Fiskalpakt ade!

Nach den Wahlen in Griechenland und Frankreich mehren sich die Stimmen gegen den Merkelschen Fiskalpakt. Ich hatte ihn ja vor einiger Zeit schon als „Lachnummer“ angesehen, weil er letztlich keine stringenten Mittel zur Haushaltssanierung in der Eurozone festgelegt hat. Es wurde lediglich politischer Druck verankert, eine verbindliche Verpflichtung mit Möglichkeiten, bei Zuwiderhandlungen effizient durchzugreifen, gab und gibt es nicht.

Das Ganze diente meiner Meinung nach nur dem Zweck, eine Anpassung innerhalb der Eurozone v.a. durch Deflationierung in den PIIGS-Ländern zu bewerkstelligen. Die Alternative einer Inflationierung in Deutschland konnte so bis jetzt zwar abgewendet werden.

Aber nur zu dem Preis, dass z.B. in Spanien die Industrieproduktion im März im Jahresvergleich um rekordverdächtige 10,7% geschrumpft ist. Der Produktionsrückgang bei langlebigen Verbrauchsgütern betrug sogar mehr als 15%. In Griechenland sind im April die PKW-Neuzulassungen um 56,7% auf unter 4500 zurückgegangen – der schlechteste Wert in mehr als 22 Jahren. Im Januar 2008 waren noch nahezu 34000 PKW neu zugelassen gelassen worden – macht rund 90% in etwas mehr als vier Jahren.

Diese Entwicklungen sind als klar depressiv einzustufen. Jedoch halten sich die deflationären Merkmale in den PIIGS weiterhin in Grenzen (siehe auch hier!). Das liegt u.a. an den Target2-Krediten, die munter weiter sprudeln.

Der Druck auf Merkel wird untragbar werden, sagt FAZ-Herausgeber Steltzner. Nach einem Wachstumspakt kämen die Bank-Lizenz für den ESM oder Eurobonds auf die Agenda, ebenso die nach Art. 123 der EU-Verträge verbotene Staatsfinanzierung durch die EZB, vielleicht sogar das EZB-Mandat hinsichtlich Preisstabilität.

Und so sieht es aus: Erste Sondierungen in Griechenland hinsichtlich Regierungsbildung sind schon gescheitert. Die beiden bisherigen Regierungsparteien wollen die Eurozonen-Diktate neu verhandeln – im wesentlichen geht es um eine zeitliche Streckung der Sparmaßnahmen. Die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen (im Juni) steigt – man will ja wieder gewählt werden.

Sarkozy-Nachfolger Hollande will entweder Eurobonds oder eine Beteiligung der EZB am „primary market“ für Staatsbonds; das eine oder das andere soll in die Verträge eingeschlossen werden. Der Wirtschaftssprecher der italienischen PDL macht denselben Vorschlag und kritisiert Monti wegen dessen „Kungelei“ mit Merkel.

Diese Forderungen laufen darauf hinaus, die Unabhängigkeit der EZB auch formal abzuschaffen und sie politischer Kontrolle zu unterwerfen.

Die Bundesbank hält dagegen: In einem Hearing vor dem Haushaltsausschuss der Bundestags kritisiert die Bundesbank scharf den Trend, auf europäischer Ebene die Risiken zu teilen ohne europäische Kontrolle über die nationalen Budgets. Die Bundesbank widerspricht damit auch dem IWF, der glaubt, der Fiskalpakt biete genügend gemeinsame Kontrolle, um nach und nach Eurobonds einführen zu können. Nach Meinung der Bundesbank bietet der Fiskalpakt eben keine Basis für eine „Fiskal-Union“ und daher sei er auch keine Basis für die Einführung von z.B. Eurobonds. Auch sei der ESM zwar wohl sinnvoll in einer existentiellen Krise, aber auch er weiche den Sinn für die Verantwortung der einzelnen Euro-Regierungen für ihre nationalen Finanzen auf. Merke: Eurobonds sind verfassungswidrig.

„Moral Hazard“ oder „Complacency“ – die Finanzkrise hat gezeigt, wohin das führen kann.

Die Tage des Merkelschen Fiskalpakts sind gezählt. Und damit bricht für Deutschland eine neue Zeit an. Wenn die Anpassung innerhalb der Eurozone künftig vorrangig über Inflationierung in den „Nordländern“ und hier v.a. in Deutschland stattfindet, dann kostet das die deutsche (Export-)Industrie Wettbewerbsvorteile – und das nicht nur beim Handel innerhalb der Eurozone. Da gleichzeitig Länder wie China nur noch in reduziertem Tempo expandieren, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die (ohnehin bescheidenen) Wachstumsraten der deutschen Wirtschaft wieder der Vergangenheit angehören.

