AfD-Verfahren – alles demokratisch, oder was?

Gegenwärtig wird vor dem OLG in Münster um die Frage gestritten, ob die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Das ist gemäß Verfassungsschutz-Gesetz die Voraussetzung dafür, das der Geheimdienst der Regierung die Partei mit geheimdienstlichen Mitteln verfolgen darf.

Dazu müssen der AfD „Bestrebungen“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nachgewiesen werden. Darum geht es in dem aktuellen Verfahren, in dem die Partei Berufung einlegt gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Das hatte die AfD am 8. März 2022 als extremistischen Verdachtsfall bestätigt, weil diese einen gegen die Menschenwürde verstossenden „ethnischen Volksbegriff“ vertrete.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2017 die NPD für verfassungsfeindlich erklärt, weil sie das Deutschsein mit der biologischen Abstammung verknüpft hat. Mit der NPD an der Macht hätte deutschen Staatsbürgern nicht-deutscher Herkunft die Staatsbürgerschaft aberkannt werden können. Das wäre eindeutig verfassungswidrig. Das höchste deutsche Gericht sah hierin eine Parallele zum Nationalsozialismus.

Der Anwalt des Verfassungsschutzes argumentiert, die AfD kaschiere ihr Konzept nur, in Wirklichkeit gehe es ihr um einen „völkisch-abstammungsmäßigen“ Volksbegriff wie bei NPD und NSDAP. Er vertritt damit die Linie des Verwaltungsgerichts Köln, das einen Grundsatzbeschluss der AfD als taktisches Manöver abgetan hatte. Darin hatte die Partei festgestellt: „Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.“

In diesem Zusammenhang ist die Correctiv-Kampagne der Versuch, der AfD über eine behauptete „millionenfache Remigration“ genau diese Ideologie anzuhängen. Diese, sagen wir mal, von der Regierung wohlwollend begleitete Stimmungsmache gelingt jedoch mit jedem Tag weniger. Mittlerweile gehen sogar Quantitätsmedien auf Abstand zu Correctiv. Vor einigen Tagen hatte Bundeskanzler Scholz versucht, die Stimmung wieder anzuheizen und nebulierte, in dieser Villa in Potsdam sei etwas ganz Schlimmes passiert.

Nach Auffassung der AfD gibt es im Grundgesetz eine Unterscheidung zwischen dem „deutschen Volk“ und dem Staatsvolk, den Staatsbürgern. Der Anwalt des Verfassungsschutzes verneint das, es gebe nur das Staatsvolk. Wie sich ein (ethnisches) Volk vom Staatsvolk unterscheidet, bleibt in der aktuellen Verhandlung vorerst ungeklärt.

Ob die AfD einen verfassungsfeindlichen Volksbegriff vertritt und dies zu einem Verbotsverfahren führt, das ist der eine Handlungsstrang. Während es in einer Demokratie schon ein Unding ist, dass eine Regierung eine ihr missliebige Partei torpediert, so steht dahinter ein anderer, viel grundsätzlicherer Punkt: Die Regierung ergreift konsistent Maßnahme nach Maßnahme, um neben der Parteienfreiheit auch die Meinungsfreiheit immer weiter einzuschränken.

In anderen parlamentarischen Demokratien wäre es undenkbar, wenn der Geheimdienst einer Regierung eine legale Oppositionspartei bespitzelt, heimlich abhört oder sonstwie geheimdienstlich beobachtet. Aber der deutsche Verfassungsschutz hat diese Möglichkeiten und soll sie nach dem Willen der Regierung auch nutzen. So etwas kennt man in dieser Form nur von autoritären Staaten.

Demokratie ist als freier Wettbewerb angelegt. In öffentlichen Debatten konkurrieren Personen, Informationen, Ideen, Argumente, Ziele und Lösungen. Am Ende trifft das Wahlvolk seine Entscheidung und delegiert politische Macht. Wie beim Wettbewerb in einem funktionierenden Markt muss auch der Wettbewerb der politischen Vorstellungen und Konzepte fair und ungehindert sein.

Das Grundgesetz begründet eine Parteiendemokratie, Parteien sind das zentrale Instrument bei der politischen Willensbildung des Volkes. Also muss auch der Wettbewerb der Parteien fair und frei sein. Der Staat darf diesen Prozess nicht in seinem Sinne beeinflussen. Aber genau das tut die aktuelle Bundesregierung, wenn sie eine politische Partei durch den ihr unterstellten Verfassungsschutz beobachten lässt.

Die Einstufung einer Partei durch eine staatliche Behörde als extremistisch hat Auswirkungen auf das gesamte politische Klima. Berührungsängste schrecken potenzielle Wähler möglicherweise ab. Auch die Mitglieder dieser Partei werden tangiert, eine Beobachtung durch einen Geheimdienst beeinträchtigt sie in ihrer Meinungsfreiheit. Eine engagierte und produktive politische Debatte kann so nur schwerlich aufkommen.

Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Damit ist die Existenz einer solchen Behörde wie der Verfassungsschutz grundsätzlich problematisch, nicht nur im Falle der Beobachtung einer Partei. Die innere Freiheit, zu sagen, was man denkt, wird eingeschränkt, die Schere im Kopf wird aktiviert. In Umfragen melden denn auch immer mehr Bürger Zweifel an, ob man in Deutschland noch frei seine Meinung äußern kann.

