Emerging Markets – Krise voraus?

Die Finanzmärkte sind zum Ende der zurückliegenden Woche implodiert. Der Fokus lag auf den Emerging Markets, für den Exodus von Kapital wurde die Fed verantwortlich gemacht, die gerüchteweise in dieser Woche beschließen soll, ihre QE-Maßnahmen um weitere 10 Mrd. Dollar pro Monat zu reduzieren.

Wenn das so kommt, erwartet man steigende Zinsen und das bringt insbesondere diejenigen Emerging Markets unter Druck, die wegen ihrer Leistungsbilanzdefizite von ausländischem Kapital besonders abhängig sind. Frühere Krisen fingen oft an, wenn die Fed ihre Geldzügel gestrafft hat. Das muss dieses Mal genauso sein, so das schwarz-weiß-Bild.

Wenn man Farbe im Bild zulässt, ist es nicht ganz so einfach. Das zeigt sich schon daran, dass die US-Zinsen in diesem Jahr bisher gesunken sind. Welche Faktoren sind also relevant?

Der China-Flash-PMI ist im Januar unter die Scheidelinie von 50 gesunken, was davor warnt, dass die Wirtschaft dort zumindest nicht wächst. Zahlreiche Emerging markets sind in ihrem Wachstum abhängig von dem Chinas. Hier geht es insbesondere um Rohstoff-Lieferungen (siehe Chart!).

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Zudem gibt es zunehmende Probleme im chinesischen Schattenbankensektor, der aufgrund seiner Hebelung besonders empfindlich auf Wachstumsstörungen und auf die Versuche der PBoC reagiert, die Kreditblase unter Kontrolle zu bringen.

Ein Blick auf den chinesischen Hang Seng Index zeigt, dass die aktuelle Kursbewegung kritisch zu werten ist. Der Kurs hatte ab September 2013 versucht, sich aus einem großen symmetrischen Dreieck aus Ende 2008 nach oben abzusetzen. In der zurückliegenden Woche scheiterte das, der Index notiert jetzt wieder innerhalb. Vermutlich wird er nun zunächst die untere Begrenzung anlaufen.

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Ein weiterer Stör-Faktor ist beim Yen zu suchen. Über den Yen werden Käufe von Assets aus den Emerging Markets kreditfinanziert. Zuletzt hatten Short-Positionen auf den Yen extreme Ausmaße angenommen, es kam zu einer Short-Squeeze, die dazu geführt hat, solchermaßen kreditfinanzierte Assets zu verkaufen, um einzudecken.

Hinzu kommen Probleme innerhalb einzelner Emerging Markets, z.B. in der Ukraine und in Thailand. Argentinien hat ohnehin nicht eben überborderndes Vertrauen bei den internationalen Anlegern genossen. Nach Austausch der dortigen Wirtschaftführung im November zeigen sich keine Verbesserungen beim Leistungsbilanzsalso, die Inflationsrate liegt weiter nahe bei 25%. Als die Zentralbank in der zurückliegenden Woche die Stützung des Peso einstellte, verschärfte sich der Exodus ausländischen Kapitals. In der Türkei sorgen Zusammenstösse zwischen islamistischen Gruppierungen für Unruhe – und das vor dem Hintergrund eines Leistungsbilanzdefizits von 7,5% des BIPs und einer Inflationsrate von etwa 7,5%.

Seit 2008/2009 sind ungefähr vier Billionen Dollar an ausländischem Kapital in die Emerging Markets geflossen, die dort in Bonds, Aktien und anderen liquiden Instrumenten angelegt wurden. Solche Anlagen können schnell verkauft werden. Siehe hierzu "Weltbank: 2014 – Jahr des Wachstums"!

Emerging Markets haben sich als Anlageklasse schon längere Zeit schlecht entwickelt. Diese Entwicklung hat sich in der zurückliegenden Woche beschleunigt. Gründe sind im wesentlichen struktureller Natur in diesen Ländern.

Diese Gründe sind lange bekannt. Was sorgte dafür, dass es gerade jetzt zu einem Ausbruch kam? Was also war der Anlass? Er dürfte darin zu suchen sein, dass die „Märkte“ allmählich die bei den Zentralbanken Mode gewordene Politik der “forward guidance” in Zweifel ziehen. Auslöser waren aktuelle Kommentare des BoE-Gouverneurs Carney, der selbst als einer der Protagonisten dieser Art Politik gilt. Zudem haben Obama und Bernanke nicht eben viel dazu beigetragen, der neuen Fed-Chefin Yellen zu einem guten Start zu verhelfen. “Forward guidance” soll helfen, den Finanzmärkten die Aussicht auf weiter niedrige Zinsen glaubhaft zu machen. Da Yellen nicht mit einem ordentlichen Vertrauensvorschuss ausgestattet wurde, nagen die Zweifel besonders.

Man kann es auch krasser formulieren: Die "Märkte" versuchen, die Fed in die gewünschte Richtung weiter bestehender Liquiditätsflut zu pressen. Sie haben dabei einen mächtigen Verbündeten: Der IWF hat vor einigen Tagen vor einer Reduzierung der QE-Maßnahmen gewarnt.

Verschärft die Fed an diesem Mittwoch ihren „QE-Tapering“-Kurs dürfte alle „forward guidance“ weiter niedriger Leitzinsen zunächst wenig helfen. Dann werden sich die Märkte auf steigende Zinsen einstellen und den Kapitalexodus aus den Emerging Markets forcieren.

Ein weiterer Katalysator für steigende US-Zinsen könnte sich mit der ersten Schätzung des US-BIP für Q4 am Donnerstag ergeben. Es wird eine drei vor dem Komma erwartet, der Lageraufbau in Q3 schafft eine gewisse Unsicherheit. Die „Final sales” dürften um annualisiert 3,5 bis 4% steigen, wird erwartet. Eine solide BIP-Entwicklung dürfte Erwartungen bald steigender Zinsen ebenfalls Nahrung geben.

[Unter Verwendung von Material von Marc Chandler]

Nachtrag:
(29.1.14) Die türkische Zentralbank hebt die Leitzinsen deutlich an, um Druck von der Währung zu nehmen (plus 4,25% auf 12%). Zuvor hatte schon Indien die Zinsen deutlich erhöht. Die drastische Maßnahme der Türkei schaffte es zwar, die Lira erst einmal zu stabilisieren, allerdings ist das Zinsniveau dem Zustand der türkischen Volkswirtschaft nicht angemessen, weil viel zu hoch.

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