S&P 500 – bullisch, bullischer…

Der S&P 500 steigt weiter – ein Wochengewinn von 0,8%, begleitet von anziehenden Umsätzen. Das US-Weihnachtsgeschäft soll in diesem Jahr deutlich besser laufen. NDX und Nasdaq Composite steigen zwar ebenfalls, zeigen aber relative Schwäche. Der Dow gewinnt starke 2,4%. Der DAX bringt es auf einen Wochengewinn von 2,3%.

Die Ölpreise verlieren nach der OPEC-Sitzung. Der CRB-Rohstoffindex gibt leicht ab. Gold und Silber zeigen die dritte Woche in Folge Stärke – ein Reflex auf die sinkenden US-Renditen.

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Die US-Renditen fallen über alle Laufzeiten. Der Dollar etwas befestigt, Euro/Dollar gibt ab, die Währungspaare Dollar/Yen und Euro/Yen verlieren weiter. Man erwartet, dass die BoJ im kommenden Jahr ihre Geldpolitik straffen wird. Das stützt den Yen.

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Unter der Oberfläche großer Aktien-Indices: Der KBW-Index regionaler Banken steigt um starke 6,3%. Der „Globalisierungsindikator“, der Dow Jones Transport Index (DJT), steigt um weitere 2,5%. Der „Technologieindikator“, der Halbleiterindex SOX, auf Wochensicht –0,3%. Wenn Dow und DJT im Gleichschritt nach oben laufen, ist das nach Dow-Theorie ein gutes Zeichen.

Die Zinsstruktur zeigt sich inverser – die Renditen fallen am langen Ende stärker als am kurzen. Die negative Differenz zwischen der Rendite der 2yr-TNotes und der eff FFR nimmt zu. Das spiegelt die Erwartung wider, dass die Fed die Leitzinsen bald senken wird. Erste Stimmen erwarten das nun schon im ersten Quartal 2024. Gleichzeitig soll die US-Wirtschaft weich landen.

Der Zinssatz für 10-jährige Staatsanleihen (TNX), der wichtigste Preis weltweit, hat nach schwacher Gegenbewegung mittlerweile das 38er Retracement der Aufwärtsbewegung aus Mitte Mai unterboten und steuert das 50er Retracement bei 4,17% an. Die Aktionäre feiern die Schwäche (Chartquelle).

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Die Risikoaufschläge für Investment-Grade-Unternehmensanleihen sind auf 107 Basispunkte und damit auf den engsten Stand seit Februar 2022 gefallen. Die Anleger gehen zunehmend davon aus, dass die geldpolitische Straffung der Fed beendet ist. Der Rückgang der Spreads und Renditen hat die Unternehmen dazu veranlasst, in der zurückliegenden Woche Anleihen im Wert von 17 Mrd. Dollar zu begeben.

Fed-Chef Powell versprach am zurückliegenden Freitag, die für die Geldpolitik ausschlagebenden Daten sorgfältig zu beobachten. Einen Tag zuvor wurde der PCE-Kernpreis-Index für Oktober veröffentlicht. Er ist gegenüber dem Vormonat um 0,2% angestiegen und kommt im Jahresvergleich auf 3,5%. Das war auch so erwartet worden.

Der ISM-Index der verarbeitenden Gewerbes in den USA bewegt sich im November den 13. Monat in Folge unter 50, der Scheidlinie zwischen Kontraktion und Expansion. Der Sub-Index für Preise steigt um 4,8%, der für neue Aufträge legt um 2,8% zu. Beide laufen aber im Kontraktionsbereich. Produktion und Beschäftigung sinken, der Auftragsbestand nimmt ab, er ist mit jetzt 39,3 sehr niedrig. Die Lagerbestände bei den Kunden nehmen zu. Insgesamt vermittelt der ISM-Index kein Bild einer lebendigen Wirtschaft, sondern eher eines von Stagflation.

US-Finanzministerin Yellen sieht die Wirtschaft auf dem Weg zu einer sanften Landung. Die Inflation dürfte keine weitere drastische Straffung benötigen, um das Niveau von vor der Pandemie zu erreichen. „Ich glaube, dass die Zeichen sehr gut stehen, dass wir diese weiche Landung erreichen werden, wobei sich die Arbeitslosigkeit mehr oder weniger stabilisiert und das Wachstum sich auf ein nachhaltiges Niveau verlangsamt," so Yellen.

Die britische Metro Bank kündigte Pläne an, bis Ende März 800 Stellen bzw. 20% ihrer Belegschaft zu streichen, um die Kosten für das klamme Kreditinstitut zu senken. Außerdem will sie keine weiteren Filialen eröffnen und ihr Modell der sieben Tage pro Woche geöffneten Filialen überprüfen. Dadurch könnte die Bank bis zu 50 Mio. Pfund pro Jahr einsparen. Bereits Anfang der Woche hatte eine andere britische Bank, Barclays, angekündigt, 900 Stellen in Großbritannien zu streichen.

