Umstrukturierung – eine Frage der Zeit

Die Welt befindet sich heute in einer strukturell anderen Lage als in den zurückliegenden 40 Jahren. Längerfristig erscheint eine Umstrukturierung der Schulden- und Leistungssysteme unausweichlich.

Die derzeitigen Bedingungen sind für die Menschheit nicht neu. Aber meisten der heute Lebenden haben sie nicht direkt erlebt. Wie werden die Probleme gelöst, wie schwerwiegend sind sie eigentlich, welche Führungspersönlichkeiten werden die Probleme lösen – all das ist unbekannt. Aber die Probleme schreiten voran.

Da gibt es Leute, die glauben, man könnte einfach noch mehr Schulden machen und uns durch Drucken von Geld aus dem Problem herauswinden. Das ist bestenfalls naiv. Eher sind die Leute, die diese Meinung vertreten, Betrüger, nur daran interessiert, die Massen einzulullen.

Der Anthropologe David Graeber hat in seinem Buch „Schulden: Die ersten 5000 Jahre" in die Geschichte zurückgeblickt und Schuldenzyklen analysiert. Es handelte sich in den meisten Fällen um eine Kombination aus Monetarisierung von Schulden, Konkursen, Kürzungen von Ansprüchen, Geldschöpfung und Steuererhöhungen, die in irgendeiner Form zu einer neuen Währung führten. Die Zyklen sind lang und schreiten langsam voran. Wir befinden uns derzeit auf einem ähnlichen Weg.

Bei Schuldenmonetarisierung druckt die Fed oder irgendeine andere Zentralbank neues Geld, um neue oder bestehende Staatsschulden zu kaufen. Die Schulden werden als Aktiva in der Bilanz etwa der Fed und als Passiva in der Bilanz des Staatshaushalts ausgewiesen (Chartquelle).

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Staats- und Regierungschefs entschieden sich in der Geschichte meist dafür, neues Geld zu schaffen. Welcher durch Partei-Mühlen gekrochene Politiker ergreift schon gerne unpopuläre Maßnahmen, wenn er weiterhin gewählt werden möchte? Und in Krisenzeiten ist dies am einfachsten und entspricht in der Regel auch dem Wunsch der Massen. Aber der Weg des gerinsten Widerstands führt auch zu Inflation und den damit einhergehenden Problemen.

Neu gedruckte Dollars (oder Euros) kaufen neu geschaffene Staatsschulden, die Regierung verwendet das aufgenommene Geld zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten, Verteidigungsausgaben, Anspruchszahlungen, zur Rettung großer Institutionen. Und, ganz wichtig und neu, zuletzt in den USA im Rahmen der „Corona-Krise“ zur direkten Überweisung eines Großteils von neu gedruckten 10 Bill. Dollar an Privatpersonen, dem sogenannten Helikoptergeld.

Gerade wurde ein Regierungs-Shutdown in den USA abgewendet, besser gesagt das Risiko eines solchen auf Mitte November verschoben. Aber der Marsch auf 50 Bill. Dollar Schulden wird sich beschleunigen. Keine der Parteien strebt Haushaltsdisziplin an – das ist „unpopulär“. Aber je länger man so weitermacht, je „unpopulärer“ werden die Folgen sein.

Heute beträgt die Staatsverschuldung der USA 33,1 Bill. Dollar. Die Gesamtausgaben der Bundes-Regierung belaufen sich aktull auf 6,2 Bill. Dollar, die Steuereinnahmen kommen auf etwa 4,34 Bill. Dollar, das Staatsdefizit beläuft sich damit bei etwa 1,77 Bill. Dollar.

Und die Zinszahlungen? Per August 2023 belaufen sich die Zinsen auf die US-Staatsschulden auf etwa 708 Mrd. Dollar, das sind 12% der Gesamtausgaben. Ein Großteil davon wird mit Schulden mit kurzer Laufzeit finanziert, die zu höheren Zinssätzen refinanziert werden. Diese 708 Mrd. Dollar werden 1,2-1,5 Bill. Dollar erreichen, wenn die Schulden zu 4% oder 5% refinanziert werden müssen. Der Anteil von 12% an den Gesamtausgaben kann so im Handumdrehen auf 24% steigen. Im Unterschied zur Zeit vor 2008 ist die Schaffung von Liquidität nicht mehr weitgehend kostenlos (siehe hier!).

Seit der Gründung der USA im Jahr 1776 hat das Land 244 Jahre gebraucht, um 10 Bill. Dollar zu drucken. Allein in den zurückliegen drei Jahren wurden weitere 10 Bill. Dollar gedruckt – die Hälfte aller jemals in der Geschichte des Landes geschaffenen Dollar.

Wenn zu viel neues Geld geschaffen wird, steigen die Probleme. Wie Milton Friedman sagte: „Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen". Inflation wird dadurch verursacht, dass zu viel Geld zu wenigen Gütern hinterherjagt. So lange das neu geschaffene Geld im Finanzsektor verbleibt, verursacht es dort Inflation bei den Asset-Preisen. Gelangt es in die Realwirtschaft, wie zuletzt u.a. mit den „Corona-Maßnahmen“, dann erzeugt es Inflation bei Gütern und Dienstleistungen – wie gesehen!

