Eurobonds verfassungswidrig?

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 7. September hinsichtlich der Griechenland-Hilfen erklärt diese Hilfen aus dem zurückliegenden Jahr für rechtmäßig, macht aber klare Vorgaben für die Zukunft.

Danach darf die Regierung keine Krisenmechanismen akzeptieren, wenn sie andauernde Verpflichtungen anderen Staaten gegenüber beinhalten, wenn diese Verpflichtungen sehr groß und unkalkulierbar sind, sowie ausländische Regierungen durch ihre Politik Zahlungen aus Garantien auslösen können. Entsprechend wird die Rolle des Bundestags betont, der jeder einzelnen Regelung im Rahmen der „Rettung“ notleidender Eurozonen-Mitglieder zustimmen muss, sein Haushaltsausschuss muss jede Auszahlung genehmigen.

Hintergrund ist, dass der Bundestag nach Verfassung sein Kontrollrecht nicht an Dritte abtreten kann und darf, eine Wiederholung der Ermächtigungsgesetze aus der Weimarer Zeit soll es nicht geben. (Das war damals allerdings auch schon unzulässig – siehe auch hier). Überspitzt gesagt: Die Souveränität darf zwar in kleinen Stücken, aber nicht insgesamt abgegeben werden.

Wolfgang Münchau schreibt heute in der FT, es gibt nur es zwei wirkliche Optionen für eine Lösung der Staatsschuldenkrise der Eurozone. Die eine sei die Monetarisierung der nationalen Schulden durch die EZB. (Anmerkung des Verfassers: Die EZB gibt zwar vor, dass sie dies nicht will, betreibt aber momentan genau dies, indem sie Bonds notleidender Staaten der Eurozone aufkauft.)

Die andere sei die Einführung von Eurobonds. Abgesehen davon, dass die Bundesregierung diese (noch) nicht will, macht das BVerfG-Urteil aus Münchaus Sicht dies unmöglich, weil Eurobonds ein permanenter Mechanismus sind. Sie widersprechen den im Urteil skizzierten Linien.

Da die EFSF als temporäre Maßnahme gilt, ist sie zulässig. Beim Nachfolger, dem ESM, ist das schon wieder mehr als zweifelhaft, weil er als permanenter Krisenmechanismus installiert werden soll.

Ganz ausgeschlossen sind Eurobonds und ESM damit nicht. Aber hierzu müsste in einem Referendum die deutsche Verfassung geändert werden. Dann kann man aber auch gleich die gesamte politische Hohheit in Fragen der Staatsfinanzen von Berlin nach Brüssel übertragen. Besonders realistisch ist dieses Szenario bisher nicht – es dürfte sich kaum eine Mehrheit in der deutschen Bevölkerung für eine dieser Lösungen erwärmen.

So weit W. Münchau, der sich als Verfechter der Eurobond-Lösung bezeichnet. Er betreibt die sehr lesenswerte Seite Eurointelligence.

Der Rücktritt von EZB-Chefvolkswirt Stark macht einerseits deutlich, welche Widersprüche es im EZB-Direktorium zur Frage des Ankaufs von Bonds notleidender Eurozonen-Mitglieder gibt (oder gab). Im Frühjahr hatte schon Ex-Bundesbank-Chef Weber genau wegen dieser Frage das Handtuch geworfen (siehe hier: "Ausgewebert"). Möglicherweise ist mit dem Rücktritt von Stark der Weg nun ein Stück weit freier für die EZB, als Retter in der Staatsschulden-Not einzuspringen. Streng genommen ist allerdings ist auch der Ankauf von Bonds durch die EZB nach ihren Statuten nicht zulässig.

Permanente Hilfen von Deutschland für andere Eurozonen-Mitglieder sind mit dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht verbaut, zumindest aber sehr erschwert. „Eigentlich“ ist das nichts Neues, schon in den Maastrichter Verträgen steht eine „No Bailout“-Klausel. Aber die rechtliche Hürde liegt nun sehr hoch – gegen die Maastrichter Verträge lässt sich leicht verstoßen, gegen die deutsche Verfassung nicht ganz so leicht.

Wenn man das Urteil ein wenig weiter dehnt, dann kann es auch eine Grundlage bilden für ein verfassungsgerichtliches Verbot von Bond-Ankäufen durch die EZB. Denn im Grunde geschieht hier nichts anderes wie beim „permanenten Retten“. Über die Anteile Deutschlands an der EZB können gewaltige, den finanzpolitischen Spielraum von Bundesregierung und Bundestag erheblich einengende Verpflichtungen auf das Land zukommen, ohne dass der Bundestag jemals eine Möglichkeit hatte, hierbei im Einzelfall mitzureden.

Nachtrag:
In einem Interview erklärt der Präsident des BVG: "Mehr Europa lässt das Grundgesetz kaum zu".

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