Was wird mit der Inflation geschehen?

Viele Kommentatoren wollen gerne glauben, das die hohe Inflation bald weiter zurückgeht. Sie knüpfen ihre Hoffnung an einzelne Bestandteile des Warenkorbs, der zur Inflationsmessung herangezogen wird, insbesondere an die Preise von Energie. Aber die Inflation ist hartnäckig und der Fokus auf einzelne Güter führt in die Irre.

Einige Beobachter haben den Preisanstieg als „Putin'sche Inflation" bezeichnet, da mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der Reaktion des Westens darauf im vergangenen Jahr die Energiekosten der Unternehmen und Haushalte in die Höhe geschnellt sind. Das nährt die Hoffnung, die Inflation werde 2023 viel niedriger ausfallen, da eine weitere Beruhigung bei den Energiepreisen erwartet wird.

Daher warnen einige Kommentatoren in den USA und Europa, die geldpolitische Straffung durch die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank könnte zu weit gehen. Die Inflation neigt jedoch aufgrund von Zweitrundeneffekten dazu, sich hartnäckig zu halten. So lange die Erzeugerpreise noch nicht vollständig durch die Wertschöpfungskette gelaufen sind und die Nominallöhne weiter steigen, ist mit einem dauerhaften Abebben der Inflation nicht zu rechnen.

Da die Unternehmen versuchen werden, diese Kosten an die Verbraucher weiterzugeben, wird die Kerninflation übergeordnet wahrscheinlich höher bleiben, als Fachleute das zurzeit prognostizieren. Außerdem führt die Konzentration auf die relative Stärke von bestimmten Preiskomponenten (wie etwa Energiepreise) zu einer Unterbewertung der inflationären Dynamik.

Die Differenz von Kern-Inflation zu Headline-Inflation dürfte anzeigen, wie weit die inflationäre Dynamik durch den Wertschöpfungsprozess gelaufen ist. So lange die Differenz positiv ist, ist dieser Prozess nicht beendet. Zur Visualisierung schlage ich vor, die Differenz der Headline-Inflation hinzuzuaddieren. So lange die Differenz positiv ist, ist die Inflation „schlimmer“ als es nach Headline-Zahl aussieht. Auch deflationäre Phasen können so deutlicher hervorgehoben werden.

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Die Inflation ist ein makroökonomisches Phänomen. Es wird durch ein Ungleichgewicht von Gesamtnachfrage und Gesamtangebot verursacht, seine Stärke wird von der Geld- und Finanzpolitik beeinflusst.

2020/2021 war die Finanz- und Geldpolitik sehr expansiv, die Entscheidungsträger wollten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie abfedern und die Wirtschaft stabilisieren. Dies geschah weltweit, war aber in den USA besonders ausgeprägt, die fiskalischen Anreize waren größer als der pandemiebedingte BIP-Rückgang.

Zusätzlich griff die Fed ein und unterstützte die fiskalpolitische Expansion durch eine expansive Geldpolitik. Das Ungleichgewicht zwischen Gesamtnachfrage und Gesamtangebot wurde auch noch dadurch weiter vergrößert, dass das Gesamtangebot aufgrund von Reibungsverlusten in den Wertschöpfungsketten und auf dem Arbeitsmarkt zurückging.

Die US-Wirtschaft beeinflusst v.a. durch den Dollar in seiner Funktion als Leitwährung die Preise auf den internationalen Märkten, und so griff die Inflationswelle der USA auf andere Länder über – nicht zuletzt auf die Eurozone. Der finanz- und geldpolitische Mix war hier ähnlich wie in den USA. Die EZB kaufte Staatsanleihen über ihr bestehendes Programm zum Ankauf von Staatsanleihen (PSPP, 2015 lanciert zu Draghis Zeiten).