Unter der Flagge eines „Wachstumspakts“, noch wird bescheiden von „Wachstumskomponente“ gesprochen, kommt die Vergemeinschaftung aller Staatsschulden in der Eurozone daher, wahrscheinlich letztlich durch Eurobonds. Vielleicht aber auch in einer besonders perfiden Form, die George Soros vor einiger Zeit in Project Syndicate George Soros vorgeschlagen hat (Tipp Eurointelligence): Die EU sollte ein SPV schaffen, dass die EZB-Seignorage nutzt, um die Kosten für ein großes Bond-Kaufprogramm zu finanzieren. Damit ließen sich auch die Restriktionen der EU-Verträge umschiffen. Der Wert der EZB-Seignorage wird u.a. von W. Buiter auf 2 bis 3 Bill. Euro geschätzt.

Im Übrigen geht Soros davon aus, dass die Eurokrise eine weniger volatile, aber potentiell tödlichere Phase erreicht hat: „The crisis has entered what may be a less volatile but potentially more lethal phase.”

Wolfgang Munchau schreibt im Spiegel, langfristig angelegte Lösungen wie z.B. ein Wachstumspakt, bringen uns nicht aus der Krise. Die funktionierten nur, wenn die Krise vorbei ist. Er ist sich noch nicht einmal sicher, ob strukturelle Reformen so viel Wachstum produzieren wie ihre Verfechter angeben. Aber selbst wenn, muss der Fokus auf die Vermeidung einer Schuldenfalle gelegt werden, insbesondere in Spanien. Für ihn ist die Initiative „Struktur-Wachstum“ eher nur wieder eine neue Krisen-Variante.

Die Finanzmärkte haben gestern vergleichsweise milde auf die Wahlausgänge in Europa reagiert. Der S&P 500 hat deutliche Verluste im frühen Handel relativ schnell aufgeholt, allerdings kam er an wichtigen charttechnischen Marken nicht weiter und endete plus/minus Null.

Geholfen haben dabei auch Meldungen über einen möglichen Bailout der spanischen Sparkasse Bankia. Die Regierung könnte 7-10 Mrd. Euro zur Rekapitalisierung bereitstellen, hieß es. Bei Bankia werden „toxische Assets“ im Volumen von bis zu 30 Mrd. Euro vermutet. Das ist allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es wird ein Vielfaches benötigt, um das spanische Bankensystem zu sanieren. Diese Summe kann die spanische Regierung nicht aufbringen, weshalb hier wohl recht bald der ESM ins Spiel kommt. Bankia war im jüngsten IWF-Stabilitätsbericht namentlich erwähnt worden als eine Bank, die dringend Hilfe benötigt.

Der spanische Aktienindex schloss ob dieser frohen Botschaft gestern deutlich im Plus.

Ob Aktien insgesamt aber schon wieder einen „Call“ wert sind, ist zweifelhaft. Natürlich wachsen mit jedem Minus-Tag die Hoffnungen auf neue Liquiditäts-Maßnahmen von Fed und EZB. Auf der anderen Seite drückt der Verlauf der Quartalssaison mehr und mehr auf die Stimmung: 420 S&P 500 Unternehmen haben bis jetzt berichtet, 67,6% haben die (niedriger gelegten) Erwartungen übertroffen. Das ist noch über dem historischen Mittel bei 62%, aber zum Start der Quartalssaison lag die „Beat-Rate“ noch bei über 80%.

Dass die Reaktion der Finanzmärkte auf die Eurozonen-Wahlen so milde ausfiel, verweist meiner Meinung auch darauf, dass die „Märkte“ sich allmählich auf ein Ende der „Austerity“ einstellen. Der hohe Verschuldungsgrad der Staaten verschwindet mit „Austerity“ nicht – das spricht sich mittlerweile herum. Dass er mit zusätzlicher, vorgeblich auf die Schaffung von Wachstum ausgerichteter Verschuldung ebenfalls nicht verschwindet, steht (vorerst) auf einem anderen Blatt. Siehe hierzu auch: "Sparen oder Schulden machen?".

Worauf die Finanzmärkte setzen, sind massive Eingriffe der Notenbanken. Und die werden kommen. Bis die nächste Blase platzt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ihre Stimme, bitte.
Please wait...
blank
Schlagwörter: , , , ,