Was signalisiert die Leistungsbilanz der USA?

Lange Zeit waren die USA der globale Konsument der letzten Instanz. Mit dem Ende der Bretton Woods Systems begann in den frühen 1970er Jahren ein gewaltiger Anstieg der grenzüberscheitenden Kapitalflüsse. Die USA haben seitdem immer wieder, insbesondere nach Rezessionen, die Sparüberschüsse der Welt aufgesogen. Das spiegelt sich in der Leistungsbilanz wider: Sie wurde in den späten 1970er Jahren zunächst leicht defizitär, in den 1980er Jahren verstärkte sich der Trend. In den 1990er Jahren setzte eine lang anhaltende Ausweitung des Defizits ein, kurz vor Ausbruch der Finanzkrise erreichte es mit fast 6% vom BIP seinen Höhepunkt.

Seit Ende der jüngsten Rezession ist das anders, das Leistungsbilanzdefizit weitet sich nicht erneut aus wie gewohnt. Da sich die Salden global aufheben, folgt daraus, dass andere Länder entweder kleinere Überschüsse oder größere Defizite haben müssen. Die Sparüberschüsse der Welt fließen jedenfalls nicht mehr in die USA.

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Warum? Eine mögliche Erklärung liegt darin, dass die aktuelle Erholung nachhaltig schwach ist. Erreichten die Zuwächse der realen einheimischen Verkäufe nach Rezessionen zwischen 1970 und 2000 in der Spitze noch 5% oder mehr, lag der stärkste Zuwachs nach der Rezession 2008/2009 bei etwas über 2%.

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Das gleiche Bild ergibt sich, wenn man sich den Verlauf der jährlichen Zuwächse des realen verfügbaren persönlichen Einkommens ansieht. Lagen die Spitzenzuwächse bis 2000 nach Rezessionen stets bei über 4%, wird nach der jüngsten Rezession lediglich ein Spitzenwert von etwas mehr als 2% erreicht.

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Der gewaltige geldpolitische Stimulus der Fed hat die Geldkoffer der Reichen gefüllt. Deren geringe Konsumquote konnte es natürlich nicht herausreißen – die Erholung ist und bleibt schwach. Die USA haben ihre Rolle als Konsument der letzten Instanz verloren.

Überschüssiges Kapital hatte in den Jahren vor dem Ausbruch der Finanzkrise insbesondere bald nach Rezessionen profitable Anlage in den USA gefunden, damit die Bond-Zinsen nach unten getrieben und die Immobilienblase aufgeblasen. Die dahinter stehende Kreditblase platzte und führte beinahe zum Zusammenbruch des Finanzsystems.

Jetzt sucht das durch die lockere Geldpolitik der großen Notenbanken noch vermehrte überschüssige Kapital anderweitig nach profitabler Verzinsung. Die deutliche Ausweitung der Leistungsbilanzdefizite vieler Emerging Markets zeigt, wohin es gegangen ist. Es hat dort eine letztlich nicht haltbare Kreditexpansion verursacht. Auch in Großbritannien weitet sich das Leistungsbilanzdefizit angesichts einer zu sehr auf Immobilien und Verschuldung bauenden Erholung aus. Im Gegenzug dazu nehmen in China die Leistungsbilanzüberschüsse deutlich ab. Die Regierung hat zur Kompensation des weltweiten Nachfrageausfalls nach hier produzierten Gütern die einheimischen Investitionen angekurbelt. Deren schwache Profitabilität macht sie zunehmend unattraktiv.

Was signalisiert die Leistungsbilanz der USA? Solange das Land nicht mehr zu seiner angestammten Rolle als Wachstumslokomotive zurückfindet und andere bedeutende Länder diese Aufgabe nicht übernehmen können, dürfte eine Periode nachhaltig schwachen Wachstums und geringer Renditen vor uns liegen. Das erklärt auch, warum die Inflation trotz allerbester Absichten der Zentralbanken in vielen entwickelten Ländern so niedrig liegt.

[Unter Verwendung von Material von Stephen King]

Inwiefern die schwache Nachfrage auch mit demographischen Faktoren zusammenhängt, untersuchen wir in einem weiteren Beitrag.

Hinweis:
Die Leistungsbilanz der Eurozone hat sich von einem Defizit in 2009 per 2013 in einen soliden Überschuss gewandelt – siehe hier!

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