Die UBS hat festgestellt, dass ihre Milliardärskunden in den zurückliegenden 12 Monaten mehr Geld geerbt haben, als sie durch Investitionen und Geschäftstätigkeiten verdient haben. „Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung in den nächsten 20 Jahren fortsetzen wird, wenn mehr als 1.000 Milliardäre geschätzte 5,2 Bill. Dollar an ihre Kinder vererben", heißt es.

Wie wird das neue Jahr? US-Präsidentschaftswahljahre sind normalerweise gute Jahre für die weltweiten Aktienmärkte. Im normalen saisonalen Verlauf zeigt das erste Quartal noch Schwäche, bevor die Aufwärtsbewegung etwa Mitte des Jahres Fahrt aufnimmt. Eine relativ schlechte Stimmung, wie sie aktuell vorherrscht, ist gerade eine gute Grundlage für eine Rally.

Zunächst einmal wird es allerdings zu einer Rezession kommen. In Deutschland ist sie längst da. Deutschlands Geschäftsmodell war in den zurückliegenden 20 Jahren darauf ausgelegt, von günstiger russischer Energie und einem gedrückten Euro zu profitieren und zu konkurrenzfähigen Preisen viel zu exportieren. Das ist passé, seit unsere Regierung beschlossen hat, die Dekarbonisierung der Energieerzeugung in den Mittelpunkt zu stellen. Jetzt kaufen wir Energie teuer ein, u.a. von unseren Freunden in den USA und erzeugen sie über die „Erneuerbaren“ noch teurer selbst. In den USA hoffen viele auf eine weiche Landung. Im historischen Rückblick zeigt sich, dass das bisher noch nie gelang. Wenn es gelingen sollte, dann auf Kosten der europäischen Wirtschaft. Wie sagte der kürzlich verstorbene Henry Kissinger? „Es mag gefährlich sein, Amerikas Feind zu sein, aber Amerikas Freund zu sein, ist tödlich.“

Die Immobilien-Märkte sind nicht nur in China ein Knackpunkt. Durch die schnell gestiegenen Zinsen können sich viele eine Immobilie nicht mehr leisten. Mit einer Rezession und der Notwendigkeit, Hypothekenkredite zu den hohen Zinsen refinanzieren zu müssen, können Hausbesitzer in die Bredouille kommen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Erwartung einer weiter nachlassenden Inflation sich als trügerisch erweist. Sollte die „Dekarbonisierung“ weltweit so fortschreiten, wie überall getönt wird, dann ist wegen dauerhaft hoher Energiekosten und De-Industrialisierung eher mit Stagflation zu rechnen. Und dann dürften die Zinsen –vielleicht nach einem kleinen Durchhänger- wieder anziehen.

Man sollte dieses Bild im Hinterkopf behalten:

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Die OECD schreibt, der Inflationsdruck könnte die Zinsen bis 2025 hoch halten. Die Märkte erwarten, dass die Zentralbanken in Europa die Zinssätze Mitte 2024 senken werden, aber die Zinssätze könnten aufgrund der hartnäckigen Inflation bis 2025 hoch bleiben. Die OECD geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank und die Bank of England ihre Leitzinsen bis Anfang 2025 auf dem derzeitigen Niveau halten werden. Die OECD warnte auch, die Zinserhöhungen dürften die fortgeschrittenen Volkswirtschaften bremsen, so dass diese sich möglicherweise erst nach 2025 vollständig erholen werden.

Investoren und Verbraucher schrecken vor den Kosten für den Ersatz fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energien zurück, was die schmerzhaften wirtschaftlichen Folgen des Klimaschutzes verdeutlicht", schreibt Greg Ip im Wall Street Journal. In den zurückliegenden Jahren hätten Washington und die Wall Street phantasiert, dass der Übergang zu einem Netto-Null-Emissionsausstoß ein wirtschaftlicher Glücksfall ist.

In diesem Jahr endet die Phantasie. Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen bleibt hinter den Erwartungen zurück, Entwickler von Offshore-Windkraftanlagen haben ihre Projekte gestrichen. Der S&P Global Clean Energy Index ist in diesem Jahr um 30% gefallen. Die Marktkapitalisierung von Ford ist nach einem „Elektro-Hype“ von über 100 auf 42 Mrd Dollar gesunken. Jemand muss für Null CO2 bezahlen, Aktionäre und Verbraucher haben in diesem Jahr beschlossen, dass sie es nicht sein wollen.

Technologische Umwälzungen sind positive Angebotsschocks: Eine neue, effizientere Technologie kommt auf den Markt, und die Investitionen konzentrieren sich auf diese neue Technologie, weil sie rentabel ist. Im Gegensatz dazu wird der grüne Wandel durch die öffentliche Politik vorangetrieben. Es handelt sich dabei um einen negativen Angebotsschock, der mit der Notwendigkeit einhergeht, Investitionen zu finanzieren, deren Rentabilität nicht selbstverständlich ist.

Indem eine kostenlose Ressource (das Klima) mit einem tatsächlichen oder einem impliziten Preis belegt wird, steigen die Produktionskosten, ohne dass gewährleistet ist, dass diese Kosten letztendlich wieder hereinkommen. Die geforderten Investitionen erhöhen die Produktionskapazität nicht, aber sie müssen dennoch finanziert werden, so Greg Ip.

