Zum Thema "Wirkungskette der Geldpolitik" (Transmissionsmechanismus der Geldpolitik) ist unter dem Titel "Inflation – zur Not mit der Brechstange" eine neuerer Artikel erschienen.
EZB-Präsident Draghi sieht Zeichen für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der Eurozone. In einem Interview mit FAZ sagte er: „Das Bankensystem erscheint weniger anfällig als vor einem Jahr.“ Eine weitere Senkung der Anforderungen an Sicherheiten, mit denen Banken bei der EZB leihen können, hält er für nicht erforderlich. Künftig gehe es eher darum, die Anforderungen an die Pfänder wieder zu erhöhen. Zum Ankauf von Staatsanleihen sagte er, die Märkte seien immer noch anfällig, deshalb müsse man mit der Ankündigung einer Abschaffung des SMP-Proramms vorsichtig sein.
Nomura Securities sieht die Wirkungsketten von Leitzinsänderungen durch die massiven Liquiditätsinjektionen z.B. der EZB nach wie vor als gestört an. Das folgende Diagramm von verdeutlicht die Transmissionsmechanismen.
Nomura schreibt, in normalen Zeiten ist der Liquiditätssupport der EZB minimal, weil die Banken sich untereinander Geld leihen. Bei einem intakten Geldmarkt führen sinkende Leitzinsen zu sinkenden Kreditkosten der Banken. Wenn die Geldmarktzinsen sinken, senken die Banken über die Wirkungskette im „interest rate channel“ Zinsen auf Ausleihungen und Sparguthaben. Sinkende Zinsen führen dazu, dass Haushalte und Unternehmen Konsum und Investitionen steigern anstatt mehr zu sparen.
Der „bank lending channel“ funktioniert synchron mit dem „interest rate channel“. Eine Leitzinssenkung steigert in der Bankbilanz den Wert der Vermögensseite (etwa dadurch, dass niedrigere Leitzinsen zu steigenden Werten von Bonds und sonstigen Krediten führen). Die verlängerte Assetseite ihrer Bilanz erlaubt es der Bank, ihre Kreditvergabe auszuweiten.
Bei einem gut funktionierenden Transmissions-Mechanismus, zu „normalen Zeiten“, steigert eine Leitzinssenkung die Geldmenge und das Kreditangebot. Mit zunehmender Kreditnachfrage steigt die gesamtwirtschaftliche Aktivität. Geldpolitische Maßnahmen schlagen (mit Verzögerung) auf die Realwirtschaft durch. Zudem ist die Zentralbank „lender of the last resort“, stellt nur in Ausnahmefällen Banken Liquidität direkt zur Verfügung.
In „unnormalen Zeiten“ sind die Mechanismen im Zins- und der Interbanken-Kanal gestört. Wenn Banken vom Geldmarkt ausgeschlossen sind, sind sie zu Notverkäufen von Assets gezwungen. Die Verkürzung der Asset-Seite ihrer Bilanzen führt dazu, dass sie ihre Kreditvergabe einschränken müssen. Zunehmende Unsicherheit lässt die Interbanken-Zinsen (weiter) steigen, weitere Banken verlieren den Zugriff auf Mittel aus dem Geldmarkt.
Die EZB hat auf die Spannungen im Interbanken-Markt mit einer Reihe von Liquiditätsoperationen reagiert und sich so für viele Banken zum „lender of the first resort“ gemacht. Ihre jüngste Maßnahme stellt der LTRO dar. Damit wird den Geschäftsbanken die Möglichkeit gegeben, sich für drei Jahre unbegrenzte Mittel bei der EZB zu gegenwärtig einem Prozent zu leihen.
Der hohe Spread zwischen den Zinsen, die Banken für Ausleihungen an ihre Kunden verlangen und den Geldmarktzinsen zeigt nach Nomura, dass sich die Situation im Zinskanal („interest rate channel“) seit 2008 kaum verbessert hat. Das sei vor dem Hintergrund der erheblichen EZB-Interventionen in diesem Zeitraum ein schlechtes Zeichen.
An den nachfolgenden Charts lassen sich Spannungs- und Entspannungsphasen im Interbanken-Markt gut erkennen:
Der Euribor (Euro InterBank Offered Rate) ist der durchschnittliche Zinssatz, zu dem eine Gruppe so genannter Panel-Banken einander unbesicherte Euro-Kredite gewährt. Die Laufzeiten gehen von 1 Woche bis zu 12 Monaten. Außerdem gibt es den Overnight Zinssatz mit einer Laufzeit von einem Tag, den EONIA Zinssatz. Der Euribor gilt als der wichtigste Zinsindex bei Euro-Geldmarktkrediten. Dem Euribor entspricht der Libor – das ist der Benchmark-Index für Interbankenkredite im US-Dollar und im britischen Pfund.
Der TED Spread ist die Differenz zwischen dem Dreimonats-Libor und der Rendite für 13-wöchige US-TBills (Kürzel IRX). Der TED Spread zeigt an, wie sich die Liquidität der Banken entwickelt. Mit zunehmender Liquidität steigt auch das Angebot am Geldmarkt, der Spread sinkt. Umgekehrt führt ein Rückgang der Liquidität zu einem steigenden Spread. Wenn Banken der weiteren Entwicklung im Bankensystem misstrauen, verkaufen sie Assets und schichten in TBills ("Parkplatz") um. Der TED Spread steigt in der Regel auch bei einer Zunahme der Inflation. Langfrist-Chart:
Euribor, EONIA und TED Spread zeigen allesamt seit Jahresanfang mit fallenden Werten Entspannung an.
Der Verlauf der Übernacht-Einlagen bei der EZB zeigt demgegenüber weiter Werte nahe Rekordniveau. Das spricht nicht unbedingt für "Entspannung", dürfte aber zum Teil durch den Liquditätsschub des LTRO vor Weihnachten mit einem Volumen von knapp 500 Mrd. Euro bedingt sein (Überschussliquidität). Dessen Effekt betrug netto etwa 200 Mrd. Euro, weil zum gleichen Zeitpunkt andere Zentralbankkredite ausliefen.
Ein weiterer Versuch, Spannungen im Bankensystem zu messen, wird im folgenden Chart dargestellt:
Hier werden Differenzen zwischen der Rendite der 13-wöchigen TBills (Kürzel IRX), dem "Liquiditätsparkplatz", der effektiven Fed Funds Rate (FFR) und der nominalen FFR verfolgt. Die weiße Linie zeigt mit einem Ausschlag nach oben nachhaltige Spannungen an, die rote Signallinie signalisiert mit einem Ausschlag nach unten ("Lo") kurzfristige Engpässe in der Liquiditätsbeschaffung. Auch in diesem Chart wird deutlich, dass die längerfristigen Spannungen im Interbankenmarkt seit Jahresbeginn beendet sind. Das gilt gegenwärtig gleichermaßen für die kurzfristigen Aspekte.
Der Chart wird täglich im offenen Bereich dieser Web-Seite aktualisiert.
Am 29. Feb ist der nächste LTRO der EZB angesetzt. Es wird erwartet, dass Banken für eine Billion Euro Kredit anstehen könnten.
Nachtrag:
(29.2.12) Die USA ermitteln offenbar in einem größeren Ausmaß als bislang bekannt gegen mehrere Großbanken wegen möglicher Manipulation des Libor, einem der wichtigsten Zinssätze für das Interbanken-Geschäft.
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