Wall Street jubiliert und erzählt die Geschichte, Kleinanleger würden aus Anleihen in Aktien wechseln und diese “große Rotation” ließe den Bull-Markt auf neue Höhen steigen. Wunderbar…
„Große Rotation“ – das erinnert mich an die „Große Moderation“. Was ist damit gemeint?
In den späten 1980er Jahren begann die Amplitude der Konjunkturzyklen nachzulassen. Untersuchungen erklärten, eine geeignete Wirtschaftspolitik und v.a. die Geldpolitik hätten es geschafft, für eine sich gleichmäßig entwickelnde Konjunktur und langfristig stabiles Wachstum zu sorgen. Der jetzige Fed-Chef Bernanke griff diesen Terminus in einer Rede 2004 auf und machte ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Fortan glaubten immer mehr immer lieber an die Wundertaten einer unabhängigen und flexiblen Geldpolitik, reduzierter staatlicher Regulierung, niedriger Steuern, verbessertem Supply-Chain-Management usw. Das Ende der „Großen Moderation“ ist bekannt – alle aufgeschobenen Konjunkturtäler gab es akkumuliert in der Finanzkrise 2008.
Interessanterweise hat sich das „moderne Central Banking“ mittlerweile genau von dem verabschiedet, was seinerzeit vom volkswirtschaftlichen Mainstream als wichtigster Punkt der „Großen Moderation“ identifiziert worden war, nämlich der Kontrolle der Inflationsrate.
Die "große Moderation" war das Motto von Wall Street bis zum Ausbruch der Finanzkrise. Wird die „große Rotation“ das Motto der nächsten Wall-Street-Party?
In den ersten vier Wochen flossen in den USA nach Reuters 20,7 Mrd. Dollar in Aktienfonds, die stärkste vier-Wochen-Phase seit April 2000. Im Dezember war die Sparquote in den USA kräftig angestiegen, das Sparvolumen war um über 300 Mrd. Dollar gegenüber dem Vormonat angewachsen.
Das dürfte wohl auch mit außerplanmäßigen Dividendenausschüttungen zusammengehangen haben. Unternehmen hatten damals zu diesem Mittel gegriffen, um der ab Jahresanfang 2013 in Zusammenhang mit der „fiscal cliff“ erwarteten stärkeren Besteuerungen von Kapitaleinkünften zuvorzukommen. Aus dem gleichen Grund wurden Aktien, auf die hohe Kursgewinne aufgelaufen waren, vor Jahresende verkauft. Solche Mittel harren der Wiederanlage.
Der Vergleich mit April 2000 ist interessant. Damals begann genau im Frühjahr 2000, die Tech-Blase zu platzen. Im Januar 2000 waren sogar noch 42,7 Mrd. Dollar in Aktienfonds geflossen. Bull-Märkte sind häufig dadurch gekennzeichnet, dass Kleinanleger kurz vor Ende der Party dazustoßen. Zudem ist im Januar ein kräftiger Zufluss in Fonds nicht ungewöhnlich. Und der starke Zufluss der zurückliegenden Wochen relativiert sich angesichts des seit Anfang 2008 aufgelaufenen Abflusses aus Aktienfonds im Volumen von 410 Mrd. Dollar.
Dass das Verhalten von Kleinanlegern nicht unbedingt ein gutes Indiz für den vorherrschenden Trend bei Aktien ist, zeigt sich auch daran, dass sich erst 26 Monate nach dem Platzen der Tech-Blase ein konsistenter Abfluss aus Aktien-Fonds einzustellen begann.
Die “Große Rotation" – das hört sich nach etwas Säkularem an, das man nicht verpassen darf. Das Motto kommt nicht von ungefähr.
Denn die Aktienbullen brauchen Unterstützung. Ansonsten wird ihnen knapp unter den Allzeithochs im S&P 500 und im Dow die Luft ausgehen. Dem weltweit wichtigsten Aktienindex, dem S&P 500, fehlen noch 4%. Also nur ein schöner Werbespruch, um Private in Aktien zu ziehen, damit die „Großen Jungs“ besser verkaufen können?
Im Bond-Bereich, ob Treasuries oder Unternehmens- oder Emerging-Market-Anleihen hat sich eine riesige Blase aufgetan, die auf Dauer nicht haltbar ist. Der Zufluss in Bond-Fonds war im Januar netto positiv, was zeigt, dass Bond-Investoren noch nicht so schnell aufgeben. Zudem wurden im Januar in den USA neue "high-grade" Unternehmensschulden im Gesamtwert von über 110 Mrd. Dollar ausgegeben.
Zudem wetten Bond-Halter darauf, dass die Notenbanken, insbesondere die Fed, ihnen ihre Bestände an Treasuries zu Höchstpreisen abkauft. Genau das ist mittlerweile der Sinn und Zweck aller QE-Programme – das Gerede von ihrer konjunkturunterstützenden Absicht sollte man getrost vergessen. Hier geht es um die Garantie, dass Bond-Halter ihre Bestände günstig loswerden – m.a.W. die Notenbanken haben sich (noch mit unsichtbarer Tinte) auf die Fahnen geschrieben, der Bond-Blase dosiert heiße Luft abzuziehen.
Das wird genausowenig gut gehen wie bei allen anderen Blasen auch. Eine Blase platzt irgendwann und dann gibt es einen Knall. Oder haben Sie schon einmal einen Luftballon geräuschlos platzen sehen?
Bill Gross kommentierte, dass die Zuflüsse im Januar bei Pimco wenig Hinweise auf eine Rotation gegeben haben. Seiner Meinung nach sind die Geldmärkte die hauptsächliche Quelle für Zuflüsse in Aktien gewesen. Wegen der Unsicherheit hinsichtlich der “Cliff” flossen den Geldmarktfonds im November und Dezember 123 Mrd. Dollar zu. In den ersten zwei Wochen im Januar wurden wieder fast 32 Mrd. Dollar abgezogen, so viel wie seit März 2012 nicht mehr.
Die “Große Rotation” dürfte zunächst einmal nichts weiter als ein schöner Werbespruch sein, der dazu dienen soll, weiteres Kapital für Aktien zu mobilisieren, um die Allzeithochs anzugehen. Die Geschichte lehrt, das so etwas selten beim ersten Mal gelingt.
In den Jahren seit 2008 hat sich eine gewaltige Bond-Blase aufgebaut. Sie ist größer als alles jemals Dagewesene. Wie der Chart zeigt, sind Treasuries (als Stellvertreter für Anleihen insgesamt) aktuell immer noch extrem überbewertet und relativ dazu Aktien weiterhin stark unterbewertet. Wohlgemerkt nur relativ zu TBonds – denn gemessen an den Gewinnen pro Aktie sind sie keineswegs preiswert.
Sollte es gelingen, das Bondkapital in Aktien zu überführen – und genau das ist ja Inhalt des Traums von der „Großen Rotation“, dann kann man sich auch einen S&P 500 bei 3000 vorstellen. Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Dazu müsste eben wie oben gesagt, die Bondblase kontrolliert zurückgefahren werden. Das wäre das erste Mal in der Geschichte, dass so etwas gelingt. Und wenn es gelingt, dann hätten wir eine Blase bei Aktien, die alles bisher hier dagewesene weit, weit in den Schatten stellt. Und was ist, wenn dann diese Blase platzt?
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