Wir verfügen über eine Infrastruktur, die Energie effizient überall hinliefert. Die Befürworter grüner Energie wollen nicht nur etwas Funktionierendes abschaffen und durch etwas Neues ersetzen. Die neue Idee wird auch die bestehende Infrastruktur überlasten, ja, eine komplett neue erfordern. Die Leute wissen, dass dies die Kosten in die Höhe treibt, auch wenn die Politiker das Gegenteil behaupten. Und zu allem Überfluss sehen immer mehr den ganzen Hype um das Ende der Welt, und dieser wird von jedem, der auch nur ein bisschen gesunden Menschenverstand besitzt, zunehmend als Hype verstanden.

Das folgende Bild zeigt, dass den Investoren das Geld bei Nachhaltigkeits.Fonds nicht mehr locker sitzt. In diesem Jahr kam es sogar zu Abflüssen (Chartquelle).

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Der S&P 500 hat am zurückliegenden Freitag bei 4594,63 geschlossen. Die große Frage ist nun: Korrigieren Aktien am aktuellen Punkt oder konsolidieren sie nur? Oder? Aktuell könnte ein Doppel-Topp bei 4600 entstehen, eine klassische Formation für eine Korrektur. Den Bären ist es aber nicht gelungen, Aktien nennenswert zu drücken, was bei dem geringen Handelsvolumen in der Thanksgiving-Woche leicht möglich gewesen wäre. Und so sieht es bislang nach Konsolidierung aus – etwa in der Form, dass gleitende Durchschnitte an die aktuellen Kurse heranlaufen, bevor sie zum Sprungbreitt für den nächsten Schub werden, z.B. die EMA14 (Chartquelle).

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Der Volumenschub am zurückliegenden Donnerstag deutet darauf hin, dass die Bullen auch weiterhin vorne bleiben wollen. Der Index steht jetzt knapp am Hoch aus Ende Juli. Das ATH aus der Jahreswende 2021/2022 liegt bei 4800, 200 Punkte höher.

Auf der Unterseite bleibt das große Gap zwischen 4423 und 4470. Wenn alles „mit rechten Dingen zuginge“, müsste diese Lücke bald geschlossen werden. Ihre Unterseite fällt zudem mit den 38er Retracement des Impulses von Anfang November zusammen (4410). Oberhalb davon könnten die Pegel bei 4520 und bei 4450 mögliche Konsolidierungziele sein.

Wird die große Lücke nicht zügig geschlossen, würde das aus meiner Sicht eine Art Blowoff nahelegen, eine extreme bullische Übertreibung. Da der S&P 500 weniger als 5% von seinem Allzeithoch entfernt ist, könnte er in diesem Kontext sogar irgendwann früh im ersten Quartal 2024 darüber hinaus steigen. Dem dürfte dann eine scharfe Korrektur folgen.

Die Marktindikatoren zeigen sich per Saldo bullisch. Die Volumenverteilung ist in überdehnter Akkumulation. Solche Phasen halten erfahrungsgemäß fünf bis acht Tage an, womit jetzt etwa der „Poller“ erreicht wäre. Zuletzt entwickelte sich die Volumenstruktur in allen Komponenten ziemlich bullisch, auch das Put/Call-Verhältnis zieht nach. Das Verhältnis von SPX zu VIX ist mittlerweile höher als Ende Juli. Das „Klima“ begindet sich in Greed (Gier). Der TQUAL-Indikator (Auswertung der viel beachteten Stochastik, RSI und MACD bei verschiedenen großen internationalen Aktienindices) läuft jetzt auf sehr bullischem Niveau.

Die fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis sehen bei Aktien weit überwiegend bullische Merkmale. Die linearen haben den Bereich von 70% überschritten, dieser Wert wurde lange nicht mehr getoppt. Bärische Merkmale befinden sich auf sehr niedrigem Niveau. Aus dieser Sicht spricht einiges dafür, dass die bullische Bewegung noch kurze Zeit anhält. Die Prognose der TimePatternAnalysis für den S&P 500 sieht aktuell eine Abwärtsbewegung bis an 4400 heran. Von dort aus sollte es einen scharfen Rebound geben.

Die Charts der aggregierten Marktindikatoren und der fraktalen Oszillatoren der TimePatternAnalysis werden börsentäglich auf der Startseite aktualisiert.

Alles spricht für eine starke bullische Übertreibung. Es kann kurzfristig zu nicht für möglich gehaltenen Übertreibungen im Herdentrieb kommen. Ein kleines Warnzeichen ist die zuletzt gesehene relative Schwäche des NDX und eine auffallende Stärke im Dow. Aus meiner Sicht ist es kurzfristig am wahrscheinlichsten, dass es zu einer Konsolidierung kommt (oberhalb von 4450). Ein Ausbruch über 4600 könnte ein Blowoff-Szenario einleiten.

Ergänzung
Michael Hartnett, BofA: „Jeder denkt, die Rally geht bis zum Valentins-Tag. Jeder ist emotional bullisch, aber intellektuell immer noch bärisch. Und das bleibt vermutlich so, bis sich die Führerschaft bei Aktien ändert.“

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