Solidarität und Volksgesundheit

Man hört jetzt immer wieder und immer stärker den Ruf nach Solidarität. Die Ungeimpften seien unsolidarisch, sie sorgten mit ihrer Haltung für das erneute Aufflammen der Covid-19-Infektionen. Das ist sachlich unhaltbar (siehe etwa hier!)

So hat der deutsche Arbeitgeberpräsident jetzt in einem Interview mit der FAZ gesagt, es gehe um die Solidarität im gemeinsamen Kampf gegen eine gemeinsame Bedrohung. Deutschlands Unternehmen üben sich anscheinend in vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Regierenden und erfinden die Volksgemeinschaft neu.

Das erinnert mich an das, was der Nazi-Führer Hermann Göring 1946 im Gespräch mit einem amerikanischen Psychologen zur Frage bekannte, wie man ein Volk zum Mitmachen bringt: „Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten einen Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr.“

Vor 80, 90 Jahren war jeder ein unsolidarischer Volksfeind, der die Kriegstreiberei des Hitler-Regimes (zu Recht) kritisiert hat. Heute gilt jeder Ungeimpfte offenbar auch als unsolidarisch-asozial.

Der Spiegel kann sich nach der kürzlich erfolgten Finanzspritze der Gates-Foundation im Umfang von 2,9 Mio. Dollar jetzt anscheinend eine Haus-Philosophin leisten. Eine Sophie Garbe hat folgendes zu Papier gebracht (h/t Sciencefiles) (Chartquelle):

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Ich greife das stellvertretend für zahlreiche andere gleichartige Wortmeldungen auf.

Da heißt es: „Die Freiheit des einen hört dort auf, wo sie die anderer beschneidet.“ Freiheit wird reduziert auf einen inhaltsleeren mechanischen Begriff. Zu Ende gedacht, bedeutet die Behauptung, dass es keine Freiheit gibt, weil beliebig viele andere vorhanden sind, die ihrerseits ihre Freiheit beanspruchen.

In diesem Sinne ist auch der folgende Satz Blödsinn: „Die Freiheit, eine Impfung zu verweigern, endet dann, wenn sie andere in ihrer Gesundheit konkret gefährdet.“ Es ist dieselbe Logik: Die eigene Freiheit endet am Gartenzaun des anderen. Da es unendlich viele andere mit unendlich vielen Möglichkeiten gibt, sie in ihrer Gesundheit zu gefährden, gibt es auch hier keine Freiheit und damit auch kein Recht auf eine eigene Impfentscheidung (zur Rechtslage siehe unten!).

Mit einem solchen Freiheitsbegriff wird aber auch der Begriff der Solidarität pervertiert. Solidarität setzt Einsicht voraus, dass das gewünschte solidarische Handeln auch gut ist für einen selbst (sonst wäre es Barmherzigkeit). Einsicht wiederum kann nur der erlangen, der umfassend informiert ist. Dazu ist Freiheit erforderlich, persönliche Freiheit, gedanklicher und gesellschaftlich-realer Spielraum. Dies ist aber nicht vorhanden, weil die eigene Freiheit von der Freiheit anderer in dieser Logik bis auf Null beschnitten ist – siehe oben.

Und was ist von diesem Satz zu halten? „Gesundheit und Freiheit sind in einer Gesellschaft (…) ein kollektives Gut.“ Bei einem kollektiven Gut kann niemand von dessen Gebrauch ausgeschlossen und niemand durch seinen Gebrauch beeinträchtigt werden. Freiheit ist ganz offensichtlich kein kollektives Gut, weil … siehe oben. Für Gesundheit gilt das auch, die hierzu erforderlichen Resourcen sind weder unendlich noch kostenlos, daher ist ihr Gebrauch auch rivalisierend. Zudem kostet die Erhaltung der Gesundheit im Krankheitsfalle Geld. Der mit mehr Geld kann sich mehr davon leisten.

Das mag sich alles anhören wie philosphische Spielerei. Aber hinter den Wortmeldungen steckt eine zutiefst antidemokratische Einstellung. Ich versuche im folgenden –zugegebenermaßen etwas abstrakt- zu zeigen, was ich unter einer idealen demokratischen Gesellschaft und Einstellung verstehe.

Zweifel, Solidarität und Freiheit
Das wesentliche Merkmal wissenschaftlichen Vorgehens ist die Methode des Zweifels, des beständigen Hinterfragens. Nur so wird man komplexen Strukturen gerecht und schafft das Ideal einer immer besseren Annäherung der menschlichen Erkenntnis an die Realität. Das ist ein ständiger Prozess des Vorantastens, der Korrektur überholter Erkenntnisse. Der Mensch ist ein gesellschaftliches Wesen, demzufolge erfolgt der Erkenntnisprozess auch in der gesellschaftlichen Interaktion.

Eine ideale Gesellschaft überträgt diese Merkmale wissenschaftlichen Vorgehens auf das gesellschaftliche Miteinander. Aus dem Austausch von Meinungen und Informationen, aus der Diskussion und dem Streit konträrer Positionen entsteht etwas Neues, Besseres.

Dabei spielen die Medien eine entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe ist es, für den Fluss von Informationen und Meinungen zu sorgen, sie müssen die gesellschaftliche Diskussion anregen, fördern. Je breiter das Spektrum der Meinungen, je größer die Vielfalt der Ansichten ist, je optimaler dürfte das Ergebnis der gesellschaftlichen Willensbildung ausfallen.

