Eurokrise zeigt sich wieder

Die Niederlande verstaatlichen SNS Reaal, ihre viertgrößste systemrelevante Bank. Der Steuerzahler legt dafür 3,7 Mrd. Euro auf den Tisch: 2,2 Mrd. Euro kommen als frisches Geld hinein, 800 Mio. Euro aus einem früheren Bailout werden in den Schornstein gesteckt und 700 Mio. Euro werden von Immobilien-Assets abgeschrieben. Andere Banken schießen eine Mrd. Euro zu. Die Europäische Kommission hatte zuvor Pläne blockiert, wonach die anderen großen, systemrelevanten niederländischen Banken, Rabobank, ING und ABN Amro mit einer „Bad Bank“ beispringen sollten. Das diesjährige Ziel für das Budgetdefizit des Landes dürfte damit kaum erreichbar sein.

Crédit Agricole schreibt 2,68 Mrd. Euro an Goodwill ab, die Deutsche Bank schreibt 1,9 Mrd. Euro auf Goodwill und andere nicht-dingliche Assets ab. Vorausgegangen waren Warnungen der EU.

Bei dem seit Wochen anhaltenden Skandal in Italien um die älteste Bank der Welt geht es zwar nur um 700 Mio. Euro eines geplatzten Derivate-Portfolios. Die Anfänge dieser Entwicklung stammen aber noch aus der Zeit, als Draghi bei Goldman und anschließend Chef der italienischen Notenbank war. Er hat von nichts gewusst. Auch sonst hat niemand etwas gewusst, wie es scheint. Und plötzlich war das Geld weg…

Täglich gibt es in Spanien neue Schauergeschichten über angeblich seit 1997 anhaltende Cash-Zahlungen an Mitglieder der Partido Popolar in der Regierung. Damit sollte ein Verbot umgangen werden, wonach Regierungsmitglieder keine Parteigehälter beziehen dürfen. Mittlerweile zieht das Kreise bis in die höchsten Partei- und Regierungssitzen. Regierungschef Rajoy steht unter Beschuss und zieht es vor, nur noch per TV-Monitor mit der Presse zu sprechen (h/t Eurointelligence). Business Insider hat einige treffende Fotomontagen zusammengestellt. Jeden Abend versammeln sich vor dem PP-Hauptquartier in Madrid Spanier, die dort so lange zusammenkommen wollen, bis die Regierung zurücktritt.

Die Pläne zur Bankenrettung drohen den ESM rasch zu überfordern. Zahlreiche Länder der Währungsunion drängen nun darauf, dass auch Fälle, in denen Banken bereits mit nationalen Steuergeldern gerettet wurden, nachträglich an den ESM übertragen werden können. Diese Altfälle summieren sich auf fast 300 Mrd. Euro, heißt es. Damit wären die Mittel des ESM bereits mehr als erschöpft. Er hat zwar eine Kapazität von 500 Mrd. Euro. Weil die Hilfen für marode Geldhäuser aber aus Sicht der Finanzmärkte mit deutlich größeren Risiken behaftet sind, schlagen Finanzhilfen für Banken deutlich stärker zu Buche als die Unterstützung für klamme Staaten der Eurozone. Der ESM, der sich sein Geld für die Bankenrekapitalisierung am Finanzmarkt leihen würde, müsste daher größere Sicherheiten bieten, bzw. kann seine Kapazität nicht ausschöpfen, um sein Spitzenrating von AAA zu behalten.

Ein weiterer Punkt: Der britische Premierminister Cameron hat angekündigt, die Briten über die Mitgliedschaft in der EU abstimmen zu lassen. Der unmittelbare Anlass war die Entscheidung der EU für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Es war von vornehein klar, dass eine solche Steuer (ohnehin von zweifelhaftem Nutzen) für Großbritannien eine Provokation darstellt. Die Reaktion auf Camerons Reaktion in der EU reichte –salopp gesagt- von „egal“ bis „fast egal“.

Cameron hat in der Begründung seines Vorstoßes darauf verwiesen, dass sich die EU insgesamt Kompetenzen anmaßt, für die sie nach den Verträgen nicht zuständig ist. Genauso agiert die EZB mit ihrem OMT-Programm und die beabsichtigte Ansiedelung der Bankenaufsicht, an der weitreichende Finanzierungsentscheidungen hängen. Auch sie mißachtet die Maastrichter Verträge und bewegt sich außerhalb ihres geldpolitischen Mandat.

Cameron beklagt die Orientierung der EU, dass die politische Einigung Europas über die weitere Vertiefung der Eurozone erreicht werden soll. Große und wichtige europäische Länder gehören nicht zur Eurozone und bleiben wegen der Vergemeinschaftung der Staatsschulden auch auf lange Zeit außen vor. Dadurch wird die Einigung Europas gerade nicht vorangetrieben.

Ich will auf die Argumente von Cameron nicht im einzelnen eingehen. Sein Vorstoß ist für mich ein weiteres Indiz auf tiefgreifende Unstimmigkeiten und Spannungen innerhalb der EU, die auf dem eingeschlagenen Weg nur weiter vertieft werden. Indirekt dürfte er auch darauf abgezielt haben, dass der Schwerpunkt der Entscheidungsgewalt der EU in der südlichen Peripherie liegt und die Interessen der wirtschaftlich stärkeren Kernländer somit nicht genügend zur Geltung kommen.

Die hierdurch begründeten Spannungen und Interessenskonflikte führen zu Schwäche und Lähmung der Eurozone. Das aber ist genau kontraproduktiv zur EU-Linie, die politische Einigung Europas über eine engere politische und wirtschaftliche Verflechtung der Eurozone zu erreichen.

Beste Voraussetzungen für den Fortbestand der Eurokrise…

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