt nach wie vor attraktiv.
Das Gebiet erfreut sich anhaltender Kapitalzuflüsse, die in Aktien gehen und in Staatsanleihen der Krisenländer. Die Leistungsbilanz der Eurozone bewegt sich auf Rekordhoch, sie weist die Netto-Portfolioinvestments mit rund 15% des BIP aus. Neben dem Zufluss an Kapital sind es gerade die Krisen in der südlichen Peripherie, die die Importe reduziert haben. Gleichzeitig hält Deutschland die Exportquote der Eurozone hoch.
Die Finanzmärkte feiern die Eurozone als Turaround-Story, schreibt Ralph Atkins in seinem Blog bei der FT. Vor zwei Jahren stand sie kurz vor dem Kollaps. Zudem sehen die Assets der Eurozone attraktiv aus im Vergleich zu anderen Regionen auf der Welt, seien es die kriselnden Emerging Markets oder die teuren US-Aktien.
Eine positive Leistungsbilanz schafft Vertrauen der weltweiten Investoren in die finanzielle Stabilität eines Landes oder einer Region, die nicht mehr darauf angewiesen sind, vom Rest der Welt finanziert zu werden. Vor 2008 hatten die „Märkte“ hohe Leistungsbilanzdefizite der südlichen Peripherie der Eurozone ignoriert. Jetzt ist es wieder „Mode“ geworden, darauf zu achten. Bei vielen Emerging Markets werden deren mittlerweile teilweise erhebliche Defizite als Signal für deren Verwundbarkeit gesehen.
Spanien, Irland und Portugal verzeichnen u.a. wegen Importschwäche stabile Überschüsse ihrer Leistungsbilanzen, Italien hängt nach. Die „Märkte“ nehmen das als Zeichen für eine Stabilisierung und sorgen durch massiven Einstieg in Staatsanleihen dieser Länder dafür, dass die Kosten der Verschuldung auf historische Tiefs sinken. Im Ergebnis konvergieren die Renditen der Staatsanleihen in der Eurozone wieder einmal – wie schon vor 2008.
Ein Leistungsbilanzüberschuss alleine begründet noch keinen Aufwärtsdruck auf die entsprechende Währung, erst recht nicht in Zeiten der Dominanz des Finanzkapitals, in denen die Kapitalflüsse für die Entwicklung einer Währung immer wichtiger werden. So hat z.B. Japan in der meisten Zeit der ersten Dekade dieses Jahrhunderts zwar Leistungsbilanzüberschüsse generiert, der Yen hat dennoch deutlich an Wert verloren. Denn der Yen war in dieser Zeit DIE Carry-Trade-Währung, man nahm billige Yen-Kredite auf und exportierte die Mittel ins Ausland, um sie dort in ertragreichere Assets zu investieren.
Die Konsequenz der beständigen Kapitalzuflüsse in die Eurozone ist eine Aufwertung des Euro – er liegt heute gegen Dollar 15% über dem Tief aus Mitte 2012, als Draghi verkündete, die EZB werde alles tun, um den Euro zu retten. Der feste Euro schwächt die Exportchancen der Eurozone auf den Weltmärkten, was insbesondere angesichts ihrer schwachen Erholungsdynamik als Gefahr angesehen wird. Sogar der als Falke geltende Bundesbankpräsident Weidmann hat sich nun kürzlich nicht mehr grundsätzlich gegen weitere geldpolitische Lockerungen ausgesprochen.
Ein Blick auf den Chart Euro/Dollar zeigt das Währungspaar an einer Abwärtslinie vom Hoch aus Mitte 2008 bei 1,60 her kommend. Ein Ausbruch ist noch nicht vom Tisch – gelingt er, gäbe das charttechnisch weiteres Potenzial bis zu diesem Hoch frei.
Die jüngsten konzertierten verbalen Interventionen von EZB-Ratsmitgliedern haben zunächst erreicht, dass der Euro gegen Dollar nicht weiter aufgewertet hat. Die EZB hat seit Draghis magischen Worten Mitte 2012 gelernt, dass gewichtige Worte offenbar reichen, um die Lage in die gewünschte Richtung zu beeinflussen. Wenn das dieses Mal nicht mehr genügt, wird sie ihren Worten Taten folgen lassen müssen und weitere geldpolitische Lockerungen beschließen. Viele Beobachter erwarten für die in dieser Woche stattfindende EZB-Sitzung solche Aktivitäten.
Zwar müsste dann nach Zinsdifferential weiterer Druck auf den Euro aufkommen, andererseits aber könnten die Märkte zu dem Schluss kommen, dass die Erholung der Eurozone und damit die Party um ihre Turn-around-Story erst so richtig in Fahrt kommt. Das und die eingangs erwähnten Argumente recht teurer US-Aktien und kriselnder Emerging Markets täten ein Übriges, um weitere Zuflüsse in die Eurozone anzustacheln. Dann könnte der Euro am Ende stärker und nicht schwächer werden.
Die Zusammenhänge zwischen Kapitalfluss und Währung sind manchmal eindeutig wie im Falle Japans, manchmal aber auch nicht so offensichtlich. So hatte die Leistungsbilanz der Eurozone Mitte 2008, zum Zeitpunkt des Rekordhochs bei Euro/Dollar wie auch beim Euro-Index, ein markantes Defizit ausgebildet, ebenso wie Handels- und Zahlungsbilanz. Im Vergleich dazu haben wir heute das genaue Spiegelbild (Chartquelle).
Die Lösung dieser „Ungereimtheit“ liegt im Währungspaar Euro/Yen (EYN). Dieses zeigte bis Anfang 2008 über viele Jahre markante Stärke, während z.B. Dollar/Yen eher seitwärts lief und Mitte 2007 bereits abkippte. Das lässt den Schluss zu, dass insbesondere europäische Investoren sich bis 2008 der Yen-Carry-Trades bedienten und dafür Assets der Eurozone, etwa in Gestalt des EuroStoxx50 (ESX) kauften. Das nachfolgende Bild zeigt den Zusammenhang und macht zugleich mit der Seitwärtsbewegung der „Beziehungskurve“ im oberen Chart deutlich, dass Yen-Carry-Trades aktuell keine herausragende Rolle spielen.
Genauso war der EuroStoxx50 bis zum Spätjahr 2007 eine treibende Kraft in der Beziehung zu Euro/Dollar, wie der folgende “Beziehungschart” zeigt. Seit Mitte 2012 jedoch gilt das jedoch ebenfalls nicht mehr. Beide bewegen sich aber seit dieser Zeit zusammen moderat aufwärts (siehe Chart in der Mitte) – sie ziehen sich gegenseitig in nahezu perfektem Gleichlauf nach oben.
Die enge, positive Korrelation zwischen europäischen Aktien und Euro/Dollar lässt zurzeit nicht erwarten, dass weitere geldpolitische Lockerungen der EZB, wie sie z.B. auf ihrer Sitzung am Donnerstag dieser Woche beschlossen werden könnten, den Euro markant, bzw. dauerhaft schwächen.
Nachtrag:
(3.4.14) (3.4.14) Die EZB belässt die Leitzinsen unverändert, auch der Einlagezinssatz bleibt wie er ist (wird nicht negativ). Der Euro kaum verändert bei 1,3770.
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