Ein solcher Prozess kann sich in demokratischen Staatsformen mit den Idealen Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit am ehesten entwickeln. Diese drei Pfeiler stehen in einer spannungsreichen Beziehung zueinander. Die Brüderlichkeit, das, was wir heute mit Solidarität übersetzen, zielt auf ein nachhaltiges soziales Verhältnis ab, in dem man sich gegenseitig unterstützt und aufeinander Rücksicht nimmt. Die Beteiligten tun dies in dem Bewusstsein, dass sie mehr eint als trennt und letztlich in dem Bewusstsein, dass sie den anderen brauchen, um die eigene Existenz zu sichern.

Im Gegensatz dazu steht die Barmherzigkeit, die mehr auf eine einseitige Hilfe ausgerichtet ist für jemanden, der sich anders nicht helfen kann. Solidarität beinhaltet denn auch Elemente der Gleichheit, Barmherzigkeit hingegen Elemente der Ungleichheit.

Die Regierenden sind in einer idealen Demokratie „Primus inter Pares“. Sie haben sich denselben gesellschaftlichen Strukturen zu unterwerfen. Insbesondere haben sie sich der Begrenzheit ihrer Erkenntnisse bewusst zu sein. Einmal getroffene Entscheidungen unterliegen ständiger Anpassung und Rechtfertigung. Sie sind niemals „alternativlos“.

Solidarisches Handeln setzt die Erkenntnis bei jedem einzelnen voraus, dass es gemeinsamen Zielen dient. Das letztlich wichtigste gemeinsame, gesellschaftliche Ziel ist der Fortbestand des Gemeinwesens als Garant für das individuelle Fortbestehen.

Die Einsicht, dass das individuelle Leben nur im Rahmen des gesellschaftlichen Lebens möglich ist, ist der Kern, auf dem alles andere aufbaut. Daraus ergibt sich die Einsicht der individuellen Vernunft in die Grenzen der persönlichen Freiheit in der gesellschaftlichen Realität. Daraus ergibt sich auch das Ideal der Gleichheit – jedes Mitglied ist auf seine individuelle Art für den Erhalt der Gesellschaft gleich wichtig. Der Vergleich mit einem komplexen Räderwerk, bei dem es auf jedes Teil ankommt, ist hier durchaus angebracht.

Letztlich ist für den Fortbestand einer menschlichen Gesellschaft die Vielfalt entscheidend – die Vielfalt der Ideen, der Fähigkeiten, der Meinungen, der individuellen Wesen. Eine große Vielfalt bietet eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich ein für den evolutionären Fortbestand der Gemeinschaft optimaler gesellschaftlicher Wille herausbildet (mit dem Thema Evolution hatte ich mich u.a. hier befasst).

Gleichmacherei entspricht diesem, meinem Ideal genauso wenig wie ein allumfassender sozialer Druck auf jeden Einzelnen. Freiheit als Forderung nach unbegrenztem individuellen Spielraum passt in diesen Rahmen genauso wenig. Freiheit ist Einsicht in Notwendigkeiten. Notwendigkeiten sind ein Ergebnis gesellschaftlich-wissenschaftlicher Erkenntnis. Und Medien als Regierungssprachrohr, sowie Zensur durch wen auch immer sind massiv "kontraproduktiv" in Bezug auf eine solche ideale Gesellschaftsform.

Angesichts der mittlerweile von den Quantitätsmedien eingenommenen Rolle als unkritisches Sprachrohr der Herrschenden und angesichts der Zensur durch die BigTechs à la Facebook, Google, Youtube, Twitter usw. ist eine umfassende Meinungsbildung sehr erschwert. Wir bekommen ein schmales Informationsband präsentiert, innerhalb dessen heftige Auseinandersetzungen inszeniert werden. Das spiegelt Meinungsfreiheit vor und verdeckt die reale Zensur. Wenn Solidarität auf bewusster Einsicht beruht, dann sind das hierfür ungünstige Voraussetzungen.

Unsere herrschende Politik redet viel von Solidarität. Aber sie meint und will nicht Solidarität, sondern Uniformität. Und hat sie die Volksgesundheit vor Augen, wenn sie es zulässt, dass mitten in der "Pandemie" Krankenhausbetten, sowie Intensivkapazitäten abgebaut werden? Sie hält es nicht einmal für erforderlich, die Kapazitäten hier (wieder) auszubauen (siehe hier!). Stattdessen sollen alle "uniform" ihrem Impfdiktat folgen, was dem Freiheitsgrundsatz unserer Verfassung widerspricht.

Im Rahmen unserer Verfassung sind nach diesem Rechtsgutachten alle Benachteiligungen der Ungeimpften durch 2G- und 3G-Regeln verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen und müssen sofort aufgehoben werden. Auch indirekter Impfzwang ist demnach verfassungswidrig. Das wird sachlich damit begründet, dass die Impfung keine sterile Immunität vermittelt, weil Geimpfte vier Monate nach der Impfung praktisch genauso häufig infektiös wie Ungeimpfte sind. Zudem wäre eine direkte Impfplicht verfassungswidrig, da über denkbare Langzeitrisiken der neuartigen COVID-19-Vakzine noch nichts bekannt ist. Die massenhaften Impfungen hätten insofern den Charakter eines riesigen Humanexperiments, heißt es. Eine direkte Impfpflicht verstieße deshalb eindeutig gegen die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG).

Ergänzung:
Siehe hierzu auch: "ARD: Ungeimpfte mitverantwortlich für tausende Tote".
Lesenswert: "Fünfkampf gegen die Freiheit"

(23.11.21) Anmerkung: Der Artikel wurde teilweise stilistisch überarbeitet und ergänzt.


Video: Corona, der Regen und die Solidarität (Quelle)



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