Mit dem neuen Pandemic Emergency Purchase Program (PEPP) refinanzierte die EZB die stark gestiegenen Haushaltsdefizite der Mitgliedstaaten auf den Sekundärmärkten, weil die Steuereinnahmen aufgrund der COVID-Krise zurückgingen und die Staatsausgaben für umfangreiche Konjunkturprogramme anstiegen. Die monetäre Finanzierung der Fiskalpolitik wurde in der Realwirtschaft über höhere Transferausgaben, öffentlichen Konsum und öffentliche Investitionen wirksam. Der Preisdruck nahm zu.

2021 wurde steif und fest behauptet, die Inflation sei vorübergehend. Der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers widersprach allerdings und verglich die Situation mit den 1960er Jahren und der seinerzeitigen stark expansiven Fiskalpolitik zur Finanzierung sozialer Projekte. Die Inflation stieg zwischen 1966 und 1969 von 2% auf 6%, lange bevor die Wirtschaft durch den ersten Ölpreisschock getroffen wurde.

Die Vertreter der Liga der transienten Inflation verstummten schließlich. Die heutige Inflation war bereits vor dem durch die westlichen Reaktionen auf den russischen Einmarsch in die Ukraine verursachten Angebotsschock gekommen, um zu bleiben – eine Parallele zu der Zeit vor dem ersten Ölpreisschock.

Die Geldbasis (M0) in der Eurozone war in den zurückliegenden Jahren extrem schnell angewachsen – von 1,2 Bill. Euro im März 2014 auf 6 Bill. Euro im September 2021. Zugleich hat die öffentliche Bruttoverschuldung in den Mitgliedstaaten von 73% des BIP im Jahr 1998 auf 97% im Jahr 2020 zugenommen (Tiefpunkt in 2007 bei 66%).

2020 und in den folgenden Jahren waren Geld- und Fiskalpolitik besonders expansiv und hielten so die Gesamtnachfrage hoch. Das Gesamtangebot blieb jedoch aufgrund von Verzerrungen in den Wertschöpfungsketten, Engpässen auf dem Arbeitsmarkt und anderen Produktionsproblemen gedrückt. Zu viel Geld stand zu wenigen Güter gegenüber, folglich stiegen die Preise.

So lange die Liquiditätsspritzen der EZB mit dem PSPP-Programm von 2015+ größtenteils im europäischen Bankensektor verblieben und zur Konsolidierung der Bankbilanzen beitrugen, indem notleidende Kredite gegen Gewinne aus den geldpolitischen Programmen abgeschrieben wurden, blieb der inflationäre Effekt gering. Die Geldmenge schwappte nicht in die Realwirtschaft über.

Im Gegensatz dazu refinanzierte das PEPP-Programm der Pandemie-Ära die expansive Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten direkter. Hinzu kommen Effekte aus der Alterung der Gesellschaft sowie die nachlassende Globalisierungsdynamik – einige strukturelle Elemente fallen weg, die die Preise lange gedämpft haben. Immer wenn die Staatsverschuldung schneller steigt als das reale Wirtschaftswachstum, besteht das Risiko einer Inflation. Die Inflationserwartungen sind umso größer, je weniger vertrauenswürdig die Geld- und Finanzpolitik ist.

Staatsschulden sind ein Vermögenswert, der seinen Wert nur so lange behält, wie er verspricht, in der Zukunft Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Das hängt wiederum davon ab, dass der Staat seine Schulden bei Fälligkeit zurückzahlt. Die heutigen Schulden sind nur so viel wert, wie der Staat in der Zukunft zurückzahlen kann – so wie der Wert von Aktien heute durch die erwarteten abgezinsten künftigen Erträge beschrieben werden kann.

Wenn ausreichende zukünftige Primärüberschüsse immer unwahrscheinlicher werden, muss der heutige reelle Wert der Schulden angepasst werden. Das führt zu zunehmenden Inflationserwartungen. Man kann auch sagen, die Inflation nimmt dann einen erwarteten Zahlungsausfall vorweg. Wenn der Marktwert von Staatsschulden ihren fundamentalen Wert mit fallenden Renditen aber übersteigt, entsteht eine Blase. Die Staatsverschuldung kann dann zeitweilig auch ohne Primärüberschüsse tragfähig sein. Wenn aber Zweifel aufkommen, ob die Regierung ihre Schulden zurückzahlen kann oder will, platzt diese.

