Morgen wird die Fed das Ergebnis ihres FOMC-Treffens bekannt geben, das heute beginnt. Im Dezember waren nach der damaligen FOMC-Sitzung Bedenken laut geworden, die Fed könnte ihre lockere Geldpolitik alsbald zurückdrehen. Zwar war damals QE4 bekannt gegeben worden, aber gleichzeitig wurde offenbar, dass sich vier oder fünf Komitee-Mitglieder dafür ausgesprochen hatten, die geplanten Asset-Käufe vor Jahresende 2013 einzustellen, bzw. deutlich zurückzufahren.
Fed-Chef Bernanke hatte anschließend gesagt, selbst wenn die Fed an irgendeinem Punkt ihre Asset-Käufe einstellen sollte, sei das nicht gleichbedeutend mit einer Wende zu einer Straffung der Geldversorgung. Das hatte einige Akteure dennoch nicht ruhen lassen und sie behaupteten, die Fed lüge und wäre schon dabei, ihre Asset-Käufe zurückzufahren.
Die Akteure an den Finanzmärkten pflegen auf der Jagd nach maximalem Profit die Erträge unterschiedlicher Anlagen zu vergleichen und entsprechend zu rotieren. Während in Frühphasen einer Expansion der Märkte v.a. Assetklassen miteinander verglichen werden, geht es in einem fortgeschrittenerem Stadium darum, Segmente in Assetklassen zu vergleichen. Am Schluss heißt es dann, dieses oder jenes konkrete Produkt (z.B. Aktie) sei billiger als andere und habe deshalb Nachholbedarf. Mit jeder Runde steigt das Risiko: Wenn das "Angebot" noch lukrativer Assets abnimmt, steigt die Neigung, Gewinne zu realisieren.
Durch die lockere Geldpolitik der Zentralbanken sind die Assetpreise insgesamt schon kräftig gestiegen, haben die Finanzmärkte schon deutlich expandiert. Der nachfolgende Chart (per Dez 2012) zeigt bei Betrachtung der vier großen Klassen Rohstoffe, Staatsanleihen, Aktien und „Cash“, dass die Finanzmärkte heute bereits „dicker“ sind als Ende 2007, als die US-Immobilienblase zu platzen begann. Besonders „dick“ ist im Vergleich zu damals die Schicht der Treasuries geworden.
Je stärker die Expansion voranschreitet, je höher wird der Druck auf die Anleger, insbesondere die Fonds-Manager, höhere Risiken zu übernehmen, um mehr Performance als der Wettbewerb zu zeigen. Es ist zudem Absicht der Fed, Anleger in höhere Risiken, insbesondere in Aktien zu drängen, u.a. weil hierdurch ein Wohlstandseffekt erwartet wird, der die Konjunktur stimulieren soll.
Mohamed El-Erian, Pimco, sieht Parallelen zu 2006/2007, als ebenfalls die Asset-Preise künstlich hoch getrieben und die Risiko-Aufschläge ganz allgemein gedrückt wurden. Damals war von der “Großen Moderation” die Rede – jeder wollte nur zu gerne glauben, dass Zentralbanken und Politik den Konjunkturzyklus überwunden hatten.
Damals allerdings waren die Liquiditätsquellen endogen in den Finanzmärkten, die Schuldenhebel der Investmentbanken und ihrer Investitions-Vehikel wuchsen und wuchsen.
Heute liegen die Liquiditätsquellen außerhalb der Finanzmärkte, hauptsächlich bei den Notenbanken, die per Bilanzverlängerung Liquidität bereit gestellt haben. Die Fed hat in Aussicht gestellt, dass sie in 2013 nochmals eine Bill. Dollar in die Märkte pumpt. Andere werden ähnlich handeln.
Die Liquiditätsversorgung durch die Notenbank ist per se stabiler als diejenige per Schuldenhebel. Eine Notenbank kann nur durch sehr widrige Bedingungen gezwungen werden, ihre Bilanz ungeplant zu verkürzen. El Erian meint, da müsste schon eine dramatische Kombination von Druck seitens Wechselkurs, Inflation und Politik vorliegen.