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In den frühen 1980er Jahren kämpfte der damalige Fed-Chef Volcker gegen die Inflation an und führte den Leitzins im März 1980 auf ein Allzeithoch von 20%. Seitdem haben wir mehr als 40 Jahre lang von sinkenden Zinssätzen profitiert. Das war ein starker Rückenwind und eine hervorragende Kaufgelegenheit für langfristige Staatsanleihen.

Jetzt hat sich der Wind gedreht.

Der eingeschlagene inflationäre Weg sollte den Wert des Dollar in den Keller treiben. Das derzeitige finanzielle Fehlverhalten der Gesetzgeber ist „im Prinzip“ ein schlechter Weg, um Käufer anzuziehen, die die USA für den Kauf von Anleihen benötigen. Aber alle anderen entwickelten Länder agieren genau in derselben Art und Weise. Damit relativiert sich das und der Dollar zeigt sogar Stärke, weil andere Länder noch schlechter dastehen. Denn die USA können über die Stellung des Dollar als Reserverwährung davon ausgehen, dass nach wie vor Bedarf an Dollar-Reserven besteht. Z.B. zur Bezahlung der Lieferungen von US-Flüssiggas nach Europa, die beschlossen wurden, um Putin zu bestrafen…

Fragt sich nur, wie lange die Vormachtstellung des Dollar noch anhält. Die BRIC-Staaten (bald BRIC+) streben aus gutem Grund eine Entkopplung an.

Die VR China war in der Vergangenheit ein wichtiger Käufer von US-Schulden, um die eigene Währung zu schwächen und damit ihre Warenpreise konkurrenzfähig zu halten. Heute ist das Land eher Verkäufer von US-Schulden.

Die Friedensdividende der zurückliegenden mehr als 30 Jahre ist dahin, und mit ihr die langfristigen deflationären Vorteile der Produktionsverlagerung nach China. Externe geopolitische Herausforderungen kommen auf, China fordert als aufsteigende Macht eine bestehende Macht, die USA, heraus. Reshoring, De-Coupling, De-Risking sind der neue Stand der Dinge, der alles verteuert. Für die Wirtschaft ist das inflationär.

Die Öl- und Gaspreise steigen. Der Traum der grünen Energielösung wird noch viele Jahre einer bleiben, besser gesagt er wird ein Albtraum werden. Die Welt braucht auf viele Jahre hinaus Öl.

Die strategische US-Erdölreserve (SPR) wurde aus politischen Gründen angezapft, die US-Regierung muss sie wieder auffüllen. Gleichzeitig kürzen die OPEC und Russland ihre Produktion. Wir sind in hohem Maße von Erdöl, Erdgas und Flüssiggas abhängig. Zu den Erdölprodukten gehören Kraftstoffe für den Verkehr, Heizöl für die Heizung und die Stromerzeugung, auch Asphalt. Erdöl ist aber auch der Rohstoff für die Herstellung von Chemikalien, Kunststoffen und synthetischen Materialien, die in fast allen Produkten enthalten sind. Höhere Öl- und Gaspreise bedeuten auch, dass die Kosten für die Herstellung und den Transport aller Produkte steigen. All das wirkt sich inflationär aus.

Höhere Staatsverschuldung führt über Zinszahlungen an Private, die kurzfristige Schatzwechsel zur Kompensation des Inflationsverlusts bei Bargeld halten, zu Geldzufluss in die Realwirtschaft (siehe hier!). Maßnahmen der Regierung, mit neuem Geld die Wirtschaft anzukubeln (etwa auch zur Finanzierung von „grünen“ Projekten) erhöht die Geldmenge in der Realwirtschaft. Und, ganz wichtig, viele der Corona-Maßnahmen (etwa das Helikoptergeld in den USA – Zeitenwende der Geldpolitik) erhöhen die Geldmenge in der Realwirtschaft ebenfalls drastisch.

All das heizt die Inflation an und führt auf der Seite der Unternehmen zu höheren Kosten. Wenn diese in einer wachstumsschwachen Wirtschaft nicht voll auf die Konsumenten-Preise umgelegt werden können, drückt das auf die Gewinne. Und trägt dann zu Stagflation bei.

Hinzu kommt: Die USA sind heute gespaltener als jemals zuvor seit den 1970er Jahren. Die Verhandlungsmacht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften nimmt zu. Das Wohlstandsgefälle ist extrem und der Druck wächst, es wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Von Hollywood über UPS (Transport) bis hin zur UAW (Automobil-Gewerkschaft) sind Streiks erfolgreich und führen zu Lohnsteigerungen. Mehr Inflation! Steigende Kosten drücken die Unternehmensgewinne. Mehr Stagflation! Mehr Schulden! Die nächste Krise.

Der Weg in die Überschuldung ist ein schleichendes Ereignis, das längerfristig einen Punkt erreichen wird, der zu einer Umstrukturierung der Schulden-, Renten- und Geldsysteme führt. Die aktuellen Herausforderungen können längst schon nicht (mehr) über Nacht gelöst werden. Die nächste Krise wird mit noch mehr Helikoptergeld gelöscht – mit der Wende von 2020 sind die Weichen gestellt. Das befeuert den nächsten Inflationsschub. Und dann steht der Plan als „ultimative“ Lösung: Die Abschaffung von Bargeld und die Einführung von digitalem Zentralbankgeld.

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle; andere sind im Text verlinkt]

Siehe auch:

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