Es besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen Finanzpolitik, Schuldentragfähigkeit und Inflation. Die Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Geldpolitik restriktiver werden muss, um die derzeit hohe Inflation zu bewältigen. Zudem sollte die Fiskalpolitik nicht in Konflikt mit der Straffung der Geldpolitik geraten. Und drittens muss die Finanzpolitik auf eine glaubwürdigere und nachhaltigere Basis zurückkehren. Das wäre eine Rückkehr zu einem Pfad zur Erzielung von Primärüberschüssen, die fiskalischen Spielraum schaffen würden, um künftige Krisen glaubwürdig anzugehen.

Angesichts der auf Pump finanzierten Projekte wie der Ausbau der Bundeswehr, die Gaspreisbremse und Programme Finanzierung grüner Dekarbonisierungs-Politik und der Abfederung ihrer Folgen wirkt die Fiskalpolitik konträr zur Geldpolitik. Sie ist zudem wenig glaubwürdig – das Erzielen von Primärüberschüssen ist auf den St.-Nimmerleinstag vertagt, die Rückzahlung der Staatsschulden ist angesichts der Finanzierung wenig produktiver Projekte zumindest fragwürdig. Verschärfend kommt das gestiegene Zinsniveau hinzu.

Die jüngsten Entwicklungen im Bankenbereich haben gezeigt, dass die Wechselwirkungen zwischen Geld- und Finanzpolitik die Finanzstabilität beeinträchtigen können. Während Banken große Mengen an Staatsanleihen als risikofreie (sichere) Vermögenswerte halten, führen steigende Zinssätze zu sinkenden Marktwerten dieser Anleihen. Das führt zu Abschreibungen in den Bilanzen der Banken.

Wenn Banken kurzfristige Einlagen in längerfristige Kredite umwandeln, verschärfen sie ihre Risikoausrichtung und benötigen ausreichend große Reserven, um Verluste aufzufangen. Ist dies nicht der Fall, kann sie ein Ansturm auf die Bareinlagen zwingen, Verluste auf Marktwerte zu realisieren. Wegen der insgesamt schwachen Eigenkapitalaustattung ist dann schnell der Punkt der Insolvenz erreicht. Das gilt insbesondere für den immer noch überdimensionierten Bankenbereich in der Eurozone.

Geschieht dies in nennenswertem Umfang, könnte eine Zentralbank gezwungen sein, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen und weitere Zinserhöhungen aufzuschieben. So würde die Dominanz des Finanzsektors in der Geldpolitik zum Fortbestehen der Inflation beitragen. Es stimmt zwar, dass eine zu starke geldpolitische Straffung „etwas kaputt machen" kann, aber im Kampf gegen die Inflation ist dieses Argument kontraproduktiv.

Jetzt fragen Sie sich bitte: Ist die aktuelle Finanzpolitik vertrauenswürdig? Strebt sie Primärüberschüsse an? Strebt sie die Rückzahlung der aufgenommenen Schulden an? Ist der politische Kurs insgesamt vertrauenswürdig angesichts des grünen Wahns, von dem sich die Politik leiten lässt? Es werden gigantische Schulden fabriziert für einen Irrweg in den wirtschaftlichen Kollaps, der fraglich werden lässt, ob diese jemals zurückgezahlt werden.
Was also wird wohl mit der Inflation im zeitlich übergeordneten Bild geschehen?

[Unter Verwendung von Material aus dieser Quelle: „Why Inflation Persists“ von Prof. Lars P. Feld]

Lars P. Feld, Professor für Volkswirtschaft an der Universität Freiburg, ist Direktor des Walter-Eucken-Instituts. Zu Walter Eucken siehe u.a. hier!

Ergänzung:
Zum energiepolitischen Schwachsinn passt auch der Artikel „Einladung zur finalen Abschaltung"!
Siehe auch die Studie von Wallace Manheimer, pensionierter Wissenschaftler beim U.S. Naval Research Laboratory „While the Climate Always Has and Always Will Change, There Is no Climate Crisis“!

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