Auch wenn die Stabilität damit relativ höher ist, absolut ist sie nicht. Durch die Aktivitäten der Zentralbanken haben sich viele Assetpreise von ihren Fundamentaldaten abgehoben. Das trifft besonders auf hoch-rentierliche Unternehmensanleihen zu, aber auch auf Aktien, deren Bewertung (USA – S&P 500) am oberen Ende der bis Mitte der 1990er Jahre gültigen Bandbreite liegt.
Einige Fed-Mitglieder haben bereits gesagt, dass sie die QE-Aktivitäten dämpfen wollen. Das bedeutet zunächst nur, dass dann der Zustrom frischer Liquidität abebbt, der Bestand bleibt immer noch weiter hoch. Aber dennoch werden sich die Akteure ab einem bestimmten Punkt mit geringer werdenden Eingriffen der Notenbanken fragen, welche Fundamentaldaten die künstlich hoch gezüchteten Assetpreise rechtfertigen könnten. Noch herrscht der Glaube vor, die Notenbanken werden es auch wirtschaftspolitisch schon richten, sprich v.a. Geld schöpfen.
Wenn es stimmt, dass die „Märkte“ die Zukunft vorwegnehmen, dann dürften alsbald Makrodaten und Unternehmenszahlen wieder größere Bedeutung bekommen. Bei gegenseitig hoch getriebenen Assetklassen und Assetsegmenten fällt es bei Störfeuer aus dieser Richtung schwerer, auf dem erreichten Niveau zu rotieren. Negative Makrodaten und Unternehmenszahlen dürften so die Volatilität an den Finanzmärkten wieder stärker treiben als zuletzt.
Die Frage ist letztendlich, wann große Akteure an den Finanzmärkten beschließen, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Es spricht viel dafür, dass das unter langfristigen Aspekten noch nicht erreicht ist. Viel wird davon abhängen, was von den Zentralbanken zu hören sein wird. Insofern kommt dem Ergebnis der aktuellen FOMC-Sitzung, das morgen am späten Nachmittag veröffentlicht wird, erhebliche kurzfristige Bedeutung zu. Es ist dabei weniger das Ergebnis als die Kommentare, aus denen herausgelesen wird, wie lang der Zustrom von Liquidität noch anhält.
Die implizite Volatilität bei US-Aktien, der VIX, hatte mittlerweile Niveaus erreicht wie im April 2007. Das drückt die Sorglosigkeit am „Markt“ aus, mit hohen Kursschwankungen wird gegenwärtig (noch) nicht gerechnet. Es gibt auch keinen Grund, warum der VIX nicht noch tiefer sacken kann (z.B. auf den Bereich von zehn wie zuletzt Ende 2006/Anfang 2007), umgekehrt bedeutet ein höheres VIX-Niveau nicht zwangsläufig fallende Kurse.
Die Auswertung von VIX und S&P 500 liefert aktuell allerdings Hinweise, dass das Spiel kurzfristig überreizt ist und der VIX zunächst einmal steigen dürfte, was sich in einen Pullback bei Aktienkursen übersetzen lässt. Der nachstehende Chart zeigt Ähnlichkeiten mit März/April 2012, als der durch die LTROs der EZB maßgeblich beeinflusste Bullrun auslief. Damals gab es einen Rückzug im S&P 500 von 1420 auf 1280 (Anfang Juni).
Nachtrag:
(30.1.13) Das FOMC bekräftigte wie allgemein erwartet, per QE4-Programm monatlich bis zu 85 Mrd. Dollar für Anleihe-Käufe einzusetzen. Als Ziel gilt weiterhin das Erreichen einer Arbeitslosenquote von 6,5%, so lange die Inflationserwartungen unter 2% bleiben. Jüngste Schwäche in der wirtschaftlichen Entwicklung schreibt die Fed Sonderfaktoren zu (Wetter- und andere vorrübergehende Einflüsse). Es gab eine Minderheitsmeinung im Komitee: Die Kansas-City-Fed Präsidentin Esther Georg äußerte Bedenken hinsichtlich des großen Umfangs der geldpolitischen Erleichterungen, die das Risiko künftiger Ungleichgewichte bergen.
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