Es ist ein Skandal, dass die SPD-Innenministerin Faeser in einem Wahljahr eine Konkurrenzpartei, die AfD, als „Verdachtsfall“ und teilweise sogar als „gesichert rechtsextremistisch“ einstufen und von ihrem Geheimdienst beobachten lässt. Und auch wenn das diesbezügliche Verfahren noch läuft – es verletzt das grundgesetzlich garantierte Recht der AfD auf Gleichheit im politischen Wettbewerb.

Und weiter:

Für Empörung sorgte kürzlich, dass Familienministerin Paus gegen Meinungsäusserungen im Netz auch dann vorgehen will, wenn diese unter der Grenze der Strafbarkeit liegen. „Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt“, so die Grüne. Innenministerin Faeser parierte und stellte ein gegen Rechtsextremisten gerichtetes Massnahmenbündel vor. „Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen,“, erklärte sie.

Der deutsche Verfassungsschutz in Bund und Ländern handelt genau nach diesem Prinzip. „Der Staat behält sich vor, nicht erst dann zu reagieren, wenn Extremisten konkret gegen gesetzliche Bestimmungen verstossen, sondern bereits im Vorfeld der eigentlichen Strafbarkeit“, so bringt es Haldenwangs Behörde auf den Punkt.

Der Staat wird zum Verfassungsschutzstaat. Insgesamt läuft alles darauf hinaus, dass der Staat schon dann einschreiten soll, wenn lediglich der Verdacht auf eine falsche Gesinnung besteht. Nach Faeser will man sich auch um die Justiz „kümmern“, die erfahrungsgemäss ein wichtiges Ziel rechter Unterwanderung sei (siehe hier!).

In das Horn des wehrhaften und unfehlbaren Staates stößt auch Deutschlands bekanntester Vize-Kanzler. Herr Habeck war zu Gast bei der Bundesvereinigung „Der Mittelstand“ und stellte vor hunderten, unter dem lähmenden Amts- und Paragraphen-Wahnsinn leidenden Mittelständlern die These auf: Bürokratie entsteht aus „etwas Gutem heraus“. Und dann sagte er: „Denn der Staat macht ja keine Fehler.“

Das „Demokratiefördergesetz“ von Innenministerin Faeser (SPD) und Familienministerin Paus (Grüne) ist als gesetzlicher Grundstein dieser Politik der Bekämpfung missliebiger Meinungen gedacht. Es soll u.a. die Vergabe von Mitteln des Steuerzahlers an Organisationen regeln, die sich für jene Art „Demokratie“ stark machen, die sich die Regierung vorstellt. Dumm nur, dass der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags urteilt, das Gesetz verstosse gegen die Verfassung. Dabei soll es diese doch angeblich schützen.

Wenn das alles kein Angriff auf die freie Meinungsäußerung ist…

[Unter Verwendung von Material aus dieser und dieser Quelle; andere sind im Text verlinkt]

Nachtrag
Staatsrechtler Murswiek: Faesers 13-Punkte-Plan greift in Grundrechte ein – „Den 13-Punkte-Plan von Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihr Ziel, gegen Personen und Organisationen schon vorzugehen, wenn sie nur ein „Gefährdungspotenzial“ aufweisen, hält der Staatsrechtler Dietrich Murswiek für rechtswidrig und einen Eingriff in Grundrechte. (…) Zudem kritisiert Murswiek, dass der Verfassungsschutz aktuell seine Befugnisse überschreitet. Er sei für den Schutz der Verfassung und nicht für ein „Staatswohl“ zuständig. (…) Murswiek nennt es auffallend, dass sich Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang „sehr stark in die Öffentlichkeit drängt und es zum Beispiel als seine Aufgabe ansieht, dafür zu sorgen, dass die ‚Brandmauer gegen die AfD‘ hält. Damit überschreitet er die Kompetenzen des Verfassungsschutzes“, erklärt Murswiek. „Auch dass der Verfassungsschutz Fake-Accounts in den sozialen Netzwerken betreibt, die rechtsextreme Hetze verbreiten, ist besorgniserregend. Der Verfassungsschutz facht das Feuer an, dass das BMI dann mit Anti-Rechts-Programmen löschen will.“

Ergänzung
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat festgestellt: „Inzwischen haben die Parteien ihren Einfluss in Staat und Gesellschaft der Bundesrepublik so weit ausgedehnt, dass Zweifel an der Legitimität ihres Handelns aufgekommen sind. Eine wissenschaftliche und öffentliche Debatte von wechselnder Intensität fragt danach, ob sich die Parteien durch die Legalisierung des Parteienstaates im Grundgesetz eine verfassungsrechtlich bedenkliche oder gar verfassungswidrige Machtstellung gesichert haben.“ Das ist schon einige Jahre her, seitdem hat sich die Entwicklung bestimmt nicht umgekehrt.
In der Ausarbeitung heißt es weiter: Schon der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe 1992 moniert, „die Parteien hätten sich zu einem 'ungeschriebenen sechsten Verfassungsorgan' entwickelt, das auf die anderen fünf einen immer weitergehenden, zum Teil völlig beherrschenden Einfluss entwickelt habe."

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